Suche nach Titel, AutorIn, RezensentIn, Verlag, ISBN/EAN, Schlagwort
socialnet Logo

Susanne Viernickel, Kirsten Fuchs-Rechlin et al.: Gute Qualität für alle

Rezensiert von Dipl.Soz-Päd. Martin Walz, 31.08.2015

Cover Susanne Viernickel, Kirsten Fuchs-Rechlin et al.: Gute Qualität für alle ISBN 978-3-451-32992-0

Susanne Viernickel, Kirsten Fuchs-Rechlin, Petra Strehmel, Christa Preissing, Joachim Bensel et al.: Gute Qualität für alle. Wissenschaftlich begründete Standards für die Kindertagesbetreuung. Verlag Herder GmbH (Freiburg, Basel, Wien) 2015. 496 Seiten. ISBN 978-3-451-32992-0. D: 29,99 EUR, A: 30,80 EUR, CH: 40,90 sFr.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.

Kaufen beim socialnet Buchversand

Thema

Die zentralen Aufgaben der Kindertagesbetreuung sind die Erziehung, Bildung und Betreuung der Kinder. Dabei sollen Eltern Hilfe erhalten, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung vereinbaren zu können. Seit August 2013 haben Kinder ab dem ersten Lebensjahr nun einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Dieser Rechtsanspruch stellte viele Kommunen vor die Herausforderung, neue Plätze und Betreuungsformen zu schaffen. Neben dem quantitativen Ausbau ist es aber auch von Bedeutung, Kindern und Familien ein qualitativ hochwertiges Betreuungsangebot zu bieten. Im vorliegenden Sammelband befassen sich fünf wissenschaftliche Gutachten mit ausgewählten Handlungsbereichen der Kindertagesbetreuung und zeigen steuerungsrelevante Konsequenzen auf.

Autorinnen und Autoren

Zum Kreis der Autorinnen und Autoren zählen: Dr. phil. Susanne Viernickel, Dr. phil. Kirsten Fuchs-Rechlin, Prof. Dr. Petra Strehmel, Dr. phil. Christa Preissing, Dr. rer. nat. Dipl. Biol. Joachim Bensel und Dr. rer. nat. habil. Gabriele Haug-Schnabel.

Weitere Mitautorinnen und Mitautoren sind: Gabriele Berry, Dr. phil. Eveline Gerszonowicz und Dipl. Päd. Franziska Martinet

Entstehungshintergrund

Die in diesem Sammelband publizierten Expertisen wurden vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert.

Die Bundesfamilienministerin und die Fachministerinnen und -minister der Länder haben sich im November 2014 zu einer Konferenz zur frühen Bildung getroffen. Sie haben sich auf einen Prozess zur Weiterentwicklung gemeinsamer Qualitätsziele in der Kindertagesbetreuung verständigt und ein entsprechendes Communiqué unterzeichnet. Der „Qualitätsprozess“ (S. 7) soll in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden und im Austausch mit den Verbänden und Organisationen erfolgen. (Vgl. Einleitung, S. 7)

Aufbau

Nach der Einleitung gliedert sich der Sammelband in fünf Kapitel:

  1. Fachkraft-Kind-Relationen und Gruppengrößen in Kindertageseinrichtungen (120 Seiten)
  2. Leitungsfunktion in Kindertageseinrichtungen (122 Seiten)
  3. Fachberatung im System der Kindertagesbetreuung (64 Seiten)
  4. Raum und Ausstattung in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege (86 Seiten)
  5. Identifikation struktureller Qualitätsmerkmale in der Kindertagespflege (82 Seiten)

Zu Beginn jedes Kapitels werden in einer „Zusammenfassung“ die wesentlichen Ergebnisse und die erarbeiteten Handlungsempfehlungen dargestellt.

Jeweils am Kapitelende befindet sich ein Literaturverzeichnis und am Ende des Sammelbandes ein Tabellen- und Abbildungsverzeichnis wie auch ein Autorenverzeichnis.

