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Manfred Liebel: Kinderinteressen

Rezensiert von Christina Müller, 25.08.2015

Cover Manfred Liebel: Kinderinteressen ISBN 978-3-7799-3272-7

Manfred Liebel: Kinderinteressen. Zwischen Paternalismus und Partizipation. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2015. 300 Seiten. ISBN 978-3-7799-3272-7. D: 29,95 EUR, A: 30,80 EUR, CH: 40,10 sFr.

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Thema

Vor 25 Jahren verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die „Convention on the Rights of the Child“ (CRC). Die Rechte, die in der UN-Konvention kodifiziert sind, heben die Achtung vor der Meinung und dem Willen des Kindes hervor. Damit sensibilisierten sie für die Interessen von Kindern, die seitdem wachsende Aufmerksamkeit erfahren haben. Im Zuge dessen sind verschiedene Organisationen und Institutionen entstanden, die sich der Vertretung von Kinderinteressen widmen. Manfred Liebel legt vor diesem Hintergrund mit „Kinderinteressen. Zwischen Paternalismus und Partizipation“ eine Ergänzung zur aktuellen Diskussion vor, indem er sich den bislang in diesem Kontext unberücksichtigt gebliebenen Fragen, inbes. „worin denn die Interessen von Kindern bestehen, wie sie entstehen, wie sie zu verstehen, zu erkennen und am besten zu vertreten sind“ (Liebel 2015: 9) widmet. Erklärtes Ziel ist dabei, das Verhältnis von Kinderinteressen und Kinderrechten einer kritischen Analyse zu unterziehen und zu diskutieren, wie Möglichkeiten der Kinder erweitert werden können.

Entstehungshintergrund

Manfred Liebel war bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2005 Professor für Sozialpädagogik an der TU Berlin. Derzeit ist er Leiter des „European Master in Childhood Studies and Children´s Rights“ (EMCR) an der Freien Universität Berlin sowie Direktor des „Institut für internationale Studien zu Kindheit und Jugend“ (ISCY) an der „Internationalen Akademie“ (INA gGmbH) der FU Berlin. Darüber hinaus ist er Vorstandsvorsitzender des „European Network of Masters in Children´s Rights“ (ENMCR) sowie Mitglied der Koordinierungsgruppe der „National Coalition“ für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland. Liebels Forschungs- und Lehrschwerpunkte liegen auf internationalen und interkulturellen Aspekten der Kindheits- und Jugendforschung, inbes. Kinderrechten, Citizenship, sozialen Bewegungen sowie Kinder- und Jugendkulturen. In den vergangenen Jahren publizierte Liebel in verschiedenen Fachzeitschriften wie bspw. „Neue Praxis“, „SLR“ oder auch „Desacatos“ zu kinderrechtlichen Themen. Durch seine zahlreichen Publikationsbeiträge sowie seine langjährige Erfahrung in Theorie und Praxis ist er zu einem bedeutenden Akteur für diejenigen avanciert, die für die gesellschaftliche Anerkennung junger Menschen weltweit kämpfen und sich hierbei nicht auf eine eurozentrische Perspektive beschränken. Mit dem Untertitel „Zwischen Paternalismus und Partizipation“ des vorliegenden Buches „Kinderinteressen“ wird die selbstkritische Intention Liebels, die sein wissenschaftliches Werk wie einen roten Faden durchzieht, zum Ausdruck gebracht. Die eigene Position hinterfragend, setzt er sich für „eine möglichst umfassende, in die Welt der Erwachsenen eingreifende und die Welt mitverändernde Partizipation der Kinder“ (ebd.: 12) ein. Im Wissen um die Verwobenheit im generationalen Arrangement und mögliche altersbedingte Unzulänglichkeiten legen in der vorliegenden Publikation u. a. junge Menschen selbst ihre subjektiven Erfahrungen und Sichtweisen dar. Sowohl Beiträge von jungen Vertreter*innen von Kinderinteressen als auch Beiträge von Professionellen aus verschiedenen Institutionen ergänzen die Ausführungen Liebels.

