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Volker Seitz: Afrika wird armregiert oder wie man Afrika wirklich helfen kann

Rezensiert von Prof. Dr. Uwe Helmert, 15.05.2015

Cover Volker Seitz: Afrika wird armregiert oder wie man Afrika wirklich helfen kann ISBN 978-3-423-26038-1

Volker Seitz: Afrika wird armregiert oder wie man Afrika wirklich helfen kann. Deutscher Taschenbuch Verlag (München) 2014. 7., aktualisierte und erweiterte Auflage. 240 Seiten. ISBN 978-3-423-26038-1. D: 14,90 EUR, A: 15,40 EUR, CH: 24,90 sFr.

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Thema

Afrika ist ein faszinierender Kontinent, der von freundlichen, dem Leben zugewandten Menschen bewohnt wird. Afrika ist nicht nur der Kontinent der Kriege, Krankheiten und Katastrophen, sondern auch der Kontinent beeindruckender Landschaften, reicher Bodenschätze sowie vielfältiger Kulturen und Religionen. Der Autor hat vielfältige Ergebnisse der deutschen Entwicklungshilfepolitik sehr genau vor Ort beobachten können. Aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen plädiert er für eine radikale Veränderung dieser Politik. Auf bombastische Konferenzen und Wohltätigkeitsgalas kann verzichtet werden. Stattdessen ist es besser auf die Gedanken der Afrikaner und Afrikanerinnen zu hören, die wissen, was für ihre Länder gut ist: Das Business der Barmherzigkeit muss gestoppt werden und den Herrschaftscliquen muss die Kontrolle über den Geldfluss entzogen werden. Das vorrangige Ziel des Buches besteht in der Weiterführung einer Debatte über Entwicklungshilfe, die die Grundlage dafür legen soll, wie die Entwicklungsländer sich von einer Hilfe befreien können, die die Armut nicht beseitigen konnte.

Autor

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das Auswärtige Amt tätig, unter anderem bei der EU in Brüssel und in mehreren Ländern Afrikas. Insgesamt hat er 17 Jahre auf verschiedenen Posten in afrikanischen Ländern verbracht. Zuletzt war er von 2004 bis zu seinem Ruhestand 2008 Leiter der Deutschen Botschaft in Jaunde, Kamerun. Guinea, Benin und Niger waren weitere wichtige Etappen in seinem Diplomatendienst.

Aufbau

Das Buch enthält neben dem Vorwort von Rupert Neudeck die folgenden sechs Kapitel:

  1. Kritik der reinen Unvernunft
  2. Prinzip Verantwortung
  3. Entwicklungshindernisse
  4. Lehrstoff Entwicklungshilfe
  5. Was muss sich ändern?
  6. Sechs Wahrheiten zur Entwicklungspolitik

Anhang: Begriffserläuterungen, Literaturhinweise und Internetadressen, Personen-, Landes- und Ortsregister

Ausgewählte Inhalte

Hungerkontinent Afrika Europäische Medien sprechen oft abwertend vom Hungerkontinent Afrika. Doch Afrika ist reich. 60% des Kaffees weltweit, 70% des Kakaos, 50% des Goldes, 90% des Kobalts, 50% der Phosphate, 40% des Platins kommen aus Afrika. Hinzu kommen reiche Schätze an Diamanten und Saphiren und ein gewaltiges Potenzial für Touristen (Traumstrände, Wildparks, mitreißende Dorffeste und kleine Museen). Die Sehenswürdigkeiten sind ein wichtiger Rohstoff für den Tourismus. Doch die meisten Regierungen schaffen es nicht etwas, daraus etwas zu machen. Politik in Afrika besteht oft nur aus Zeremonien, Selbstdarstellung und Propaganda in den Staatsmedien. Leistungen ausländischer Sponsoren werden als große politische Leistungen der Regierung ausgegeben. Es gibt für jedes Problem einen Sponsor. Wozu da noch Eigeninitiative? Bei alledem lebt die Mehrheit der Bevölkerung trotz harter Arbeit in oft bitterer Armut.

Korruption „Viele Entwicklungsländer sind arm, weil sie korrupt sind“. Dieser Satz von Peter Eigen, dem Gründer von Transparancy International (TI) ist leider immer noch gültig. Peter Eigen hatte Transparancy International 1993 gegründet. Damals war die Beschäftigung mit dem Thema Korruption strikt untersagt, sowohl von der Führung der Weltbank als auch von den tragenden nationalen Regierungen. Korruption war in vielen Ländern, wie auch in Deutschland, sogar steuerlich absetzbar. Es war üblich, „nützliche Abgaben“ unter der Rubrik „Schmiergelder“ in die Auftragssumme einzuberechnen. Korruption ist mittlerweile in Deutschland nicht mehr steuerlich absetzbar. Unverständlich bleibt aber, warum Deutschland zu den wenigen Staaten gehört, die die UN-Konventionen gegen Korruption (UNCAC) von 2003 noch nicht ratifiziert haben. Von den 54 afrikanischen Staaten haben fast alle unterschrieben, aber die große Schwäche ist die bislang fehlende Kontrolle. Laut dem TI-Korruptionsidex 2013 belegt Deutschland Rang 12, Südafrika als bestes Land aus Afrika Rang 72 und Somalia den letzten Rang 175. Die Schäden, die durch Korruption entstehen sind beträchtlich. Korruption erhöht die Transaktionskosten beim Aushandeln von Preisen für Güter und Dienstleistungen, Korruption verhindert eine marktkonforme Preisbildung, Korruption zementiert Machtverhältnisse und Abhängigkeiten, Korruption reduziert öffentliche Einnahmen zu Gunsten privater Gewinne, Korruption schafft Unsicherheit und Misstrauen, und Korruption untergräbt die Voraussetzungen für wirtschaftliches Wachstum.

