Christian Schrapper (Hrsg.): Sozialpädagogische Forschungspraxis
Rezensiert von Dipl.-Soz. Willy Klawe, 18.01.2005

Christian Schrapper (Hrsg.): Sozialpädagogische Forschungspraxis – Positionen, Projekte, Perspektiven.
Juventa Verlag
(Weinheim) 2004.
270 Seiten.
ISBN 978-3-7799-1613-0.
21,00 EUR.
CH: 36,90 sFr.
Reihe: Koblenzer Schriften zur Pädagogik.
Anliegen und Aufbau des Buches
Im vorliegenden Band werden in 20 Beiträgen theoretische Grundlagen, methodisches Vorgehen und für Theorie- und Praxisentwicklung relevante Befunde der sozialpädagogischen Forschungspraxis der Universität Koblenz vorgesellt. "Gezeigt werden soll die Praxis der Forschung, auch und vor allem, um die bedeutsamen Fragen nach dem Ort und der Relevanz von Forschung für die Disziplin und das Feld der Sozialpädagogik und Sozialarbeit mit Bezug auf Untersuchungsstrategien und Befunde diskutieren zu können."(S.17)
Inhalte und Positionen
In seiner Einleitung stellt der Herausgeber den starken Praxisbezug der vorgestellten Forschungsprojekte heraus. Als zentrale und zugleich verbindende Orientierungen der inhaltlich und thematisch sehr unterschiedlich gelagerten Projekte nennt er
- die Unterstützung der Praxis durch empirische Überprüfung und Weiterentwicklung von Handlungskonzepten der Sozialpädagogik,
- die Nutzung eines breiten Spektrums von Untersuchungsmethoden
- die Verknüpfung von quantitativen mit qualitativen Daten,
- die verantwortliche Rückkopplung der Ergebnisse in die sozialpädagogische Praxis.
Mit Blick auf die Forschungsaktivitäten in Koblenz werden vier Rahmungen sozialpädagogischer Forschung unterschieden:
- (eher langfristige) Forschungs- und Entwicklungsprojekte
- Evaluationsprojekte zur Überprüfung und Bewertung von Methoden, Konzepten und Strukturen;
- Lehrforschungsprojekte mit Beteiligung der Studierenden im Rahmen der universitären Lehre;
- Expertise und Beratung als Projekte direkten Wissenschaftstransfers.
Diese Unterscheidung gibt zugleich die Gliederung des vorliegenden Bandes ab. Die 20 Beiträge verteilen sich nahezu gleichmäßig auf diese vier Bereiche. Jede "Forschungsform" wird mit einem theoretischen Beitrag eingeführt, in dem zentrale übergreifende Fragestellungen skizziert und auf die nachfolgenden Praxisberichte bezogen werden. Leserin und Leser wird so eine "Brille" mitgeliefert, mit deren Hilfe die einzelnen Beiträge metatheoretisch reflektiert werden können.
In ihrem Gegenstandsbereich bilden die Forschungsberichte ein breites Spektrum Sozialer Arbeit ab, wenngleich der Jugendhilfebereich auch deutlich überwiegt. So werden neben verschiedenen Praxisfeldern und Fragestellungen der Hilfen zur Erziehung (Kooperation Jugendhilfe und Jugendpsychiatrie, Diagnostik, Hilfeplanung, geschlossene Unterbringung usw.) auch beispielsweise Aspekte der Jugendhilfeplanung, Suchtkrankenhilfe und der Arbeit mit psychisch Kranken untersucht. Jeder Beitrag informiert anschaulich über Fragestellung, Forschungsdesign und Ergebnisse des vorgestellten Projektes, teilweise werden auch Empfehlungen oder Konsequenzen für die jeweiligen, sozialpädagogischen Arbeitsfelder formuliert. Jeder Beitrag verweist auf weiterführende Literatur und ermuntert so, das betreffende Thema zu vertiefen.
In einem abschließenden Kapitel versuchen die Autorinnen und Autoren in Thesenform die spezifischen Konturen sozialpädagogischer Forschung zu beschreiben. Dies gelingt bestenfalls nur sehr rudimentär. Stattdessen formulieren sie erfahrungsgestützt in zehn Thesen eher allgemeine Erfahrungen mit und Perspektiven von sozialwisssenschaftlicher Forschung in der Sozialen Arbeit.
Abschließende Beurteilung
Der vorliegende Band gibt einen differenzierten Einblick in die beeindruckende Vielfalt der Forschungsprojekte in sozialpädagogischen Arbeitsfeldern, die im Rahmen der Universität Koblenz in den letzten Jahren durchgeführt wurden. Die einzelnen Beiträge sind nicht nur für diejenigen LeserInnen interessant, die sich über Forschungsergebnisse zu einzelnen Gegenstandsbereichen informieren wollen. Sie ermutigen auch professionelle Akteure an Hochschulen, bei Trägern und in einzelnen Einrichtungen, systematische Forschungsaktivitäten zu unternehmen, um Handlungskonzepte und -methoden Sozialer Arbeit weiter zu entwickeln.
Dagegen gelingt es nur bruchstückhaft, sozialpädagogische Forschung als eigenständigen Bereich empirischer Sozialforschung zu konturieren und die Frage "nach dem spezifischen Eigen-Sinn sozialpädagogischer Forschung in Gegenständen, Methoden und Theorie " (S.16) befriedigend zu beantworten. Zumindest was Methoden und Theorie angeht, scheint sich "sozialpädagogische Forschung" nicht von sozialwissenschaftlicher Forschung allgemein zu unterscheiden. Das Spezifische ist offensichtlich ihr Gegenstandsbereich: "Wie wirkt Sozialpädagogik?" steht daher auch treffend als Überschrift über dem einleitenden Beitrag Christian Schrappers. Statt um "Sozialpädagogische Forschung" handelt es sich wohl doch eher um "Forschung in sozialpädagogischen Praxisfeldern". Und weil selbst die keinesfalls selbstverständlicher Bestandteil sozialpädagogischer Praxis ist, ist das vorliegende Buch ein wertvoller Beitrag zur Weiterentwicklung der Disziplin.
Rezension von
Dipl.-Soz. Willy Klawe
war bis März 2015 Hochschullehrer an der Hochschule für Soziale Arbeit & Diakonie Hamburg. Jetzt Wissenschaftlicher Leiter des Hamburger Instituts für Interkulturelle Pädagogik (HIIP, www.hiip-hamburg.de)
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