Gundolf S. Freyermuth: Games | Game Design | Game Studies
Rezensiert von Prof. Dr. Franco Rau, René Lipkowsky, 06.07.2015

Gundolf S. Freyermuth: Games | Game Design | Game Studies. Eine Einführung. transcript (Bielefeld) 2015. 280 Seiten. ISBN 978-3-8376-2982-8. D: 17,99 EUR, A: 15,50 EUR, CH: 21,40 sFr.
Thema
Das vorliegende Buch stellt sich der Herausforderung, eine ganzheitliche Einführung in die Geschichte digitaler Spiele, in die Verfahren ihrer Produktion sowie in ihre wissenschaftliche Analyse zu bieten. Einen besonderen Schwerpunkt legt der Autor Gundolf S. Freyermuth dabei auf „das wechselseitige Verhältnis von Game Design und Game Studies in der künstlerisch-wissenschaftlichen Ausbildung und Forschung“ (S. 12). Mit dem Begriff „Games“ wird, so Freyermuth, der Fokus vor allem auf digitale Spiele gerichtet.
Autor
Gundolf S. Freyermuth ist Professor für „Media and Games Studies“ am Cologne Game Lab und gehört zu deren Gründungsmitgliedern. Zugleich lehrt er als Associate Professor für „Comparative Media Studies“ an der ifs internationalen filmschule köln. Seine Forschungsschwerpunkte sind u.a. Audiovisualität, Transmedialität, Games und Netzwerkkultur.
Aufbau
Das Buch „Games, Games Design, Game Studies. Eine Einführung“ ist – exklusive Prolog und Epilog – in drei Kapitel unterteilt.
- Das erste Kapitel „Games“ widmet sich unter anderem der Frage, was ein Spiel ausmacht und gibt dafür einen Einblick in die (medien-)historische Entwicklung von Spielen (S. 33-113). Daran anschließend wird das Verhältnis zwischen den Leitmedien Film und Spiel im „Intermezzo: Film // Spiel“ vertiefend betrachtet (S. 117-146).
- Im zweiten Kapitel „Game Design“ stehen die (künstlerischen) Praktiken zur Gestaltung und Herstellung von digitalen Spielen im Mittelpunkt (S. 151-185).
- Ein Einblick in die wissenschaftliche Betrachtung und Analyse von Spielen wird im dritten Kapitel „Game Studies“ gegeben (S. 189-235).
Inhalt
Das erste Kapitel „Games“ widmet sich insbesondere der Frage: „Wie entstanden digitale Spiele und wie stiegen sie zur zentralen audiovisuellen Ausdrucks- und Erzählform digitaler Kultur auf?“ (S. 11). Im ersten Schritt versucht Freyermuth dafür in kritischer Betrachtung systematischer Definitionsversuche von digitalen Spielen zu zeigen, dass eine entsprechende Definition nur im Kontext einer historischen Betrachtung sinnvoll bzw. möglich ist. Darauf aufbauend skizziert Freyermuth die medialen Charakteristika von Spielen anhand einer kurzen Mediengeschichte in der Neuzeit. Er unternimmt den Versuch, „analoge oder digitale Spiele im Kontext der Geschichte und Theorie der Medien zu situieren“ (S. 45). Die Annahme, dass Spiele eine fortdauernde ästhetische Nähe zu anderen Varianten audiovisueller Darstellung besitzen, begründet Freyermuth mit Bezug auf die Ähnlichkeit in unserer Sprache: vom Bühnenspiel zum Spielfilm bis zum Computerspiel. In den drei folgenden Unterkapiteln („3 Prozedurale Wende“, „4 Hyperepische Wende“, „5 Hyperrealistische Wende“) werden drei große Entwicklungsschübe markiert, die erst in ihrem Zusammenspiel bestimmen, was digitale Spiele heute auszeichnet. Im sechsten Unterkapitel werden die Ergebnisse der historischen Betrachtung zusammengeführt, um die spezifische Andersheit digitaler Spiele im Vergleich zu anderen audiovisuellen Ausdrucksformen theoretisch bestimmen zu können. Abgeschlossen wird das Kapitel mit einem Ausblick auf Tendenzen, wie sich digitale Spiele in Zukunft weiter entwickeln können. Es folgt das Zwischenspiel „Intermezzo: Spiel // Film“, in welchem sich Freyermuth den Veränderungen des audiovisuellen Erzählens widmet. In diesem Abschnitt wird „Das Verhältnis von Spiel und Film“, „Audiovisuelle Rivalitäten“ und „Modi audiovisuellen Erzählens“ thematisiert.
