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Annette Zimmer, Eckhard Priller: Gemeinnützige Organisationen im gesellschaftlichen Wandel

Rezensiert von Prof. Dr. Jost W. Kramer, 20.06.2006

Cover Annette Zimmer, Eckhard Priller: Gemeinnützige Organisationen im gesellschaftlichen Wandel ISBN 978-3-8100-3849-4

Annette Zimmer, Eckhard Priller: Gemeinnützige Organisationen im gesellschaftlichen Wandel. Ergebnisse der Dritte-Sektor-Forschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften (Wiesbaden) 2004. 237 Seiten. ISBN 978-3-8100-3849-4. 29,90 EUR.
Reihe: Bürgergesellschaft und Demokratie - Band 7. Unter Mitarbeit von Lilian Schwalb und Thorsten Hallmann.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.

Seit Erstellung der Rezension ist eine neuere Auflage mit der ISBN 978-3-531-15692-7 erschienen, auf die sich unsere Bestellmöglichkeiten beziehen.

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Einführung in das Thema

Der von Zimmer und Priller präsentierte Sammelband ist ein umfassendes Handbuch zum Themenkomplex "Bürgergesellschaft" und "Nonprofit-Organisationen", wobei sich das Buch im Unterschied zu ähnlich ausgerichteten Werken nicht auf einzelne Länder beschränkt. Stattdessen versuchen sie gezielt, einen Überblick für Gesamt-Europa zu präsentieren.

Aufbau

Dieses Konzept schlägt sich gezielt im Aufbau des Buches nieder: Der Band ist in vier unterschiedlich ausgerichtete Teile untergliedert, denen ein Vorwort von Lester M. Salamon und ein Grundlagenbeitrag von Annette Zimmer zu Aufgaben und Terminologie Bürgerschaftlicher Organisationen in Mittel- und Osteuropa vorangestellt ist.

1 Mittel- und Osteuropa

Der erste Teil des Buches befasst sich mit den Traditionen und Perspektiven der Bürgergesellschaft in Mittel- und Osteuropa. Eingeleitet wird dieser Teil durch eine Einführung von Matthias Freise. Daran anschließend skizziert Sven Reichardt ein Konzept für vergleichende historische Untersuchungen zum Themenkomplex der Bürgergesellschaft. Die damit in Verbindung stehende Frage nach den Traditionen freiwilligen Zusammenschlusses und bürgerschaftlichen Engagements in Europa greift Eckart Pankoke auf, während sich Máté Szabó mit der entsprechenden Situation in Osteuropa befasst. Den Abschluss des ersten Teils bildet ein Beitrag von Zdenka Mansfeldová u. a. über bürgerschaftliches Engagement in einer Übergangsperiode, nämlich in Mittel- und Osteuropa nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Gesellschaften seit 1989.

2 Regulatorischer Rahmen für Nonprofit-Organisationen

Der zweite Schwerpunkt des Buches thematisiert den regulatorischen Rahmen, innerhalb dessen sich Nonprofit-Organisationen bewegen. Nach einer Einleitung von Annette Zimmer skizzieren Matthias Freise und Petr Pajas die verschiedenen Organisations- und Rechtsformen, die bei Nonprofit-Organisationen in Europa anzutreffen sind. Bereits in ihrem Beitrag ist deutlich geworden, dass sich bei ähnlichen Zielsetzungen der Organisationen die tatsächliche Umsetzung in den verschiedenen Ländern unterscheidet.

Noch auffälliger werden die Differenzen aber im Bereich des Steuerrechts und der gewährten steuerlichen Vergünstigungen, was im Beitrag von Karla W. Simon deutlich wird. Daran anknüpfend befassen sich Marek Rymsza und Annette Zimmermit dem durchaus prekären Verhältnis zwischen staatlichen Institutionen und Nonprofit-Organisationen: Einerseits werden Nonprofit-Organisationen in vielen Ländern zunehmend als Alternative zu staatlichem Handeln gesehen. Anders ausgedrückt, zieht sich der Staat aus bisher wahrgenommenen Aufgabenfeldern zurück und überlässt diese mehr oder weniger freiwillig privatem, bürgerschaftlichem Engagement. Andererseits werden Nonprofit-Organisationen aber durchaus als "lästige Konkurrenz" wahrgenommen, die sich in originär staatliche Aktivitäten einmischen. Beispielhaft für diese Sichtweise ist nicht zuletzt die erst jüngst verschärfte Kontrolle von Nonprofit-Organisationen in Russland. Der sich anschließende Beitrag von Karl Gabriel und Hermann-Josef Große Kracht sprengt bei genauerer Betrachtung eigentlich die Grenzen des im zweiten Teil behandelten regulativen Umfeldes, denn die beiden Autoren befassen sich mit der Katholischen Kirche und den ihr verbundenen Nonprofit-Organisationen. Der abschließende Beitrag von Pavol Fri ist ein Pendant zu dem Schlussbeitrag des ersten Schwerpunktes, denn auch er befasst sich mit den Veränderungen nach 1989, wobei sein Interesse den politischen Veränderungen in dieser Zeitspanne und ihrem Einfluss auf den Nonprofit-Sektor gilt.