Aufbau

Der Band gliedert sich neben der Danksagung, der Einleitung und einem abschließenden Gesamtfazit in 17 Kapitel, welche wiederum thematisch zu vier Teilen zusammengefasst sind.

Zu „Teil I – Interessen – wo sie herkommen, und was sie bedeuten“

Der einleitende Abschnitt widmet sich zunächst im Kapitel 1 „Die vielen Gesichter des Interesses“ grundlegenden Begriffsklärungen sowie ausgewählten Interessenskonzepten und -theorien.

Nach der Rekonstruktion der etymologischen Ursprünge des Terminus ‚Interesse‘ und einem kurzen historischen Abriss seiner Begriffsgeschichte in Kapitel 2 „Wie das Interesse am Interesse entstand“, nimmt Kapitel 3 „Interessen in Kindheitsforschung und Pädagogik“ die Bedeutungsgeschichte des Begriffs ‚Interesse‘ in der sozialwissenschaftliche Kindheitsforschung sowie der Pädagogik in den Blick. Liebel geht davon aus, dass das Interesse der Kinder in der sozialwissenschaftlichen Kindheitsforschung „weitgehend eine Leerestelle bildet“ (ebd.: 51) und der Verweis auf diese nach wie vor „nicht in analytischer Weise für ein besseres Verständnis ihrer sozialen Position und der darin möglicherweise angelegten Handlungsorientierung genutzt“ (ebd.: 52) wird. Bezugnehmend auf die theoretischen Überlegungen von Leena Alanen und Doris Bühler-Niederberger wird die Position des erwachsenen Experten hinterfragt und als Moment der generationalen Ordnung entlarvt sowie weitergehend herausgearbeitet, dass es einer Konkretisierung des Interessensbegriffs bedarf, um die Gründe, welche Kinder zu individueller oder kollektiver Artikulation bewegen, nachvollziehen zu können. Im Kontext der Pädagogik hebt Liebel die Überlegungen Paolo Freires hervor und setzt diese in Beziehung zu den sozialen Bewegungen arbeitender Kinder und Jugendlicher in Lateinamerika.

Zu Teil II „Kinder und ihre Interessen“

Der nachfolgende zweite Abschnitt unterzieht die praxisbezogene Rede von Kinderinteressen einer kritischen Analyse und intendiert deren theoretische Fundierung.

Im Kapitel 4 „Zur Genese und Artikulation von Kinderinteressen“ wird einleitend zunächst auf die Unzulänglichkeit verwiesen von Kinderinteressen im Kollektivsingular zu sprechen. Da die abstrahierende sozialen Konstruktionen und Repräsentationen von Kind und Kindheit bereits nicht mit dem realen Leben von Kindern übereinstimmen, sondern sich Kinder abhängig von Situationen und Lebenslagen, die wiederum durch historische, kulturelle sowie politische Rahmenbedingungen und damit einhergehenden spezifischen wohlfahrtsstaatlichen Arrangements geprägt sind, unterscheiden, ist folglich auch von differierenden Interessen auszugehen. Weitergehend können diese über die Lebensspanne hinweg und zudem situationsspezifisch (z. B. im Kontext von Schule) variieren. Bedingt durch die generationale Durchdringung im gesellschaftlichen Bedingungs- und Handlungsgefüge plädiert Liebel für die Annahme von sich eben daraus ableitenden kollektiven Interessen, deren Wertfreiheit er jedoch zugleich kritisch reflektiert. Liebel betont in diesem Zusammenhang den in der World-Vision-Kinderstudie 2013 zum Ausdruck kommenden Gerechtigkeitssinn. Dieser kann ihm zufolge als „grundlegend für das Empfinden und Denken von Kindern und ihr Verständnis eigener Interessen betrachtet werden“ (ebd.: 70).