Im Anhang werden Länderregelungen für Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege aufgeführt.

Inhalt

Den ersten Beitrag „Fachkraft-Kind-Relationen und Gruppengrößen in Kindertageseinrichtungen“ verfassten Susanne Viernickel und Kirstin Fuchs-Rechlin. Zu Beginn ihrer Expertise gehen die Autorinnen auf theoretische Grundlagen in den Bereichen Entwicklungspsychologie, Pädagogik und Soziologie ein. Im zweiten Teilabschnitt zeigen sie nationale wie auch internationale empirische Befunde. Festzustellen seien ein Zusammenhang zwischen Strukturmerkmalen und der Qualität der pädagogischen Prozesse sowie Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung. Genauer gehen sie auf Schwellenwerte der Fachkraft-Kind-Relationen und Gruppengrößen ein. In den Folgeabschnitten betrachten die Verfasserinnen zum einen die Zeitkontingente für die mittelbare pädagogische Arbeit und für Ausfallzeiten (Urlaub, Krankheit, Weiterbildung), zum anderen die rechtlichen Rahmenbedingungen. Auf Basis ihrer Schlussfolgerungen (Abschnitt fünf) stellen Viernickel und Fuchs-Rechlin im letzten Abschnitt ein Berechnungsmodell zur Bemessung des Personaleinsatzes und des Personalschlüssels in Kindertageseinrichtungen vor.

Themenfeld der zweiten wissenschaftlichen Untersuchung ist die „Leitungsfunktion in Kindertageseinrichtungen“ (Kapitel zwei). Petra Strehmel beginnt mit einem Blick auf die fachpolitische Diskussion zu Kompetenz- und Qualitätsanforderungen und zeigt im weiteren Verlauf, wie die Aspekte Funktion und Aufgabenprofil in der Wissenschaft aufgegriffen werden. Für ihre empirischen Analysen und Befunde zur Arbeit von Leitungskräften trägt die Autorin Resultate von nationalen und internationalen Studien zusammen. Hierbei geht auch sie auf den Aspekt der Zeitkontingente ein. Im vierten Abschnitt entwirft Strehmel auf der Grundlage der vorausgegangenen Überlegungen ein wissenschaftlich begründetes Tätigkeitsprofil für Leitungskräfte. Komprimiert behandelt sie den Aspekt notwendiger Qualifikationen, bevor der Faktor Zeitbedarf anhand von Modellrechnungen erläutert wird. Für die einzelnen Unterpunkte setzt die Autorin Zeitumfänge an und bildet zu bestimmten Tätigkeitsbereichen, z. B. der pädagogischen Leitung, Zwischensummen. Feste Sockelbeträge werden durch variable Anteile ergänzt – so kann die Situation der jeweiligen Leitungsstelle erfasst werden. In den folgenden Abschnitten schließen sich ein Abgleich zwischen Anforderungen und Ländervorgaben, Empfehlungen, ein Fazit und ein Ausblick an.

Christa Preissing, Gabriele Berry und Eveline Gerszonowicz analysieren in ihrer Expertise das Arbeitsfeld der „Fachberatung im System der Kindertagesbetreuung“ (Kapitel drei). Die Autorinnen beschreiben die unverzichtbare Leistung der Fachberatung für die Qualifizierung der Tagesbetreuung und die daraus resultierenden Konsequenzen für die Ausgestaltung. Dabei greifen sie auch folgende Aspekte auf: strukturelle und rechtliche Verankerung, Berufsprofil, Aufgaben, Kompetenzen sowie die personelle Ausstattung der Fachberatung und deren Finanzierung. Dem gegenüber stellen die Autorinnen im Abschnitt drei die wahrnehmbare tatsächliche Situation und zeigen Umstände auf, die verändert werden sollten. Kapitelabschließend sprechen Preissing, Berry und Gerszonowicz Empfehlungen zur Verbesserung aus.

