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Sigrun Schmidt-Traub: Selbsthilfe bei Angst im Kindes- und Jugendalter

Rezensiert von Sandra Ebert, 31.03.2015

Cover Sigrun Schmidt-Traub: Selbsthilfe bei Angst im Kindes- und Jugendalter ISBN 978-3-8017-2643-0

Sigrun Schmidt-Traub: Selbsthilfe bei Angst im Kindes- und Jugendalter. Ein Ratgeber für Kinder, Jugendliche, Eltern und Erzieher. Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG (Göttingen) 2015. 3., aktualisierte Auflage. 170 Seiten. ISBN 978-3-8017-2643-0. D: 17,95 EUR, A: 18,50 EUR, CH: 25,90 sFr.

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Autorin

Dr. rer. Pol. Dipl.-Psych., Dipl.-Soz. Sigrun Schmidt-Traub studierte nach eigenen Angaben Psychologie und Soziologie in Tübingen, Hamburg, Berlin, Frankfurt sowie an der Yale University in New Haven (USA). 1974 schloss sie ihre Promotion ab und absolvierte eine Ausbildung in Verhaltens-, Gesprächspsycho- und Hypnotherapie. Seit 1974 arbeitet sie in einer eigenen psychotherapeutischen Praxis und unterhält Lehrtätigkeiten an Universitäten. Darüber hinaus ist sie seit 1989 als Dozentin und Supervisorin an Ausbildungsstätten für Klinische Verhaltenstherapie tätig.

Entstehungshintergrund

Ängste sind bei Kinder und Jugendlichen eine nicht selten auftretende psychische Störung, so schreibt Sigrun Traub-Schmidt in Ihren einführenden Worten. Während der Pubertät bedürfen Mädchen etwa doppelt so häufig wie Jungen einer Behandlung dieser Angst. Mädchen nehmen auch deutlich häufiger Hilfe in Form einer Therapie in Anspruch, wenngleich die Zahl der Menschen, die tatsächlich eine Therapie in Anspruch nehmen, nur bei etwa einem Drittel liegt. Eine oft gewählte Behandlungsmethode der Angststörungen ist die Kognitive Verhaltenstherapie, auf dieser Grundlage basiert auch der vorliegende Ratgeber.

Als Zielgruppen benennt die Autorin vor allem folgende zwei: Einerseits die Kinder, Jugendlichen und Eltern, die bislang die Entscheidung zur therapeutischen Behandlung nicht treffen konnten und andererseits die Personen, die sich bereits vor Behandlungsbeginn mit dem Thema der Angststörung bewusst auseinandersetzen wollen.

Das Buch wurde von der Autorin aufgrund der intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema Angststörung verfasst, welches seinen Ursprung neben dem fachlichen Interesse auch in einer persönlichen Betroffenheit von Angststörung bei den eigenen Kindern hat.

Aufbau und Inhalt

Der Ratgeber gliedert sich in zwei Teile auf:

  1. Teil I richtet sich an Bezugspersonen überängstlicher Kinder und Jugendlicher, während sich
  2. Teil II direkt an ältere Kinder und Jugendliche mit panischen Ängsten wendet.

Die Autorin geht im ersten Unterkapitel des Teil I auf die diagnostische Einschätzung von Angst ein. Hier weist sie in Kapitel 1.1 zunächst darauf hin, dass Angst grundsätzlich ein überlebensnotwendiges Gefühl ist, welches den Menschen vor Bedrohung schützen kann, indem es in einer Gefahrensituation Handlungsmöglichkeiten aufzeigt. Wichtig sei in Bezug auf die Erziehung der Kinder, dass sie weder zur absoluten Angstfreiheit noch zur extremen Überängstlichkeit erzogen werden, da der Mittelweg zwischen diesen Extremen die Grundlage für eine gesunde Entwicklung darstelle.

Die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen von der Geburt bis zur Pubertät im Bereich der Angstgegenstände wird von der Autorin in Kapitel 1.2 entsprechend der Entwicklungsalter aufgezeigt.

In Kapitel 1.3 vergleicht die Autorin schließlich die „normale Angst“ mit der „panischen und phobischen Angst“ und nimmt hier zum Maßstab, ob das Empfinden von Angst der Situation angemessen ist und ob der junge Menschen dadurch in seiner Lebensführung einschränkt wird.

Auf die drei Ebenen des Angsterlebens – die physiologische, motorische und kognitive Ebene – geht die Autorin in Kapitel 1.4 ein. Sie erklärt diese drei Ebenen jeweils mit dem näheren Eingehen auf typische Symptome und körperliche Prozesse während des Angsterlebens.

