Olaf-Axel Burow: Team-Flow. Gemeinsam wachsen im Kreativen Feld
Rezensiert von Julia Hartwig-Selmeier, 28.04.2015

Olaf-Axel Burow: Team-Flow. Gemeinsam wachsen im Kreativen Feld. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2015. 220 Seiten. ISBN 978-3-407-36569-9. D: 24,95 EUR, A: 25,60 EUR, CH: 34,60 sFr.
Thema
Das vorliegende Buch stellt Methoden zur Kreativitätsförderung vor und bietet Anregungen zum gelingenden Transfer in die Praxis. Folgendes Zitat gibt sowohl die positive Energie des Buches als auch zentrale Themen wieder: „Jeder von uns kann kreativ sein, wenn er zu sich selbst findet und seine eigene Berufung entdeckt. Die eigene Berufung ist das, was mich aus meinem Innersten heraus antreibt. Sie zeigt sich in Tätigkeiten, in denen ich in meinem Element bin (Robinson 2010) und Flow erlebe. Ob ich aus meinem Ego etwas machen kann, hängt davon ab, ob ich den für mich passenden Kontext, also mein persönliches Feld finde.“ (S. 176).
Autor
Olaf-Axel Burow ist Professor für Allgemeine Pädagogik an der Universität Kassel. Er hat Bücher zur Kreativitätsförderung, Persönlichkeitsentwicklung und Zukunftsforschung veröffentlicht.
Entstehungshintergrund
Burow unterstützt Bildungseinrichtungen, Unternehmen und Organisationen in Fragen kreativer Zukunftsgestaltung. Seine Erkenntnisse aus Zukunftswerkstätten, Zukunftskonferenzen und Kreativitätstrainings sowie Untersuchungen fließen in die Theorie des Kreativen Feldes ein.
Aufbau
Der vorliegende Text umfasst 220 Seiten und ist in sechs Kapitel gegliedert. Abbildungen, Literaturtipps und Informationen zum Transfer mit konkreten Fragestellen und Umsetzungsschritten kommen in beinahe jedem Kapitel vor.
Inhalt
Burow zeigt Wege auf, wie Kreativität im Team erfolgreich gestaltet und kreative Felder erzeugt werden können.
Im Prolog (S. 9-16) schildert Burow, wie sich Amateure zu einem professionellen Musikensemble zusammenschlossen. Die einzelnen Mitglieder waren gleichberechtigt und gleichermaßen am Gewinn beteiligt. Diese Motivation weckte den Ehrgeiz sich regelmäßig zu Proben zu verabreden um Fehler zu beseitigen und sich zu verbessern. Das Ensemble ging arbeitsteilig vor, jeder brachte seine Fähigkeiten ein. Der künstlerische Durchbruch und Erfolg führte das Ensemble zu „gefeierten Tourneen rund um die Welt“ (S. 14). Das erste Konzert gab das Ensemble im Januar 1930 im Leipziger Schauspielhaus und „löste sich 1938 unter dem Druck der Nationalsozialisten auf“. (S.15) Die Rede ist von den Comedian Harmonists. Diese Paradebeispiel von Teamkreativität begleitet die LeserInnen durch die gesamte Lektüre.
Im Kapitel „Mit Kreativität zum Erfolg“ (S. 17-46) beschreibt Burow, wie kreative Felder entstehen und nennt die Erfolgsprinzipien und Elemente kollektiver Kreativität, die zum Team-Flow beitragen: Vision, Euphorie, Engagement, Disziplin, Gruppenakzeptanz, Übung, Arbeitsteilung, Qualität, Gleichberechtigung. Flow sind Situationen, in denen Menschen in ihrer Tätigkeit aufgehen.
Burow stellt theoretische Grundlagen des Team-Flow-Modells und dessen Transfer in die Praxis vor. Unter bestimmten Bedingungen kann jeder zu „Spitzenleistungen beitragen“ und „Glück und Erfüllung erfahren“ (S. 21).
Hemmnisse der Kreativität sind u.a. das Einhalten von Standards, feste Organisationsstrukturen und wissenschaftliche Erkenntnisse. Förderliche Faktoren hingegen irrationales, ungewöhnliches Querdenken, Intuition, Chaos und offene Räume ohne Regeln (vgl. S. 25).