3 Organisatorisch-betriebswirtschaftliche Besonderheiten

Der dritte Schwerpunkt des Buches thematisiert die organisatorisch-betriebswirtschaftlichen Besonderheiten von Nonprofit-Organisationen. Den Auftakt bildet auch hier eine kurze thematische Einführung, diesmal verfasst von Dudo von Eckardstein und Ruth Simsa. Danach geht es zunächst um allgemeine Management-Aspekte, genauer gesagt um das Verhältnis von Organisationstheorie und Nonprofit-Management (Stefan Toepler und Helmut K. Anheier) einerseits und um Corporate Governance bzw. Unternehmensführung und -überwachung andererseits (Patricia Siebart und Christoph Reichard). Die darauf folgenden elf Beiträge stellen so etwas wie eine allgemeine betriebswirtschaftliche Einführung in die Besonderheiten und spezifischen Probleme der Führung von Nonprofit-Organisationen dar. Im Einzelnen werden dabei folgende Facetten thematisiert:

  • Personalführung und -einsatz (Dudo von Eckardstein und Julia Brandl),
  • Führung und Einsatz von Freiwilligen bzw. Ehrenamtlichen (Olga Sozansk‡ u. a.),
  • Finanzierung (Petr Pajas und Michael Vilain),
  • Fundraising (Thomas Kreuzer und Marita Haibach),
  • Buchführung und Rechenschaftslegung (John Sacco und Ronald Nagy),
  • Strategisches Management aus Stakeholder-Sicht (Dudo von Eckardstein und Ruth Simsa),
  • Marketing (Jana Nagyová),
  • Qualitätsmanagement (Dorothea Greiling),
  • Konfliktmanagement (Ruth Simsa),
  • Projektmanagement (Danica Hullová) sowie
  • Evaluation im Nonprofit-Sektor (Elke Rusteberg u. a.).

Insgesamt stellt dieser Teil des Buches eine problemorientierte Einführung in die Betriebswirtschaft von Nonprofit-Organisationen dar. Dadurch ist der vorliegende Band ggf. eine durchaus erwägenswerte Alternative zu Standardwerken wie dem von Badeltherausgegeben Handbuch der Nonprofit-Organisation.

4 Nonprofit-Sektoren mittel- und osteuropäischer Länder

Abgerundet werden die Ausführungen des Buches durch einen vierten Schwerpunkt, in dem die Nonprofit-Sektoren verschiedener mittel- und osteuropäischer Länder vorgestellt und mit einander verglichen werden. Die vorangestellte Einleitung stammt von Eckard Priller, danach folgen sechs Länderbeschreibungen. Zunächst beschreiben Andrzey Juros u. a. den Nonprofit-Sektor Polens, bevor die entsprechenden Strukturen für die Tschechische Republik (von Pavol Fri u. a.) bzw. der Slovakei (von Helena Kuviková und Danica Huttová) skizziert werden. Die Ausführungen zu den osteuropäischen Staaten runden Èva Kuti und István Sebestény mit ihrer Darstellung der Nonprofit-Strukturen in Ungarn ab. Diese Ausführungen können vom Leser danach die Beschreibungen der Strukturen in Deutschland (von Annette Zimmer u. a.) sowie Österreich (von Karin Heitzmann und Ruth Simsa) verglichen werden. Andere mittel- und osteuropäische Staaten wurden leider nicht in den Ländervergleich miteinbezogen. Dies ist angesichts der deutlich anders geprägten bürgergesellschaftlichen Strukturen in der Schweiz sowie der Betonung der ƒconomie Sociale in Frankreich durchaus bedauerlich.

Anmerkungen

Wie bereits weiter oben angesichts des dritten, sich mit Managementfragen befassenden Teils angesprochen, gibt es zu jedem einzelnen Themengebiet durchaus konkurrierende Werke. Dazu zählt neben dem von Badelt herausgegebenen Handbuch der Nonprofit-Organisation insbesondere das ebenfalls von Eckhard Priller und Annette Zimmer herausgegebene Buch "Der Dritte Sektor International". Das vorliegende Werk unterscheidet sich von diesem Werken nicht nur durch die englische Sprache, sondern durch die gelungene Verknüpfung der verschiedenen Themenkomplexe. Dadurch dürfte es sich zu einem der Standardwerke hinsichtlich Entwicklung, Management und Perspektiven der Nonprofit-Organisationen entwickeln. Vor diesem Hintergrund wäre es allerdings hilfreich gewesen, wenn das Buch durch ein Schlagwortregister abgerundet worden wäre.

Ausgesprochen hilfreich und konzeptionell lobenswert ist hingegen das Beifügen einer CD-ROM, auf der nicht nur das gesamt gedruckte Werk im PDF-Volltext vorliegt, sondern weitere, vertiefende Beiträge verschiedener Verfasser. In diesen wird auf Detailfragen eingegangen, die vermutlich für den breiten Leserkreis von geringerem Interesse sein dürften.

Angesichts der Fülle des dargebotenen Materials ist dem Buch eine weite Verbreitung zu wünschen.

Fazit

Insgesamt handelt es sich bei dem ebenso umfangreichen wie schwergewichtigen Werk um eine ausgesprochen hilfreiche Lektüre. Die vier Schwerpunkte des Buches stellen nämlich jeder für sich eine gelungene Einführung in die jeweilige Thematik dar, die den aktuellen Kenntnisstand widerspiegelt.

Rezension von
Prof. Dr. Jost W. Kramer
Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre Hochschule Wismar, Forschungsgruppe für Kooperation, Netzwerke und Unternehmenstheorie Adjunct Professor für Sozialwirtschaft, insbesondere Genossenschaftswesen, Universität Kuopio (Finnland)

Es gibt 49 Rezensionen von Jost W. Kramer.

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Zitiervorschlag
Jost W. Kramer. Rezension vom 20.06.2006 zu: Annette Zimmer, Eckhard Priller: Gemeinnützige Organisationen im gesellschaftlichen Wandel. Ergebnisse der Dritte-Sektor-Forschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften (Wiesbaden) 2004. ISBN 978-3-8100-3849-4. Reihe: Bürgergesellschaft und Demokratie - Band 7. Unter Mitarbeit von Lilian Schwalb und Thorsten Hallmann. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/1839.php, Datum des Zugriffs 12.09.2024.


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