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Anthony W. Bateman, Peter Fonagy (Hrsg.): Handbuch Mentalisieren

Rezensiert von Prof. Dr. phil. Barbara Wedler, 12.11.2015

Cover Anthony W. Bateman, Peter Fonagy (Hrsg.): Handbuch Mentalisieren ISBN 978-3-8379-2283-7

Anthony W. Bateman, Peter Fonagy (Hrsg.): Handbuch Mentalisieren. Psychosozial-Verlag GmbH & Co. KG (Gießen) 2014. 641 Seiten. ISBN 978-3-8379-2283-7. D: 99,90 EUR, A: 102,70 EUR, CH: 130,00 sFr.

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Thema

Dieser Sammelband vermittelt den LeserInnen Einblicke in das Konzept des Mentalisierens. Kliniker belegen durch die dargestellten Erfahrungen mit dem Mentalisieren im therapeutischen Setting dessen Wirksamkeit.

Autorinnen und Autoren

27 Wissenschaftler und Kliniker geben Auskunft.

Entstehungshintergrund

Dieses Handbuch schließt sich an zwei vorherige Bücher der Herausgeber zum Mentalisieren an. Gemeinsam mit den Ko-AutorInnen verfolgen Bateman und Fonagy das Ziel, das Konzept des Mentalisierens differenziert vorzustellen. Es werden die (klinischen) Bereiche vorgestellt, in denen das Mentalisieren inzwischen integriert ist.

Aufbau

Im Zentrum des Sammelbandes stehen zwei Teile, die mit diversen Beiträgen ausgefüllt sind.

  • Zu den Autoreninnen und Autoren
  • Offenlegung von Interessen der Autorinnen und Autoren
  • Vorwort
  • Teil I Klinische Praxis
  • Teil II Spezifische Anwendungen

In Anschluss finden sich das

  • Glossar
  • Bibliographie
  • Namen- und Sachregister

Die Herausgeber beschreiben im Vorwort u.a. den Weg des Konzeptes des Mentalisierens in die klinische Praxis. Weiterhin verweisen die Autoren darauf, dass die Verbesserung der Mentalisierungsfähigkeit die Effektivität der therapeutischen Arbeit erhöht.

Zu Teil I

Teil Ibietet eine Übersicht darüber, wie Mentalisieren psychotherapeutische Behandlungen beeinflusst.

Fonagy et al. stellen ihr Verständnis psychischer Störungen angelehnt an das Mentalisierungskonzept vor. Auf der Grundlage neuer Erkenntnisse aus hirnbildgebenden Studien wurde das Vier-Komponenten-Modell zu den Entwicklungssprüngen des Mentalisierens der mütterlichen Bindung erarbeitet sowie vorgestellt.

Im Weiteren formulieren Luyten et al. „spezifische Leitlinien zur Einschätzung des Mentalisierens.“ (S. 67) In diesem Zusammenhang werden beziehungspezifische sowie interpesonale Aspekte des Mentalisierens und (un)strukturierte Beurteilungsmethoden erörtert. Spezifische psychotherapeutische Techniken im mentalisierungsbasierten einzeltherapeutischen Setting erläutern Bateman und Fonagy. Wobei die Fähigkeit Ungewissheit zu ertragen als Charakteristikum eines MBT (mentalisierungsbasierte Therapie) Therapeuten gilt.

Auf diese Haltung bauen Karterud/ Bateman auf und erläutern exemplarisch, wie MBT-Therapeuten Gruppen mit komplizierter Dynamik zum Mentalisieren stimulieren. Wobei große Bedeutung dem flexiblen, von besserer Souveränität gekennzeichneten therapeutischem Stil beigemessen wird.

Asen und Fonagy diskutieren die MB Familientherapie. Zielgruppe sind in erster Linie Kinder und Familien, die gut auf die Kurzzeittherapie ansprechen. Probleme, die in der Kurzzeittherapie nicht lösbar sind, finden Unterstützung im Kontext der Mentalisierungsorientierten psychoanalytischen Kinderpsychotherapie.

Diese, so Zevalkink et al., findet im Kontext der Einzeltherapie für Kinder und der begleitenden Elternarbeit statt.

Bei der inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Kurzzeitpsychotherapie konzentrieren sich Allen et al. auf die Motivierende Gesprächsführung und die Suizidprävention, weil diese sich gut mit der mentalisierenden Perspektive verbinden lassen.

Bales und Bateman diskutieren verschiedene Aspekte, die im teilstationären Setting notwendig sind, um optimale Bedingungen für die mentalisierungsfördernde Intervention zu organisieren.

Die Anwendung der MBT im ambulanten Setting stellen Kjolbe/ Bateman vor. Die Autoren resümieren, dass „mit dem Konzept des Mentalisierens … eine konsistente Theorie und mit der MBT eine einfache und für jedermann nachvollziehbare Behandlung zur Verfügung“ (S. 288) steht.