Um das unerschlossene kreative Potenzial der Mitarbeitenden zu nutzen, sollten Organisationen sich die Fähigkeit zur Improvisation aneignen, auf feste Tagesabläufe und strukturierte Sitzungen verzichten und Freiräume ermöglichen. Eine starke Reglementierung in Organisationen wirkt eher lähmend (vgl. S. 29). Drei Voraussetzungen für kreatives Improvisieren sind die „Revision des Bewusstseins“, „Revision des Ortes“ und „Revision der Überzeugungen“ (ebd.). „Wenn jeder seine Fähigkeiten einbringen kann, alle sich mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten wertschätzen, sich einem gemeinsamen Ziel und einer gemeinsamen Strategie unterordnen und gemeinsam jammen, improvisieren, sich die Bälle zuspielen, dann entsteht ein synergetisches Kreatives Feld, in dem der Team-Flow alle zu gemeinsamen Spitzenleistungen beflügelt.“ (S. 35f)
Weiterhin nennt Burow Methoden zur Schaffung kreativer Felder, Faktoren und „die sieben Schlüssel zum Freisetzen des kreativen Potenzials“ (S. 39f). Team-Flow entsteht, wenn ein attraktives Gruppenziel, eine offene Aufgabenstellung und Risikobereitschaft gegeben sind (S. 41).
Begründer der Flow-Forschung ist Mihály Csíkszentmihályi. „Damit diese ideale Situation des Team-Flows entsteht, sollte man nach Csíkszentmihályi fünf Cs beachten:“ Clarity, Centering, Choice, Commitment, Challenge (S. 44).
Im Kapitel „Kreativität gibt es nur im Plural“ (S. 47-70) geht Burow auf die Risiken der Individualisierung (Freiheit, individuelle Lebensführung, Optionsvielfalt, Entscheidungszwang) und Becks Risikogesellschaft (1986) ein. Anforderungen an die Individualisierung sind zeit- und ortsunabhängige Verfügbarkeit, technische Möglichkeiten, Überforderung und Überangebot bspw. durch unübersichtliche Tarife und zahlreiche Beratungsstellen. Gegentrend ist die „Bildung kreativer Gemeinschaften“ (S. 52).
Burow verortet Kreativität in einem „Kreativitätsdreieck“ (S. 62) zwischen individuellem Talent, Disziplin und sozialem Feld, kurzum: Begabung, Fach und Gesellschaft. Wer „zur richtigen Zeit am richtigen Ort“ ist und sich in einer gesellschaftlichen, kulturellen und geographischen Umgebung befindet, die geprägt ist von Toleranz, Talentförderung und Hochtechnologie, profitiert von guten Bedingungen für die Entfaltung kreativen Potenzials.
Als Beispiele genialer Teamkreativität nennt Burow das Silicon Valley in der Zeit von 1953 bis 1956 und für KünstlerInnen Paris um die Jahrhundertwende, heute Berlin. Paarkreativität erlebten bspw. Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre, die sich in kreativer Konkurrenz zu Höchstleistungen gesteigert haben (S. 68).
Im Kapitel „Kreativität und Feld“ (S. 71-110) stellt Burow eingangs aus eigener Erfahrung seine Perspektive auf anti-kreative Arbeitsplätze vor. In diesem Kontext skizziert Burow Feldprinzipien, „die sich aus der sozialpsychologischen Feldtheorie Kurt Lewins ergeben“ (S. 75). Lewin definiert Feld als einen „Raum, dem an jedem Punkt eine bestimmte Charakteristik zuzuschreiben ist“ (S. 79). Erstmalige Erwähnung fand der Feldbegriff in der Physik. Laut Newton hat die Schwerkraft „ihren Ursprung in einem Kraftfeld“ (S. 79). Als zentrale Begrifflichkeiten werden Grenze, Zone und Gerichtetheit genannt. Je nach Beschaffenheit gibt es förderliche und hinderliche Felder oder soziale Umgebungen und Lebensräume, Zug- und Druckkräfte sowie eine subjektive Gestaltung, Aktivität und Wahrnehmung. Das Kapitel beinhaltet Abbildungen des Lebensraumes und eine sechsstufige Anleitung zur Selbstreflexion (S. 89-97).
