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Hans Lichtsteiner, Markus Gmür et al.: Das Freiburger Management-Modell für Nonprofit-­Organisationen

Rezensiert von Prof. Dr. Wolfgang Klug, 19.10.2015

Cover Hans Lichtsteiner, Markus Gmür et al.: Das Freiburger Management-Modell für Nonprofit-­Organisationen ISBN 978-3-258-07926-4

Hans Lichtsteiner, Markus Gmür, Charles Giroud, Reinbert Schauer: Das Freiburger Management-Modell für Nonprofit-Organisationen. Haupt Verlag (Bern Stuttgart Wien) 2015. 8. Auflage. 281 Seiten. ISBN 978-3-258-07926-4. D: 68,00 EUR, A: 70,00 EUR.

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Entstehungshintergrund

„Nonprofit-Organisationen entstehen, weil Markt wie Staat versagen können, weil Bedürfnisse des Menschen nach sozialer Integration, nach politischer, kultureller, karitativer und ähnlichen Betätigungen bestehen, die nur in solchen Organisationen befriedigt werden können. Dazu zählen Wirtschafts- und Arbeitnehmerverbände, Kammern, Genossenschaften, Stiftungen, Vereine, Kirchen, Parteien, soziale Dienstleistungsunternehmen (Einrichtungen, Heime, Beratungsdienste) sowie philanthropische, kulturelle und Freizeit-Organisationen.
Um das Grundanliegen zu erfüllen, nämlich den Bedürfnissen der Mitglieder und Klienten optimal zu genügen, müssen Nonprofit-Organisationen ein effizientes Management betreiben oder sogar nach Management Excellence streben. Das ‚Freiburger Management-Modell für NPO‘ (Universität Freiburg, Schweiz) bietet eine systematische Einführung in dieses Thema. Es vermittelt durch seinen ganzheitlichen Ansatz die Grundlagen und einen Ordnungsraster für das Verständnis der NPO-Management-Probleme und ihrer Lösungen.

Die vorliegende 8. Auflage dieser Modellbeschreibung wurde in wesentlichen Teilen um Erkenntnisse aus Theorie und Praxis ergänzt und gibt damit den aktualisierten Stand der NPO-Management-Forschung wieder.“ (Klappentext)

Aufbau und Inhalte

Die 8. Auflage unterscheidet sich in Aufbau und in weiten Teilen des Inhalts nicht von der im Jahr 2003 von mir besprochenen 4. Auflage. Diese Rezension findet sich unter www.socialnet.de/rezensionen/727.php.

Die Veränderungen zwischen der 4. und der 8. Auflage werden von den Autoren wie folgt beschrieben: „Wesentliche Elemente, die sich über Jahrzehnte hinweg bewährt haben, bleiben erhalten, und Anpassungen werden fortlaufend vorgenommen, wo Fortschritte und Erkenntnisgewinne erzielt worden sind. So haben wir u. a. im Grundlagenkapitel die Systematik wie die Erkenntnisse des Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector (CNP) mit in die Betrachtungsweise integriert. Die Sichtweisen der NPO als Ausgangspunkt der Modellbildung wurden um die Perspektiven der NPO als Interessenobjekt, als mikropolitische Arena wie als strategisches Projekt ergänzt. (…) Grundsätzlich überarbeitet wurden auch die Kapitel zur Führung wie zum Personal, da in diesen Bereichen die wissenschaftliche Forschung über die letzten Jahre einen substanziellen Erkenntnisgewinn erzielt hat.“ (S. 5 f)

Diese Veränderungen sind vergleichsweise marginal, sodass wir im Wesentlichen auf die Inhaltsangabe der 4. Auflage verweisen können.