Joachim Bensel, Franziska Martinet und Gabriele Haug-Schnabel setzen sich in ihrem Beitrag mit „Raum und Ausstattung in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege“ auseinander. Dabei gehen sie in folgenden Schritten vor: Zu Beginn werten sie wissenschaftliche und fachliche Empfehlungen aus. Dann werden gesetzliche Regelungen und Empfehlungen der Bundeslänger zu beiden Aspekten zusammengetragen und im Anschluss verglichen. Im dritten Abschnitt versuchen die Autorinnen und Autoren, in das „große Dunkelfeld“ (vgl. S. 377) der vorhandenen Raumqualität etwas Licht zu bringen. Bei ihrer Ist-Stand-Analyse greifen sie auf die NUBBEK-Studie (2013) und Befragungsdaten aus dem Jahr 2012 zurück. Nach einer Zusammenschau zeigen Bensel, Martinet und Haug-Schnabel auf, an welchen Stellen Regelungsbedarf erkennbar ist und geben Empfehlungen zu Flächengrößen sowie verschiedenen Raumaspekten.

In ihrem wissenschaftlichen Gutachten „Identifikation struktureller Qualitätsmerkmale in der Kindertagespflege“ (Kapitel fünf) widmet sich Susanne Viernickel ausschließlich dem System der Kindertagespflege in Deutschland. Zu Beginn erfolgt eine theoretische Verortung und empirische Analyse des Bereichs Kindertagespflege. Der dritte Teilabschnitt „Wissenschaftliche und fachpolitische Empfehlungen und Standards“ basiert auf einer Analyse von öffentlich verfügbaren, in Schriftform vorliegenden Positionspapieren von Verbänden und Expertengruppen (2003 – 2012). Nach einem Blick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen beziehungsweise die Regelungen in den Bundesländern (Abschnitt vier) zieht Viernickel Konsequenzen für die Steuerung des Systems Kindertagespflege. Ihre Empfehlungen beziehen sich dabei auf die Tagespflegeperson-Kind-Relation, Gruppengröße, Qualifikation, Unterstützungssysteme (Fachberatung, Vertretungsregelung), Vergütung und Anstellungsverhältnisse.

Diskussion

Im vorliegenden Sammelband verbinden sich buchstäblich Quantität und Qualität. Auf knapp 500 Seiten werden fünf Handlungsfelder der Kindertagesbetreuung einer präzisen wissenschaftlichen Betrachtung unterzogen. Die Beiträge zeichnen sich, wie zu erwarten, durch eine hohe Fachkompetenz und Aktualität aus. Der Aufbau und die Vorgehensweise der einzelnen Expertisen sind analog gestaltet. Lesern, die sich nicht nur mit einem Kapitel auseinandersetzen wollen, erleichtert dies die Orientierung.

Nach einer Hinführung zur Fragestellung oder theoretischen Verortung wird der Ist-Zustand analysiert und einem „wissenschaftlich begründeten und empirisch abgesicherten Qualitätsstandard (Soll-Zustand)“ (S. 7) gegenübergestellt. Auf Grundlage dieses Vergleiches geben die Expertinnen und Experten steuerungsrelevante Empfehlungen. So zeigt der erste Beitrag beispielsweise, dass es Schwellenwerte der Fachkraft-Kind-Relation gibt, deren Unterschreiten sich nachweislich negativ auf die Qualität auswirkt. Um eine adäquate Personalabdeckung gewährleisten zu können, sollten für die mittelbare pädagogische Arbeit 16,5 % und für krankheits- und fortbildungsbedingte Abwesenheitszeiten 15 % der Arbeitszeit eingerechnet werden. Das Aufgabenprofil von Leitungskräften ist komplex und sollte bekannt und beachtet werden, so die zweite Expertise. Es erfolgt hier beispielsweise auch die Empfehlung, die Qualifizierung auf akademisches Niveau anzuheben und die für die verantwortungsvolle Aufgabenerfüllung notwendigen Zeitkontingente zur Verfügung zu stellen. Das im Rahmen des Beitrags dargestellte Berechnungsmodell erscheint dabei eine sehr gute und begründete Orientierung geben zu können. Die Untersuchung zum Arbeitsfeld Fachberatung spricht sich unter anderem dafür aus, diese als Pflichtleistung im Sozialgesetzbuch zu verankern, im Aufgabenprofil einen Schwerpunkt auf die Begleitung des Qualitätsmanagements in den Einrichtungen zu setzen, oder die Zahl der Einrichtungen pro Fachberatung auf 20 zu begrenzen. Auf dem Literaturmarkt findet sich eine ganze Reihe von Publikationen zur Kindertagesbetreuung in Kindertageseinrichtungen. Umso erfreulicher ist es, dass sich die letzte Expertise dieses Sammelbandes ausschließlich mit der Kindertagespflege befasst.