Um kreatives Potenzial zu entfalten, muss die Komfortzone verlassen und müssen Barrieren im Verhaltensmuster überwunden werden, denn „Kreativität erfordert Grenzüberschreitung“ (S. 105). Mit diesen Überlegungen eröffnet er das Kapitel „Möglichkeiten der Förderung persönlicher Kreativität“ (S. 111-164). Um die individuelle Kreativität zu fördern, verspricht die Formel „Talent, Training und eine Riesenportion Glück“ (S. 113) Erfolg. Burow bedient sich am Habitus- und Außenseiter-Begriff von Pierre Bourdieu. Außenseiter seien Grenzgänger, die sich in einer privilegierten Postion befänden, da innovative Durchbrüche an Grenzen geschähen (vgl. S. 115).
Wer Selbstvertrauen und mentales Training durch positive Suggestion stärkt, überwindet negative Glaubenssysteme und kann positive Glaubenssysteme aufbauen. Persönliche Paradigmen können Team-Flow begünstigen oder behindern. Die Reflexion von Selbst- und Feldwahrnehmung ist wichtig, denn „soziale Korrektur“ ermöglicht aus dem „Wahrnehmungsgefängnis“ herauszutreten (S. 136).
Neugierige können in „Bekanntem Neues entdecken“ (S. 151). Burow kritisiert die „Trivialisierung in der Schule“ (S. 153), in der Kinder auswendig lernen. Gerade die „Fähigkeit zu kindlichem Staunen ist der Königsweg zur Förderung der persönlichen Kreativität“ (S. 154).
Das vorletzte Kapital gibt Antworten auf die Frage „Kann man Kreative Felder erzeugen?“ (S. 165-196). Kurz und knapp: Ja, man kann sie bewusst konstruieren. Dies ist eine Gesamtaufgabe von Mitarbeitenden und Führungskräften. Initiator des Kreativen Feldes ist Robert Jungk. Schlagwörter in diesem Kontext sind Dialog, Vision und Produktorientierung, Vielfalt, Personenzentrierung, Synergieprozess, Partizipation und Nachhaltigkeit (s. Abb. S. 169).
Burow nimmt Abschied von der „Glorifizierung des Einzelschöpfers“ (S. 178). und betont die drei Ts Talenterkennung, Talentförderung, Teamlernen zur Etablierung Kreativer Feld. Geeignete Verfahren sind Open Spaces, World Cafés, Zukunftswerkstätten.
Im Resümee plädiert Burow „für die Abschaffung des unangemessenen Geniekults“ (S. 201) und unterstreicht „die These, dass unter bestimmten Bedingungen in fast jedem von uns die Fähigkeit zu überdurchschnittlichen kreativen Leistungen vorhanden ist“ (ebd.).
Diskussion
In einer profitorientierten Arbeits- und Lebenswelt, die von Qualitätsmanagement und -standards geprägt ist und Superlative anstrebt, präsentiert das vorliegende Buch auf eine eindringliche Art und Weise Möglichkeiten sein volles Potenzial auszuschöpfen. Die Möglichkeiten zur Entfaltung kreativen Potenzials werden leider in vielen Organisation nicht genutzt.
Kreativitätsförderung ist eine gesellschaftliche Aufgabe. Akteure in den verschiedenen Lebensräumen, bspw. Freundschaften, Partnerschaften, Vorgesetzte, das Kollegium nehmen eine wichtige Rolle ein. Genies brauchen ein fruchtbares soziales Feld um ihre Kreativität und Innovation zu entwickeln. Letztlich ist Kreativität nur im Kollektiv möglich, EinzelkämpferInnen in Ellenbogengesellschaften werden schnell an ihre Grenzen stoßen.
Fazit
Das vorliegende Buch steckt voller positiver Energie. Empfehlenswerte Lektüre für ArbeitgeberInnen, die mit interdisziplinär besetzten Teams maximale Erfolge erzielen möchten, und ehrgeizige Menschen, die privat und/oder beruflich Veränderungen anregen möchten.
Rezension von
Julia Hartwig-Selmeier
Rezensentin Julia Hartwig-Selmeier, Dipl.Soz.-Wiss., Moderatorin, Live-Online-Trainerin, Digital Learning Designerin
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Zitiervorschlag
Julia Hartwig-Selmeier. Rezension vom 28.04.2015 zu:
Olaf-Axel Burow: Team-Flow. Gemeinsam wachsen im Kreativen Feld. Beltz Verlag
(Weinheim, Basel) 2015.
ISBN 978-3-407-36569-9.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/18374.php, Datum des Zugriffs 23.09.2023.
Urheberrecht
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