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Sibylle Plogstedt: Mit vereinten Kräften (Gleichstellungs­arbeit der DGB-Frauen)

Rezensiert von Dr. Barbara Stiegler, 23.09.2015

Cover Sibylle Plogstedt: Mit vereinten Kräften (Gleichstellungs­arbeit der DGB-Frauen) ISBN 978-3-8379-2319-3

Sibylle Plogstedt: Mit vereinten Kräften. Die Gleichstellungsarbeit der DGB-Frauen in Ost und West (1990–2010). Psychosozial-Verlag GmbH & Co. KG (Gießen) 2015. 364 Seiten. ISBN 978-3-8379-2319-3. D: 19,90 EUR, A: 20,50 EUR, CH: 28,50 sFr.

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Thema

Dies ist der zweite Band über die Geschichte der DGB Frauenarbeit (Erster Band: Wir haben Geschichte geschrieben. Zur Arbeit der DGB Frauen 1945 -1990.Giessen). Beide Bände wurden von der Hans Böckler Stiftung unterstützt.

Aufbau und Inhalt

Die methodische Basis sind zwölf Einzelinterviews mit Frauen, die auf der Vorstandsebene des DGB und/oder auf der Vorstandsebene in den Mitgliedsgewerkschaften tätig waren. Hinzu kommen vier thematische Gruppeninterviews mit von ihren Gewerkschaften benannten Funktionärinnen sowie die Auswertung von Quellen (vor allem Protokolle von Bundeskongressen des DGB, DGB Frauenkonferenzen, Sitzungen des Bundesfrauenausschusses).

Der Band gliedert sich in 30 Abschnitte, die in chronologischer Reihenfolge die Geschichte erzählen, aber jeweils bestimmte frauenpolitische Akzente setzen und immer wieder durch Porträts einzelner Gewerkschaftsfrauen angereichert werden.

Die Darstellung beginnt 1990 mit der deutschen Einheit, die auch für die Gewerkschaften eine Anpassung der verschiedenen Gewerkschaftsstrukturen und -kulturen erforderte (1).

Diese Prozesse werden aus der Westsicht (2) und der Ostsicht (3) geschildert. Es wird deutlich, wie sehr die Bedeutung der gewerkschaftlichen Frauenarbeit und ihrer Strukturen immer wieder zur Diskussion stand, auch unter den Frauen.

Der Streik der Erzieherinnen im Westen gerade in dieser Umbruchszeit wird extra gewürdigt (4).

Der Aufbau der Arbeitsmarktstrukturen, die Treuhand und die Kündigungswellen vor allem von weiblichen Beschäftigten werden geschildert (5) und die folgende Krise der Gewerkschaften, die zunächst „potemkinsche“ Mitgliederzuwächse, dann aber einen enormen Mitgliederschwund zu verzeichnen hatten (6). Zwar ist 1992 der Aufbau der Frauenstrukturen abgeschlossen, allerdings mit deutlichen Abstrichen an Macht, was die Ostfrauen erst später bedauerten.

Es folgen Schilderungen der Debatte zu einem neuen Grundgesetz (7) über die westliche Frauenpolitik (8) und die Frage, ob die Frauen die Verliererinnen der Einheit sind (9).

Der Frauenstreiktag 1994 sowie der Rückzug, freiwillig oder resigniert, westlicher Spitzenfrauen (11, 12), die Verankerung von Gender Mainstreaming im Grundsatzprogramm des DGB bei gleichzeitiger Ablehnung vieler Forderung des Bundesfrauenausschusses (13), all das zeigt die Erfolge und Misserfolge der gewerkschaftlichen Frauenarbeit.

Neben einer teils leidenschaftlich geführten Debatte zu Krieg und Frieden 2001 (14) stehen ab 1997 die Diskussionen um die Fusionierung von Einzelgewerkschaften im Vordergrund (15). Gleichzeitig wird der Arbeitsmarkt „reformiert“ mit den Hartz-Gesetzen und unter kritischer Beteiligung der Gewerkschaften, vor allem der Frauen(16).

Derweil sitzen Frauen aber auch in Aufsichtsräten ( 17), arbeiten als Betriebs- und Personalrätinnen ( 18) und organisieren ihre Streiks (19).

