Marc Augé: Zeit ohne Alter
Rezensiert von Dr. Maurice Schulze, 11.12.2015

Marc Augé: Zeit ohne Alter. Eine Ethnologie des Ich. Turia + Kant (Wien) 2014. 157 Seiten. ISBN 978-3-85132-763-2. D: 19,00 EUR, A: 19,00 EUR, CH: 27,50 sFr.
Autor
Marc Augé ist ein französischer Ethnologe, der vor allem mit seinen Arbeiten zu sogg. ‚Nicht-Orten‘ bekannt geworden ist.
Aufbau und Inhalt
Marc Augé beginnt sein Buch „Zeit ohne Alter“ mit persönlichen Erzählungen, in denen Katzen sein Leben begleiteten. „Die Katze ist keine Metapher für den Menschen, sondern ein Symbol dafür, wie eine Beziehung aussehen könnte, die es zuwege bringen würde, das Alter außer Acht zu lassen.“ (12) Er unterscheidet dabei: „Die Zeit ist eine Freiheit, das Alter ein Zwang.“ (13)
Das Thema das Buches ist keine Abstraktion des Themas ‚Zeit‘. Das ‚Alter‘ stellt Augé ganz deutlich in den Mittelpunkt seiner Gedanken, die den Untertitel „Eine Ethnologie des Ich“ tragen. Durch die „Verlängerung der durchschnittlichen Lebenszeit […] banalisiert sich das hohe Alter zusehends und hat seinen außergewöhnlichen Charakter verloren.“ (18) Das Alter als eine quantifizierte Messzahl des Lebens stellt Augé ebenso in Frage, wie die Verpflichtung zur Jugendlichkeit älterer Semester. Die Frage nach dem Alter kann für Augé als eine ethnologische Betrachtung des eigenen Lebens angesehen werden.
Mit Verweisen auf Cicero plädiert Augé dafür, das Alter willkommen zu heißen. Wobei durch seine Erfahrungen als Ethnologe die „Lebenserwartung […] auch ein Marker der Ungleichheiten zwischen den Kontinenten und ein Indikator der Entwicklung“ (27) ist.
Der Autor selbst bezeichnet sich als „hors d’âge“, wie die ältesten Cognacs klassifiziert werden. Er intendiert damit die Ansammlung an Erfahrungen und Erinnerungen, die ihn durch die durchlaufenen Lebensjahre auszeichnen.
Augé sieht „die Beobachtung der Zeit vor allem als Werkzeug einer Befragung ihrer selbst; die Erwähnung des Alters ist nur ein Anhaltspunkt für die Betrachtung der eigenen Person“ (69). Diese Beobachtungen werden als Memoiren oder Tagebücher festgehalten, als der Versuch „das Alter ignorieren und die Zeit machen lassen“ (81). Wobei Augé feststellt: „Schreiben ist ein wenig wie sterben, allerdings ein wenig weniger allein“ (81).
Ob es die Zugehörigkeit zu einer Schul-, Altersklasse oder Epoche erfasst, der Raum ist für die Ordnung der Zeit für Augé unabdingbar. Die Vorstellungskraft im Spiel mit Erinnerungen und Zukunftsvisionen lassen dem alternden Menschen klare Trennungen von seinem Alter und den Altern als Stationen seiner Biografie zu.
Mit Auszügen aus der französischen Literatur untermalt Augé seine Gedankenspiele und man meint ihm bei seinem Streifzug durch seine Gedankenwelt und Perspektivenwechsel an der Seite zu stehen.
Diskussion und Fazit
Augé gewährt dem Leser seines Buches „Zeit ohne Alter“ einen Einblick in seine Gedankenwelt, während er sich erzählerisch dem Thema ‚Alter‘ nähert, und mit Denkanstößen und Blickpunkte zum eigenständigen philosophieren einlädt. Die ethnologische Perspektive zeigt sich dabei in vielen seiner Beispiele, seien es Alltagsbeobachtungen oder literarische Auszüge bekannter Autoren, wie Zweig oder de Beauvoir.
Rezension von
Dr. Maurice Schulze
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