Den Auslösern von Angst, Stressreaktionen, dem Teufelskreis der Angst und Angstthemen ist Kapitel 1.5 gewidmet. An der Stelle macht die Autorin deutlich, wie das körperliche Stressempfinden mit der Gefahrenbewertung in Zusammenhang steht, wodurch ein Teufelskreis der Angst ausgelöst werden kann.

Im anknüpfenden Kapitel (1.6) finden sich diverse Diagnosen von Angststörungen im Kindes- und Jugendalter. Die Autorin weist darauf hin, dass für die erfolgreiche Bemühung, die Ängste des Kindes anzugehen, die richtige diagnostische Einschätzung notwendig ist, um das Kind gezielt und wirkungsvoll unterstützen zu können. Diese kann durch die genaue Beobachtung und Befragung des Kindes erfolgen. In den Unterkapiteln finden sich nun die nähere Auseinandersetzung mit der Trennungsangst, Panikanfällen und Panikstörung, Agoraphobie, Spezifische, Isolierte Phobien, Soziale Phobie und Schulverweigerung, Generalisierte Angststörung, Zwangsstörung und Ticstörungen sowie die Akute und Posttraumatische Belastungsstörung. Hier werden zu jeder Störung die diagnostischen Kriterien nach ICD-10 oder DSM-5 aufgeführt, Situationen des häufigen Auftretens benannt, Auswirkungen auf das familiäre Leben beschrieben und z.T. mit Beispielen veranschaulicht.

Das darauf folgende Unterkapitel blickt auf die Risikofaktoren, die die Entstehung von Angststörungen beeinflussen können. Hier wird zunächst eine Einschätzung zur Häufigkeit des Vorkommens von Angststörungen getroffen, bevor auf mögliche Einflussgrößen wie das Geschlecht, die familiäre Häufung von Angststörungen, die Empfänglichkeit von Angst und Angstsensibilität, kritische Lebensereignisse und schließlich auf die Entstehung von panischer und phobischer Angst fokussiert wird.

Die Handlungsmöglichkeiten der Eltern gegen die Ängste ihrer Kinder werden im Kapitel 2 des ersten Teils intensiv beleuchtet. Zunächst stehen die Beobachtung und diagnostische Einschätzung der Angst im Mittelpunkt, wobei die Autorin dem Anwender mittels einem konkreten Beispiel einer Selbstbeobachtung, über Fragen, die sich zum Besprechen der Angst mit dem Kind eignen, und über weitere Aspekte im Umgang mit dem Kind vielschichte Anregungen zum Vorgehen liefert. Anschließend wird in Kapitel 2.2 die verhaltenstherapeutische Vorgehensweise thematisiert. Hier wird sich zunächst theoretisch der graduierten Konfrontation des Kindes mit der Angst angenähert, ehe dann exemplarisch eine Angsthierarchie für die Fahrstuhlangst eines 11-jährigen Mädchens sowie der Umgang mit der Wasserphobie bei einem 8 Monate alten Kleinkind dargestellt werden. An diesen detaillierten Fallbeispielen nimmt die Autorin sowohl die Perspektive der Erwachsenen als auch die der Kinder sorgfältig in den Blick. In den folgenden Unterkapiteln setzt sich die Autorin schließlich mit der Begleitung des Kindes in der Angstsituation, mit der unterstützenden Wirkung des Erlernens des Umgangs mit Hilfe sozialer Modelle, den Konsequenzen des Angsterlebens für das Kind und die Erwachsenen, den Wirkweisen von Sport, Entspannung und Gesundheitsverhalten sowie mit der Rolle der Eltern und Kinder bei der Angstbehandlung, auseinander. Diese unterschiedlichen Aspekte werden auch wieder anhand des Beispiels der Tochter der Autorin verdeutlicht.

Weiter folgt die Auseinandersetzung mit der Frage, was zu beachten ist, wenn neben dem Kind auch ein Elternteil unter Angst leidet. Im Anschluss stehen weitere Besonderheiten von Ängsten wie bspw. Alpträume und die Angst vor Sterben und Tod im Mittelpunkt. Daraufhin formuliert die Autorin jeweils gezielte Hinweise zum Abbau der Ängste für die Eltern von Kindern mit Sozialer Phobie, Generalisierter Angststörung sowie Zwängen und veranschaulicht die Besonderheiten und Entwicklung der Ängste an konkreten Fallbeschreibungen.