Nach der Darlegung, wie sich Interessen von Kindern im Allgemeinen konstituieren und sich weitergehend als subjektive Interessen manifestieren können, werden die Gruppeninteressen von Kindern einer genaueren Betrachtung unterzogen. Davon ausgehend, dass bspw. Kinder mit Behinderungen, Straßenkinder, arbeitende Kinder, indigene Kinder, Flüchtlingskinder sowie intersexuelle Kinder, als solche gesellschaftlich konstruiert werden und ihnen damit zugleich ein bestimmter Platz in der Gesellschaft zugewiesen wird, nimmt Liebel weitergehend an, dass sich für eben jene, die über gemeinsame Merkmale verfügen und sich über diese identifizieren, spezifische Interessen ergeben können. Seine Überlegungen expliziert er u.a. an der möglichen Herausbildung eines gemeinsamen Interesses von Kindern mit Behinderungen, das die Infragestellung der Normalitätsstandards einer Gesellschaft intendiert. Hierdurch wird veranschaulicht, wie Kategorisierungen mit Verweis auf die Abweichung von der Normalität einerseits stigmatisierende Konsequenzen und Hilfsbedürftigkeit evozieren, andererseits jedoch auch zur kollektiven Identität von Kindern beizutragen vermögen.

In Kapitel 5 „Kinderinteresse und Kinderrechte“ geht Liebel auf rechts- und moralphilosophische Debatten ein. Zunächst wird die komplexe und widersprüchliche Beziehung zwischen Rechten und Interessen herausgearbeitet. Hierbei wird erstens betont, dass Kinderechte „nicht von, sondern für Kinder“ (ebd.: 89; Herv. i. O.) formuliert wurden, und zweitens die abstrakte und generalisierende Form von Rechten kritisch beleuchtet. Liebel forciert damit einen kritischen Blick auf das Monopol Erwachsener im Kontext der Rechtssetzung und Rechtsprechung und verleiht seiner bereits in früheren Publikationen formulierten Überzeugung Ausdruck, dass es wichtig sei, Kindern zu ermöglichen an der Kodifizierung ihrer Rechte mitzuwirken und damit ihren Wünschen, Überlegungen und eigenen Formulierungen Ausdruck zu verleihen. Damit leitet Liebel zu Willens- und Interessenstheorien der Menschenrechte über und zeichnet nachfolgend die Thematisierungsstränge der „Will Theory“ resp. „Choice Theory“ sowie der „Interest Theory“ innerhalb des Menschenrechtsdiskurs nach, um mit der interessenstheoretischen Begründung der Kinderrechte als Handlungsrechte das Unterkapitel abzuschließen.

Im nachfolgenden Kapitel 6 „Vom besten Interesse der Kinder und den sich entwickelnden Fähigkeiten“ geht Liebel der Frage nach, wie Kinder ihre Interessen erkennen und mit ihnen umgehen können. Hierzu hinterfragt er das Rechtsprinzip des „besten Interesses“, wie es in Art. 3 Abs. 1 kodifiziert ist, sowie das ebenfalls in der UN-Kinderrechtskonvention formulierte Prinzip der „sich entwickelnden Fähigkeiten“. Hierbei greift er weitergehend auf die Ausführungen des „Capability Approach“ zurück.

Im abschließenden Kapitel 7 „Gegenwarts- und zukunftsbezogene Kinderinteressen“ wird die zeitliche Dimension von Interessen fokussiert. Liebel arbeitet diesbezüglich heraus, dass Interessen von Kindern in Bezug auf ihre Zukunft als Erwachsene von den Interessen zukünftiger Generationen zu differenzieren sind. Hinsichtlich letzterer würde dies u.a. mit Rekurs auf Edith Brown Weiss sowie die Erklärung der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung (Rio-Erklärung 1992) erfordern „Macht nicht länger ungleich zu verteilen und lebenswichtige Fragen nicht über die Köpfe der davon Betroffenen zu entscheiden, sondern allen – ungeachtet ihres Alters – die annähernd gleiche Chance einzuräumen, an ihrer Lösung mitzuwirken“ (ebd.: 142).

Zu Teil III „Vertretung von Kinderinteressen“

Der nachfolgende Abschnitt III wird mit dem Kapitel 8 „Warum Kinderinteressenvertretung durch Erwachsene?“ eingeleitet. Es wird dargelegt, dass Kinder auf Schutz, Begleitung und Unterstützung von Erwachsenen angewiesen sind. Liebel geht nachfolgend auf Kinderinteressenvertretungen durch Erwachsene ein.