Vermote et al. Gehen einen Schritt weiter und diskutieren die Möglichkeit, eine Verbindung zwischen der MBT und psychodynamisch orientierten Behandlungsprogrammen zu knüpfen. Den Focus auf das stationäre Setting und die Tagesklinik legend, werden die klinische Anwendung des MBT in der Familien- und Paartherapie sowie in der Supervision des Pflegepersonals detailliert erörtert.

Zu Teil II

Im Teil II stehen die Patienten im Mittelpunkt der Forschung.

Zunächst gehen Bateman/ Fonagy zu den Wurzeln des MBT und erläutern die Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS). Anhand von Fallbeispielen werden Prinzipien der Entwicklung der mentalisierten Grundhaltung dargelegt. Im folgenden Kapitel widmen sich beide Autoren der Antisozialen Persönlichkeitsstörung. Auch wenn deren Behandlung als schwierig gilt, so können sie doch belegen, dass zahlreiche Anomalien des Mentalisierens u.a. verantwortlich sind für deskriptive Persönlichkeitseingenschaften und dieses Verständnis die Tür zu einer effektiveren Therapie öffnet.

Suchman et al. widmen sich dem äußerst sensiblen Thema der Risikomütter. Sie belegen nachdrücklich, mit Analysen und Statistiken, wie traumatische Erfahrungen die Fähigkeit, das eigene Baby zu mentalisieren, beeinträchtigen. Schlussendlich stellen sie fest, dass Mentalisieren das Potential in sich birgt, Behandlungsmodelle für Mütter und Babys zu entwickeln, die besonderen Belastungen der Mutterschaft sowie das Rückfallrisiko berücksichtigen. Als intellektueller Bezugsrahmen dient das Konzept des Mentalisierens bei der Psychotherapie von Menschen mit Essstörungen. Wobei Skärderd und Fonagy die Psychopathologie der Essstörungen selbst durch die Brille des Mentalisierungsparadigmas betrachten.

Aus der Perspektive des Mentalisierens betrachten Luyten et. al. das Störungsbild der Depression und begründen die Anwendung mentalisierender Vefahren. Gestützt auf das Konzept des Mentalisierens erfolgt eine Neubetrachtung des Traumakonzeptes.

Allen et.al. diskutieren die besonderen Herausforderungen in der Arbeit mit Traumapatienten und erläutern exemplarisch therapeutische Strategien in der Arbeit mit diesen.

Aufbauend auf der Verbindung zwischen Persönlichkeitsstörung und Drogensucht untersuchten Philips et.al. Effekte der MBT in der psychotherapeutischen Behandlung. Abschließend beleuchten Bleiberg et al. die Entwicklungsphase der Adoleszenz, weil in diesem Stadium viele der aufgeführten Störungen erstmals auftreten. Die AutorInnen beschreiben speziell auf die Bedürfnisse der Jugendlichen abgestimmten Behandlungsverfahren. Mentalisierungsfähigkeit und Vulnerabilität sind nicht nur in dieser Phase des Lebens von existentieller Bedeutung, sie bilden im Grunde den inhaltlichen Rahmen aller Kapitel.

Diskussion

Die AutorInnen der einzelnen Kapitel zeigen anhand exemplarischer Anwendungen von Techniken mentalisierungsbasierter Psychotherapie, wie Menschen mit unterschiedlichsten Störungsbildern in der modernen klinischen Praxis durch die MBT geholfen werden kann. Die einzelnen Kapitel belegen, dass die Behandlung dieser großen Bandbreite an psychischen Störungen möglich wird, weil Patienten und Kliniker das Mentalisieren kultivieren. Jeder einzelne Beitrag belegt in seinem Fachbereich die tiefe Menschlichkeit des Mentalisierens. Mit den Erfahrungen und Studienergebnissen aus den aufgezeigten Anwendungsmöglichkeiten wird auch das Konzept des Mentalisierens schärfer umrissen. In der Konsequenz aller Beiträge steht die Erkenntnis, dass jeder Behandler „die Welt unter dem Blickwinkel seiner Patienten sehen muss“. (S.16) Und diese Grunderkenntnis sollte als Leitbild aller in sozialen und medizinischen Berufen arbeitenden Menschen gelten.

Fazit

Mit den dargestellten und erläuterten klinischen sowie wissenschaftlichen Erfahrungen erweitern die VerfasserInnen die Anwendung des Mentalisierens auf weite Bereiche psychischer Störungen. Besonders der zweite Teil des Sammelbandes macht Hoffnung, sowohl den Patienten mit schweren psychischen Störungen als auch den Praktikern, die neue Wege für die psychotherapeutische Behandlung suchen. Aus diesem Grunde sind Vorkenntnisse hilfreich, um die inhaltliche Tiefe der Beiträge zu erfassen und auf die eigene Praxis, die eigenen Erfahrungen zu transferieren. Dieses Buch ist ein Muss für jeden Menschen, der in seiner Arbeit mit Menschen mit schweren psychischen Störungen arbeitet und sein fachliches Repertoire erweitern möchte.

Rezension von
Prof. Dr. phil. Barbara Wedler
Professur für klinische Sozialarbeit und Gesundheitswissenschaften
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Es gibt 81 Rezensionen von Barbara Wedler.

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ISSN 2190-9245