Zensur und Pressefreiheit Die Kontrolle der Presse ist eine der wichtigsten Aufgaben fast jeder afrikanischen Regierung. Die im Westen geltenden Werte, von der Pressefreiheit bis zum Recht auf körperliche Unversehrtheit, werden teils offensiv in Frage gestellt. Für kritische Journalisten gab und gibt es Gefängnisstrafen wegen Verleumdung und Verletzung der persönlichen Ehre des Staatschefs. Noch immer wird Kritik als Illoyalität missverstanden. Aber es gibt auch Hoffnung. Mit Hilfe der neuen Medien gelingt es jungen Afrikanern, gesellschaftliche Debatten und politische Mobilisierung zu organisieren.

UN Millenniumziele Im September 2000 einigten sich die 189 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen (UN) auf die folgenden acht Ziele, die bis 2015 den Menschen in den Entwicklungsländern den Durchbruch zu einer dynamischen Wachstumsphase verhelfen sollen: (1) Bekämpfung von extremer Armut und Hunger (2) Grundschulbildung für alle Kinder (3) Gleichstellung von Jungen und Mädchen in der Bildung (4) Reduzierung der Kindersterblichkeit (5) Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Müttern (6) Bekämpfung von HIV, Malaria und anderen Krankheiten (7) Zugang zu Trinkwasser und Verbesserung der Lebensbedingungen in den Armutsvierteln (8) Aufbau einer globalen Entwicklungspartnerschaft. Allerdings ist absehbar, dass durch die autoritären Machtstrukturen, fehlende Beteiligungsrechte der Bevölkerung, ausgeprägte Korruption und schlechte Wirtschaftspolitik in vielen afrikanischen Staaten, insbesondere südlich der Sahara, handfeste Fortschritte praktisch unmöglich werden.

Außerdem werden in dem Buch u.a. die folgenden Themen behandelt: Zugang zu sauberem Trinkwasser / Menschenrechtsverletzungen / Infrastruktur und Verkehrswege / Umweltverschmutzung / Verharmlosung von AIDS

Abschließend formuliert der Autor „Sechs Wahrheiten zur Entwicklungspolitik“

  1. Malaisen in Afrika dürfen nicht schön geredet werden
  2. Der Erfolg muss überprüft werden
  3. Auch die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen sollte regelmäßig überprüft werden
  4. Wir sollten so wenig Geld wie möglich und nur soviel wie dringend nötig fließen lassen
  5. Eine schlechte Regierungsführung muss Folgen haben
  6. Die Schlüsselrolle im Kampf gegen die Armut müssen die Regierungen selbst übernehmen

Diskussion

Im Hinblick auf die Mikrokredite vertreten Rupert Neudeck und Volker Seitz, ebenso wie Angela Merkel und Barack Obama, die gleiche Meinung: Die Vergabe von Kleinstkrediten in den Entwicklungsländern an Arme, insbesondere Frauen, ist ein probates Mittel, extreme Armut wirkungsvoll zu bekämpfen. Mittlerweile mehren sich allerdings die Stimmen, die darauf verweisen, dass dies eine Illusion ist. Die nordafrikanischen Länder des Maghreb (Marokko, Algerien, Libyen, Tunesien und Ägypten) finden in dem Buch kaum Beachtung, obwohl sie eine große Bedeutung für ganz Afrika haben. Auch auf die hohe Rate von Analphabetikern in Afrika wird in dem Buch nicht eingegangen, obwohl Analphabetismus ein wichtiges Hindernis für die Entwicklung darstellt. Nur in den Ländern Südafrika, Namibia, Kenia und Zimbabwe liegt die Analphabetikerrate bei Erwachsenen unter 30%, und in Guinea, Niger, Chad und Burkina-Faso findet sich sogar eine Analphabetikerrate von mehr als 70%. Aus der heutigen Perspektive fehlen natürlich auch die Geschehnisse des arabischen Frühlings.

Zielgruppen

Alle Personen, die sich nicht nur oberflächlich für Afrika interessieren und mehr darüber wissen wollen, warum die bisherige Entwicklungshilfepolitik so erfolglos war.

Fazit

Es handelt sich um ein sehr engagiertes und informatives Buch, geschrieben von einem Autor, der große Teile des afrikanischen Kontinents aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit als Diplomat sehr gut kennengelernt hat. Leider ist es nicht mehr ganz aktuell. „Es gibt viele Bücher über das Scheitern dessen, was wir mit einem falschen Wort Entwicklungshilfe nannten. Dieses Buch gibt dem Gebäude den letzten Stoß. Nach seiner Zerstörung muss etwas ganz anderes aufgebaut werden.“ (Rupert Neudeck).

Rezension von
Prof. Dr. Uwe Helmert
Sozialepidemiologe

Es gibt 101 Rezensionen von Uwe Helmert.

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Zitiervorschlag
Uwe Helmert. Rezension vom 15.05.2015 zu: Volker Seitz: Afrika wird armregiert oder wie man Afrika wirklich helfen kann. Deutscher Taschenbuch Verlag (München) 2014. 7., aktualisierte und erweiterte Auflage. ISBN 978-3-423-26038-1. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/18780.php, Datum des Zugriffs 29.03.2023.


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