Frauenpolitisch geht es um Gleichstellung in der Privatwirtschaft (20), Riester-rente (21), Partnerzeit, Elternzeit, Elterngeld und Betreuungsgeld (24) aber auch den Mindestlohn (28) und Equal pay (29).

Die beiden nächsten Kapitel setzen sich mit der Abwahl von Ursula Engelen-Kefer (22) und der Frage auseinander: Sind das Alphafrauen? (23), dabei geht es um den Umgang der Spitzenfrauen mit der Macht.

Die Diskussionen über die Perspektiven der Frauenabteilungen( 25) sowie die Quote im DGB (26) richten den Blick noch einmal auf die inneren frauenpolitischen Fragen.

Das letzte Kapitel (30) gibt eine Zusammenfassung, eine kurze Geschichte der DGB-Frauen (1990 -2010).

Diskussion

Sibylle Plogstedt hat sich viel vorgenommen: 20 Jahre gewerkschaftliche Frauenpolitik in einem Buch mit einem lesbaren Umfang darzustellen. Kein Wunder, dass sie dabei vor allem auf die Protagonistinnen setzt, deren Berichte und Einschätzungen, deren Erfahrungen und Erzählungen sie in den Mittelpunkt stellt. Ihr ist bewusst, dass es dabei um eine „Rekonstruktion der Konstruktion“ (S. 14) geht. Diese zeichnet sich durch eine Mischung aus spannenden Geschichten, persönlichen Bezügen und durch die Darstellung politischer und organisationsbezogener Kontroversen aus. Immer geht es auch um das Subjektive: wie haben die Frauen an der Spitze das Geschehen erlebt und mitgestaltet, wie sind sie mit Niederlagen umgegangen, wie haben sie Enttäuschungen verarbeitet?

Die Geschichten erzählen von Solidarität aber auch von Konkurrenzen, von gemeinsamen Strategien aber auch von Divergenzen in der Frage des Vorgehens, von gegenseitiger Unterstützung, aber auch von Einsamkeit. Einen besonderen Akzent bekommt die gewerkschaftliche Frauenpolitik in dieser Zeit auch durch die deutsche Einheit, die plötzlich Akteurinnen aus zwei verschiedenen Geschlechterkulturen zusammen brachte. Es wird mehr als deutlich, dass Erfolge in der gewerkschaftlichen Frauenpolitik den Frauen nicht in den Schoss gefallen sind, dass sie heftig kämpfen mussten, teilweise auch gegen „ihre“ Männer. Und die Erzählungen über die Frauenstreiks (19) sind ein feministisches Highlight, das viel von der Kraft, der Phantasie und der Originalität der Frauen an der Basis spiegelt.

Fazit

Empfehlenswert ist dies Buch nicht nur für „Alphafrauen“, egal in welchen Organisationen sie Verantwortung tragen. Vielmehr ist es eine trostreiche Lektüre für alle, die sich an den verschiedenen Stellen für die Gleichstellung, die Emanzipation oder die Geschlechterdemokratie einsetzen: Die hier aufgeschriebenen Erfahrungen machen Mut, weiter zu kämpfen. Sie zeigen zwar die Widerstände am Beispiel des DGB und der Gewerkschaften, aber diese Organisationen sind ähnlich männlich dominiert wie die meisten anderen auch. Die Geschichte zeigt aber auch, dass gerade auch mächtige Frauen, wenn sie es wollen und durchhalten, etwas für Frauen erreichen können.

Rezension von
Dr. Barbara Stiegler
Bis zu ihrer Pensionierung Leiterin des Arbeitsbereiches Frauen- und Geschlechterforschung
Friedrich Ebert Stiftung, Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik
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Es gibt 46 Rezensionen von Barbara Stiegler.

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Zitiervorschlag
Barbara Stiegler. Rezension vom 23.09.2015 zu: Sibylle Plogstedt: Mit vereinten Kräften. Die Gleichstellungsarbeit der DGB-Frauen in Ost und West (1990–2010). Psychosozial-Verlag GmbH & Co. KG (Gießen) 2015. ISBN 978-3-8379-2319-3. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/18791.php, Datum des Zugriffs 09.11.2024.


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