Insgesamt verdeutlicht der vorliegende Sammelband sehr anschaulich und nachvollziehbar die Situation in fünf auswählten Handlungsfeldern der Kindertagesbetreuung. Die Expertisen zeigen und belegen sehr wünschenswerte Soll-Zustände und nennen Möglichkeiten, sich diesen anzunähern.

Vertreter von Spitzenverbänden und Wissenschaft erwähnten auf der Fachmesse „ConSozial“ 2014 in Nürnberg bereits, dass eine Konferenz mit der Familienministerin zum Thema Qualität in der Kindertagesbetreuung stattfinden würde. Es sollte der Anfang des Weges zu einem Qualitätsgesetz sein, welches bundesweit gültige Standards für die frühkindliche Bildung beinhalten soll. Das Ergebnis der Konferenz, die Unterzeichnung des Communiqués, verspricht Positives. Der vorliegende Sammelband kann mit seiner wissenschaftlichen Diagnose als weiterer Schritt zu einem möglichen „Qualitätsgesetz“ angesehen werden. Bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen aus Bundes- und Landespolitik, von Spitzenverbänden, Wissenschaft und aus der Fachpraxis diesen Weg weiter verfolgen und sich auf bundeseinheitliche Mindeststandards in der Kindertagesbetreuung verständigen können.

Fazit

Auf knapp 500 Seiten werden fünf Handlungsfelder der Kindertagesbetreuung einer präzisen wissenschaftlichen Betrachtung unterzogen. Die aktuellen Situationen und wünschenswerten Soll-Zustände werden anschaulich dargestellt und Empfehlungen für Verbesserungen gegeben. Der Sammelband kann all jenen, die sich mit dem Thema Qualität in der Kindertagesbetreuung beschäftigen, eine sehr gute Orientierung geben.

Rezension von
Dipl.Soz-Päd. Martin Walz
Master of Social Management, Diplom-Sozialpädagoge (FH) Geschäftsführer Kindertageseinrichtungen mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Kinder- und Jugendhilfe
Mailformular

Es gibt 68 Rezensionen von Martin Walz.

Besprochenes Werk kaufen
Sie fördern den Rezensionsdienst, wenn Sie diesen Titel – in Deutschland versandkostenfrei – über den socialnet Buchversand bestellen.


Zitiervorschlag
Martin Walz. Rezension vom 31.08.2015 zu: Susanne Viernickel, Kirsten Fuchs-Rechlin, Petra Strehmel, Christa Preissing, Joachim Bensel et al.: Gute Qualität für alle. Wissenschaftlich begründete Standards für die Kindertagesbetreuung. Verlag Herder GmbH (Freiburg, Basel, Wien) 2015. ISBN 978-3-451-32992-0. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/18837.php, Datum des Zugriffs 24.01.2025.


Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns. Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.


socialnet Rezensionen durch Spenden unterstützen
Sie finden diese und andere Rezensionen für Ihre Arbeit hilfreich? Dann helfen Sie uns bitte mit einer Spende, die socialnet Rezensionen weiter auszubauen: Spenden Sie steuerlich absetzbar an unseren Partner Förderverein Fachinformation Sozialwesen e.V. mit dem Stichwort Rezensionen!

Zur Rezensionsübersicht