Teil I des Ratgebers endet vor dem Fazit mit dem Blick darauf, welche Vorteile und welchen Gewinn eine Angststörung für ein Kind trotz aller Belastung darstellen kann, indem die Ängste als Alarmzeichen auf innerfamiliäre Konflikte verstanden werden, welche ein Kind vor eine Überforderung stellen können.

Teil II des Buches richtet sich an ältere Kinder und Jugendliche mit panischen Ängsten.

Im ersten Unterkapitel 3.1 geht auf die Autorin darauf ein, dass Angst zu den ganz normalen menschlichen Gefühlen gehört, die das Individuum vor Gefahr schützen. Auch erklärt sie die Prozesse, die im Körper ablaufen, wenn Angst entsteht. Es folgt daraufhin die Erläuterung verschiedener Angststörungen wie der Panikattacken und Panikstörung, Agoraphobie, Sozialer Phobie, Trennungsangst oder den Zwängen, wobei sie diese Angst zunächst erklärt und Symptome benennt. Die Frage, wie Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen entstehen, werden im Kapitel 3.3 ausführlich, differenziert und anhand verschiedener Beispiele behandelt. Strategien der Angstbewältigung und -überwindung stellt die Autorin in Kapitel 4 vor. Sie ermutigt die jungen Menschen zum möglichst eigenständigen Angstabbau und stellt die 7 wichtigsten Schritte für die Selbstbehandlung vor: Angstbeobachtung, Konfrontation und Standhalten der Angst, Konzentrationslenkung gegen negative Selbstbeobachtung, Erlangung von erhöhter Selbständigkeit in der Lebensführung, verstärkte Durchsetzungsfähigkeit, gesundes Verhalten und Zukunftsplanung.

Schließlich folgen Literaturempfehlungen zur weiteren Auseinandersetzung mit dem Thema Angststörung und deren Bewältigung. Im Anhang finden sich Anleitungen zur Bauchatmung, zur Progressiven Muskelentspannung und zwei Entspannungsgeschichten sowie ein Leserbrief als Reaktion auf ein bereits veröffentlichtes Buch der Autorin.

Diskussion

Meines Erachtens eignet sich der Ratgeber neben den betroffenen Kindern, Jugendlichen und deren Eltern in gleicher Weise für Fachkräfte, die in ihrem Arbeitsalltag mit Menschen mit Angststörungen in Kontakt kommen. So können sich Fachkräfte über die Symptome und Spezifika verschiedener Angststörungen informieren und sich gleichzeitig mit Wegen aus der Angst vertraut machen.

Die Autorin geht an verschiedener Stelle sowohl auf die Rolle der Kinder als auch die Rolle der Eltern ein. Sie fordert dazu auf, Ängste anzugehen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Auch regt sie dazu an, den elterlichen Erziehungsstil zu reflektieren und zu überprüfen, ob die Kinder in ihrer momentanen Situation eine angstfreie Erziehung durchlaufen können, unter der eine gesunde Entwicklung überhaupt erst möglich ist. An verschiedenen Stellen des Buches weist die Autorin darauf hin, dass wenn die Angststörung ein Ausmaß angenommen hat, das nicht mehr in Eigenregie behandelt werden kann, unbedingt ein Arzt und/oder Therapeut in Anspruch genommen werden muss.

Fazit

Der vorliegende Ratgeber vermittelt betroffenen Kindern, Jugendlichen und deren Eltern in einer ansprechenden Sprache notwendige und grundlegende Wissensbestände zum Thema Angst. Die Autorin beschreibt anschaulich die körperlichen Vorgänge und Symptome von Menschen, die von einer Angststörung betroffen sind. Die Beispiele, die sich durch das komplette Buch ziehen, erzeugen ein vertieftes Verständnis und verdeutlichen, dass sich andere Menschen in ähnlichen Gefühlszuständen befinden und können darüber hinaus Betroffenen Hoffnung schenken, da Bewältigungsstrategien intensiv und praxisnah beleuchtet werden. Der Ratgeber besticht dadurch, dass er Inhalte kompakt präsentiert, Handlungsmöglichkeiten aufzeigt und über Merksätze zentrale Aussagen zusammen fasst und komprimiert, so dass die Leserinnen und Leser sich schnell einen Überblick über die zentralsten Inhalte verschaffen können.

Das vorliegende Buch ist ein wertvolles, kompaktes und differenziertes Buch für all jene, die mit dem Thema Angststörung im privaten oder beruflichen Kontext konfrontiert sind.

Rezension von
Sandra Ebert
M.A. in Bildungswissenschaften, B.A. in Sozialer Arbeit, Systemische Beraterin, Supervisorin und Coachin
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Es gibt 8 Rezensionen von Sandra Ebert.

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ISSN 2190-9245