Das zweite Hauptkapitel „Game Design“ ist mit 38 Seiten der kürzeste Abschnitt des Buches. In diesem möchte Freyermuth die Traditionen des Designens verdeutlichen und dabei unterschiedliche Techniken und Vorgehensweisen vorstellen. Gemäß der doppelten Tradition des Designs von Spielen unterteilt er dieses Kapitel in „analoges Design materieller Artefakte“ und „digitales Design von Software“. Im Bereich des analogen Designs geht Freyermuth auf die Praktiken und Theorien des industriellen Designs ein. Hinsichtlich des digitalen Designs schreibt er von der „Digitalisierung der Designpraxis“. Abgerundet wird dieses Kapitel durch einen Ausflug in die Geschichte des Game Designs und dessen Arbeitsfelder.
Die zentralen Fragen des dritten Kapitels lauten: „Wie formierte sich die wissenschaftliche Analyse der sozialen Wirkungen und kulturellen Bedeutung digitaler Spiele, wo stehen die Game Studies heute und in welche Richtung entwickeln sie sich?“ (S. 12). Zur Beantwortung der ersten Frage verweist der Autor auf die Entwicklung des kunsttheoretischen Denkens am Beispiel der Filmtheorie und unterscheidet drei qualitative Stufen von Theorieentwicklung: „Sedimentierung, Exaptation und Adaption“ (S. 190). Darauf aufbauend skizziert Freyermuth zunächst Ansätze der theoretischen Beschäftigung mit analogen Spielen. Im zweiten Schritt widmet sich Freyermuth dem Versuch, die aktuell dominierenden Positionen der Game Studies vorzustellen. Er unterscheidet dafür drei Ansätze: (a) „Sedimentative Ansätze: Game-Design-Theorien“, (b) „Exaptative Ansätze 1: sozialwissenschaftliche Theorien“ und (c) „Exaptative Ansätze 1: geisteswissenschaftliche Theorien“. Einen Ansatz zur Überwindung dieser häufig nebeneinander stehenden Ansätze sowie zukünftige Forschungsperspektiven zur Entwicklung adaptiver Theorien werden zum Abschluss des Kapitels zu entwickeln versucht.
Diskussion
Das vorliegende Werk stellt sich dem anspruchsvollen Versuch, die drei Themen digitale Spiele, ihrer (künstlerischen) Produktion sowie ihrer wissenschaftliche Analyse in einer Einführung ganzheitlich in den Blick zu nehmen. Der Ausdruck des Autors ist verständlich, egal ob Neuling auf dem Gebiet oder fortgeschrittener Einsteiger. In Betrachtung der unterschiedlichen Länge der jeweiligen Kapitel fällt gleichwohl auf, dass die historische Entwicklung von digitalen Spielen bzw. die Situierung von digitalen Spielen als audiovisuelle Erzählform in der Mediengeschichte den größten Raum einnimmt. Freyermuth gelingt es dabei, die Entwicklung von digitalen Spielen in unterschiedlichen Phasen nachvollziehbar darzustellen sowie den Einfluss der Entwicklung durch weitere mediale Formate (z.B. Film) herauszuarbeiten.
Trotz des formulierten Anspruchs einer ganzheitlichen Betrachtung erweckt die Einführung mitunter den Eindruck, dass sich Freyermuth weitestgehend auf (s)eine medienwissenschaftliche Perspektive beschränkt. So wird beispielsweise das Spielen als Handlung bzw. die Bedeutung des Spielens von digitalen Spielen als soziale Interaktion nur am Rande thematisiert. Ferner wird sich z.B. im Kapitel der Game Studies überwiegend auf eine (selektive) Auswahl englischsprachiger Arbeiten beschränkt. Das „Handbook of Computer Game Studies“ sowie deutschsprachige Arbeiten (u.a. von Jürgen Fritz oder Christoph Klimmt) als Beispiele für sozialwissenschaftliche Ansätze finden sich nicht. Vor diesem Hintergrund erscheint die Forderung von Freyermuth, dass geistes- und sozialwissenschaftliche Forschungsansätze die medienwissenschaftliche Perspektive stärker berücksichtigen sollten diskussionswürdig.
Fazit
Ein gut lesbares Buch, welches einen Einblick in die mediengeschichtlichen Entwicklungsphasen von (digitalen) Spielen als audiovisuelle Ausdrucks- und Erzählform, in die Praktiken des Game Designs sowie in die (vorwiegend kunsttheoretische) Computerspielforschung bietet. Lesenswert erscheint das Buch vor allem für Menschen die sich zukünftig mit der (künstlerischen) Gestaltung von Computerspielen auseinandersetzen möchten. Zudem eröffnet es geistes- und sozialwissenschaftlichen Computerspielforschern die Möglichkeit, sich intensiv mit einer medienwissenschaftlichen Perspektive auseinanderzusetzen.
Rezension von
Prof. Dr. Franco Rau
Professor für Mediendidaktik an der Universität Vechta
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René Lipkowsky
TU Darmstadt
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