Hierbei unterteilt er wiederum zwischen Formen der Interessensvertretungen, die tendenziell alle Kinder fokussieren (Kapitel 9 „Kinderinteressenvertretung im öffentlich-politischen Raum“) und solchen, die für Kinder in besonderen Situationen geschaffen werden (Kapitel 10 „Interessenvertretung für Kinder in besonderen Situationen“).

Ein besonderer Fokus wird hierbei auf Eltern und Professionelle, die direkte oder indirekte Verantwortung für Kinder tragen, gelegt (Kapitel 11 „Kinderinteressenvertretung durch Eltern und Berufsgruppen“).

Im abschließenden Kapitel 12 „Qualitätsstandards und Qualifikationsanforderungen“ stehen die Fachkenntnisse und die persönlichen Haltungen der Professionellen im Mittelpunkt der Betrachtung. Während für Verfahrensbeistände in familiengerichtlichen Verfahren die „Bundesarbeitsgemeinschaft Verfahrensbeistandschaft Interessenvertretung für Kinder- und Jugendliche e. V.“ zuletzt 2012 Qualitätsanforderungen resp. Standards beschlossen hat, existieren für die Berater*innen unabhängiger Ombudschaften im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe bislang keine explizit formulierten und einheitlichen Qualitätsstandards. Diesen Missstand kritisierend, hebt er weitergehend die Entwicklung und Etablierung von Qualitätsstandards für die Beschwerdestellen in den stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe hervor.

Zu Teil IV „Interessensvertretung durch Kinder“

Der vierte Abschnitt befasst sich schließlich zunächst in Kapitel 13 mit „Grundfragen kindereigener Interessenvertretung“ und nimmt eine Differenzierung zwischen kindereigenen Interessensvertretungen in pädagogischen Institutionen sowie im öffentlich-politischen Raum vor.

Darauf aufbauend, werden zunächst kindereigene Interessenvertretungen in Schulen und Heimen sowie heimähnlichen Einrichtungen (Kapitel 14) im Speziellen vorgestellt und nachfolgend mögliche Perspektiven solcher Interessenvertretungen in pädagogischen Einrichtungen im Allgemeinen diskutiert. Hierbei arbeitet Liebel das Spannungsverhältnis zwischen einem notwendigem Gegengewicht zur Dominanz der Erwachsenen einerseits und der strukturellen Eingebundenheit solcher Vertretungen in eben jenes durch diese Dominanz geprägte Arrangement andererseits heraus und hebt die Bedeutung von „starken, in Konzeptionen und Regelwerken der pädagogischen Einrichtungen ausgewiesenen Grund-, Mitwirkungs-, Kontroll- und Beschwerderechten“ (ebd.: 276) hervor. Handlungs- und Partizipationsräume seien „nicht nur im pädagogischen Sinn als Übungsfeld für die Förderung des Selbstvertrauens oder demokratischen Verhaltens zu verstehen, sondern als ein Mittel, die soziale Stellung der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung zu stärken und ein Handeln auf gleicher Augenhöhe mit dem pädagogischen Personal zu ermöglichen“ (ebd.: 276).

Kapitel 15 widmet sich demgegenüber den kindereigenen Interessensvertretungen im öffentlich-politischen Raum. Kinder- und Jugendparlamente, Kinderinitiativen in Deutschland sowie soziale Bewegungen von Kindern werden skizziert, um sodann die Frage zu diskutieren, in welchem Verhältnis die Initiativen und Bewegungen der Kinder zu Erwachsenen stehen.

Dem Ausblick folgend, dass Kinder „als gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger Anerkennung finden“ (ebd.: 312) müssten, wird im Kapitel 16 die Debatte um die Bürgerschaft von Kindern vertieft.

Das Kapitel 17 „Förderung und Unterstützung kindereigener Interessenvertretung“ ist der Frage gewidmet, wie Autonomie gewährt werden kann. Er unterscheidet hierbei zwei Ebenen der Unterstützung von selbstorganisierten Initiativen und Gruppen junger Menschen durch Erwachsene. Neben der Begleitung in der Praxis hebt er die Bedeutung der finanziellen und infrastrukturellen Unterstützung hervor. Er schließt den Abschnitt mit dem nachfolgenden Fazit: „Als wesentlicher Impetus müsste die Anerkennung der Protagonisten-Rolle und Autonomie der Kinder und Jugendlichen bei der Vertretung ihrer Interessen erhalten und wieder belebt werden. Dies gilt für jede Art von institutioneller Förderung, auch durch andere Verbände, Organisationen oder staatliche und kommunale Einrichtungen“ (ebd.: 357).

