Bernadette Wüthrich, Jeremias Amstutz et al. (Hrsg.): Soziale Versorgung zukunftsfähig gestalten
Rezensiert von Prof. Dr. Monika Sagmeister, 07.04.2015
Bernadette Wüthrich, Jeremias Amstutz, Agnès Fritze (Hrsg.): Soziale Versorgung zukunftsfähig gestalten. Springer VS (Wiesbaden) 2015. 464 Seiten. ISBN 978-3-658-04072-7. D: 39,99 EUR, A: 41,11 EUR, CH: 50,00 sFr.
Thema
„Soziale Versorgung zukunftsfähig gestalten“ – dieses Buch ist eine Zusammenfassung der Kongressbeiträge des dritten Fachkongresses der Internationalen Arbeitsgemeinschaft Sozialmanagement / Sozialwirtschaft (INAS), der im Februar 2014 unter dem Leitthema „Versorgung gestalten“ in Olten/Schweiz stattfand.
Auf diesem Kongress treffen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Leitungskräfte aus dem überwiegend deutschsprachigen Raum. Aus diesem Grund sind in dem Kongressband sowohl theoretische Beiträge zur Zukunft der sozialen Versorgung zu finden, als auch solche, die Praxisbeispiele aus Deutschland, Österreich und der Schweiz behandeln.
Herausgeberteam
Herausgegeben wurde das Buch von den drei Hauptorganisatoren des Kongresses, Prof. Agnès Fritze, Bernadette Wüthrich und Jeremias Amstutz von der Fachhochschule Nordwestschweiz.
Anmerkung in eigener Sache
Ich selbst habe am Kongress teilgenommen und einen Workshop angeboten, über dessen Inhalt auch in der Publikation nachzulesen ist. Es handelt sich dabei um sparsame fünf von insgesamt 464 Seiten. Allerdings war ich weder in die Konzeption, die Vorbereitung und die Durchführung des Kongresses eingebunden noch in keinster Weise in die Veröffentlichung des Kongressbandes. Umso mehr war ich gespannt, welches Ergebnis in Buchform ich auf meinem Schreibtisch vorfinden werde.
Aufbau und Inhalt
Das Buch vereint eine Fülle an Themen rund um die Versorgung von Menschen, die mit den verschiedensten sozialen Problemlagen konfrontiert sind.
Im ersten Teil des Buches werden in drei Beiträgen von Carlo Knöpfel, Nikolaus Dimmel und Martin Bellermann die Sozialsysteme der Schweiz, Österreichs und Deutschlands vorgestellt, um die Vielzahl an theoretischen Beiträgen, empirischen Studien und Praxisprojekten in die entsprechenden durch staatliche Regelungen formierten Sozialsysteme einordnen zu können. Die Beiträge eigenen sich ganz unabhängig vom Thema „Sozialer Versorgung“ für einen kurzen Ein- und Überblick in die Struktur sozialstaatlicher Rahmenbedingungen dieser drei Länder.
Der zweite Teil widmet sich aktuellen Herausforderungen und Perspektiven des Sozialbereichs. An der Stelle möchte ich auf meines Erachtens zwei besonders interessante Beiträge eingehen. Beat Uebelhart und Peter Zängel setzen sich unter dem Schlagwort „Social Policy Making“ mit der Gerechtigkeit von sozialstaatlichen Leistungen und in diesem Zusammenhang mit deren Wirkung auseinander. Die beiden Autoren erläutern, dass weder eindeutig definiert ist, welche Art von Gerechtigkeit der Sozialstaat eigentlich herstellen möchte, noch in welcher Form Wirksamkeit von sozialen Dienstleistungen definiert wird. Gerechtigkeit, Wirksamkeit und damit einhergehend Nachhaltigkeit sind im Verständnis von Uebelhart und Zängel zusammenhängende Begriffe. Ohne die Debatte um Wirksamkeit können keine nachhaltigen oder gerechten Leistungen geschaffen werden. Einen Lösungsvorschlag biete der in der Literatur inzwischen mehrfach aufgegriffene Governance-Ansatz.
Eng mit der Wirksamkeitsdebatte ist die Diskussion um „Innovationen“ verbunden. Andreas Langer und Johannes Eurich stellen Trends bei der Innovation sozialer Dienstleistungen vor und nehmen dazu Bezug zu eigenen Forschungsarbeiten. Sie haben sieben Kernbereiche für künftige Entwicklungen im Dienstleistungssektor entwickelt. Dazu zählen Aspekte wie nutzerzentrierte Dienstleistungen, neue Technologien oder der Einfluss nationaler, regionaler und lokaler Rahmenbedingungen. Aber auch hier fallen die Begriffe „Wirkungsmessung“ und „Governance“.