20 Thesen zur Kinderinteressenvertretung folgen als dreiseitiges Gesamtfazit und runden die Publikation ab.

Zielgruppe und Diskussion

Die Publikation „Kinderinteressen“ vermittelt einen weitgespannten und vielfältigen Ein- und Überblick in aktuelle theoretische und empirische Zugänge zum Themenkomplex Kinderinteressen und Kinderrechte. Zahlreiche Verweise auf theoretische Überlegungen und aktuelle empirische Studien laden zur weiteren Auseinandersetzung und Vertiefung ein. Das durchaus beachtliche Literaturverzeichnis, das sich auf über dreißig Seiten entfaltet, kann sich insbes. für Studierende als wertvolle Fundgrube erweisen. Bedingt durch den Sprachduktus sowie die übersichtliche Gliederung ist die Publikation sehr gut als Einführungslektüre geeignet. In nachvollziehbarer Weise werden die Überlegungen zudem an klassischen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit expliziert und mit Liebels Erfahrungen aus der pädagogischen Praxis, insbes. als Berater des „Movimiento Latinoamericano y del Caribe, de Niños, Niñas y Adolescentes Trabajadores“ (MOLACNATs), reflexiv angereichert. Er legt mit „Kinderinteressen“ insgesamt eine lesenswerte Publikation vor, die durch einen gesellschaftskritischen Impetus charakterisiert ist. Die Stärkung der Partizipation und Einflussnahme von Kindern in verschiedenen Handlungsfeldern wird als bedeutende Herausforderung und Aufgabe herausgearbeitet.

Zugleich wird dabei davon ausgegangen, dass Erwachsene Interessen von Kindern nicht unabhängig von Kindern, sondern nur mit Kindern gemeinsam herausfinden können. Es sind daher Bedingungen zu schaffen, die Kindern die Wahrnehmung und Realisierung ihrer Interessen ermöglichen. Diese emanzipatorische Betrachtungsweise, die in konsequenter Abkehr von paternalistischen Sozialbeziehungen Kinder als gleichwertige Menschen und handlungskompetente Akteure versteht, zielt somit auf die Dekonstruktion etablierter sozialer Ordnungsstrukturen i. S. einer Neugestaltung des Verhältnisses der Generationen ab. Seine Ausführungen bieten sowohl für die pädagogische als auch für die wissenschaftliche Arbeit interessante Impulse. Wie Liebel selbstkritisch konstatiert, basieren seine Ausführungen „weitgehend auf eigenen, meist zufälligen Beobachtungen, auf dokumentarischen Recherchen“ (ebd.: 12). Das Buch kann somit als Impuls für weitere Studien gelesen werden sowie weitergehend als Anregung der ethischen Reflexion im Rahmen der Kinder- und Kindheitsforschung.

Fazit

Manfred Liebel legt mit „Kinderinteressen“ eine Veröffentlichung zur Stärkung von Kinderrechten vor, die als solche nicht auf den globalen Norden fokussiert bleibt. Die Publikation lädt zum kritischen Nachfragen, zur Selbstreflexion sowie zur weitergehenden Recherche und vertiefenden Analyse einzelner Aspekte ein. Liebel, der über jahrelange Expertise in der pädagogischen Praxis und auch der Wissenschaft verfügt, entfaltet zusammen mit den Mitautor*innen eine umfangreiche und spannende Argumentation.

Rezension von
Christina Müller
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Es gibt 2 Rezensionen von Christina Müller.

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Zitiervorschlag
Christina Müller. Rezension vom 25.08.2015 zu: Manfred Liebel: Kinderinteressen. Zwischen Paternalismus und Partizipation. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2015. ISBN 978-3-7799-3272-7. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/18347.php, Datum des Zugriffs 25.01.2025.


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