Im dritten und umfangreichsten Teil des Bandes steht die Dimension der Gestaltung von Versorgung im Fokus. Aus meinem eigenen Beitrag kann ich anmerken, dass die Referentinnen und Referenten gebeten wurden, einen etwa fünfseitigen Beitrag zu ihrem Workshop zu verfassen. Den Herausgebern ist in dem Buch eine sehr gute und stringente Gliederung für die Vielfalt an Themen gelungen. Am Anfang stehen „theoretische Diskurse und Reflexionen“. Unter dieser Rubrik werden Themen wie Innovation, Social-Entrepreneurs, Versäulung von Publicmanagement und Sozialmanagement sowie Kooperationen und Entscheidungsprozesse behandelt. Es folgen die Themenbereiche „Sozialpolitik und Sozialplanung“. Unter dem Aspekt der „Teilhabe“ sowie „Versorgung“ werden eine Fülle an Beiträgen zu verschiedenen sozialen Themen wie frühe Förderung, Behindertenhilfe, psychisch kranken Menschen und Teilhabe und Versorgung älterer Menschen aufgegriffen. Es handelt sich dabei um laufende und bereits beendete empirische Studien sowie Praxisberichte aus allen drei Ländern. Unter den Begriffen „Management von Organisationen“ und „Steuerung und Finanzierung“ stehen weniger soziale Problemlagen, sondern Themen rund um die Sorgen und Nöte von Dienstleistungserbringern im Vordergrund. Hier werden Aspekte wie Kooperationen, Netzwerke, EU-Programme, Benchmarking, Versorgungs- und Wirkungsprozessketten, ehrenamtliches Engagement oder Mitarbeiterführung aufgegriffen.
Abschließend nimmt Wolf Rainer Wendt in seiner Rolle als fachlich versierter Kongressteilnehmer nochmal eine Zusammenfassung der Beiträge vor und ordnet die Ergebnisse der Makro-, Meso- und Mikroebene der sozialen Versorgung zu. Wendt versteht dabei die Makroebene als wohlfahrtsstaatliche Versorgung generell. Der Mesoebene ordnet er die Produktionsprozesse von Unternehmen und Dienste zu, der Mikroebene die direkte Arbeit mit den Zielgruppen sozialer Versorgung.
Jeremias Amstutz, Agnès Fritze und Bernadette Wüthrich beenden das Buch mit der Rolle von Sozialmanagerinnen und Sozialmanagern bei der Gestaltung sozialer Versorgung und plädieren für ein politisches Engagement dieser Personengruppe.
Fazit
Der Kongressband reißt eine Vielzahl von Themen an, die sich wunderbar für eine Lektüre in aller Schnelle eignen. Der Grund ist, dass jeder Kongressworkshop im dritten und umfangreichsten Teil des Sammelbandes in einem kurzen Beitrag dargestellt wird. Mich hat das Buch am Bahnhof, im Flugzeug und in der U-Bahn begleitet und mir einen raschen Einblick in viele Themen ermöglicht. Dadurch liegt es auf der Hand, dass an vereinzelten Stellen sich der Gewinn für den Leser jedoch in Grenzen halten kann. So wird in der Regel die Mehrheit von Ihnen mehr an den Ergebnissen einer Studie interessiert sein, als an der Konzeption eines im Entstehen begriffenen Forschungsprojektes. Allerdings kann dies für die eine oder andere Leserin beziehungsweise Leser vielleicht auch hilfreich sein. Zwangsläufig fehlt an der einen oder anderen Stelle durch die Kürze der Beiträge auch der entsprechende wissenschaftliche Tiefgang. So möchte ich beispielsweise Jeremias Amstutz und Peter Zängel unbedingt ermuntern, mehr über die Entscheidungsprozesse in sozialen Dienstleistungsorganisationen zu schreiben.
Nichtsdestotrotz kann ich feststellen, dass das Dilemma, einen Großteil der Workshops durch Beiträge abzubilden und gleichzeitig ein noch handliches Buch herauszugeben durchaus gelungen ist.
So ist dieser Sammelband ein Muss für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer des INAS-Kongresses 2014. Die Herausgeberinnen und Herausgeber bringen alle diskutierten Themen in gut strukturierter und kompakter Form in ein Buch. So können die Besucher einerseits das Wichtigste aus ihren Workshops nochmal in einer Zusammenfassung nachlesen. Weiterhin bekommen sie Einblicke in Themen, über die sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wegen der Fülle des Angebots auf dem Kongress nicht persönlich informieren konnten.
Für Nicht-Kongressbesucher bietet der Sammelband einen guten Überblick über den Diskussionsstand der sozialen Versorgung und deren Herausforderungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Selten ist jemandem gelungen, über die Ländergrenzen hinweg einen so umfassenden Überblick über die Vielfalt von Versorgungsgestaltung zu geben, wie den Herausgeberinnen und Herausgebern dieses Buches.
Rezension von
Prof. Dr. Monika Sagmeister
Duale Hochschule Baden-Württemberg Stuttgart
Cooperative State University Baden-Württemberg, Stuttgart
Fakultät Sozialwesen, Lehrgebiet Sozialökonomie
Mailformular
Es gibt 4 Rezensionen von Monika Sagmeister.
Zitiervorschlag
Monika Sagmeister. Rezension vom 07.04.2015 zu:
Bernadette Wüthrich, Jeremias Amstutz, Agnès Fritze (Hrsg.): Soziale Versorgung zukunftsfähig gestalten. Springer VS
(Wiesbaden) 2015.
ISBN 978-3-658-04072-7.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/18593.php, Datum des Zugriffs 18.01.2025.
Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt.
Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns.
Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen
für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.