Diskussion

„Nicht viel Neues unter der Sonne“, möchte man in Anlehnung an den Prediger Salomon zu diesem Buch sagen. Ob das für den Leser eine eher gute oder schlechte Nachricht ist, ist nicht so einfach zu entscheiden: Wenn ein Buch eine 8. Auflage erlebt, wenn es seit 20 Jahren auf dem Buchmarkt in fast unveränderter Form zu finden ist, muss es unbestreitbare Stärken haben, die es zu erhalten gilt. Eine der Stärken ist die Optik: Die Bücher des Haupt Verlages sind optische „Schmuckstücke“, die man gerne in die Hand nimmt. Die Kapitel sind mit farbigen Bändern voneinander zu unterscheiden, die Kästen sind in den passenden Farben, die Grafiken haben dadurch sehr gewonnen. Wenn man die „neuen“ Grafiken mit denen der alten Auflage vergleicht, kann man fast nicht glauben, dass die allermeisten schon in der 4. Auflage verwendet wurden. Zudem wurde die Terminologie dem derzeitigen Sprachgebrauch angepasst. So wird jetzt durchgängig von „Ehrenamtlichen“ gesprochen (statt „Milizern“), und auch die verwirrende Nomenklatur „normativ-strategisch“/„operativ-mittelfristig“/„dispositiv-kurzfristig“, die die Autoren im Unterschied zur sonstigen Fachwelt ziemlich exklusiv benutzt haben, wurde zugunsten der in der Fachliteratur durchgängig verwendeten Begrifflichkeit (normativ/strategisch/operativ) aufgegeben.

Die Diskussion meiner Rezension der 4. Auflage drehte sich um die Frage der Wertorientierung und Identitätsbewahrung von NPOs in der Sozialwirtschaft. Dieses Problem hat sich insbesondere für die Dienstleistungsunternehmen in den letzten zwölf Jahren nicht nur nicht erledigt, es hat sich sicher verschärft. Die großen Sozialunternehmen sind heute in ihrem wirtschaftlichen Bestand gesichert, in ihrer Identität („wozu sind wir da?“) aber unsicherer denn je. Man kann an der Diskussion z. B. um Ausgliederungen, das kirchliche Arbeitsrecht, die Streikfrage, den 3. Weg der Kirchen etc. die Brisanz dieser Problemstellung ablesen. Die Frage ist, welche Antworten die Wissenschaft geben kann. Hier zeigt sich die Schwierigkeit eines „Klassikers“, dessen Konzeption aus den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts stammt. Es gibt „bewährte“ (managementkonforme) Antworten auf Fragen, die in ihrer Schärfe nicht mehr so gestellt werden wie vor 20 Jahren. So war seinerzeit das Thema: „Was gehört zu einem effizienten und funktionstüchtigen Management einer NPO?“ am Anfang der Marktorientierung ein sehr ernstes; große NPOs hatten sicherlich das Problem des Personalmanagements, des klassischen Controllings, des Marketings etc. Diese Fragen wurden von den Organisationen mittlerweile weitgehend gelöst, und wenn sie sie noch nicht gelöst haben, fehlt nicht das Wissen um die richtige Lösung, sondern eher der Wille zur Umsetzung vorhandenen theoretischen Wissens.

Auf klassischen Management-Themen liegt aber nach wie vor ein Schwerpunkt des Buches. Die Identitätsfrage ist am deutlichsten im Teil „Ressourcenmanagement“ angesprochen, das denn auch das eigentlich interessante Kapitel darstellt. Dort war – wie die Rezension 2003 hervorgehoben hat – das Freiburger Management-Modell ein Pionier. Wenn es um Mitglieder, Ehrenamtliche und Freiwillige in NPOs geht, machen die Autoren unmissverständlich und überzeugend klar: Sowohl die Mitgliederwerbung als auch das Rekrutieren von Ehrenamtlichen bedarf genauso gezielter Anstrengungen wie die Beschaffung von professionellem Personal. Aus Sicht des Rezensenten liegen im Bereich des „Ressourcenmanagements“ und noch mehr des normativen Managements (z. B. Governance, Unternehmenskultur, Traditionspflege) die derzeitigen Anforderungen der NPO, während manche Neuerungen im Buch (z. B. Führungsmodelle) eher zu den Antworten gehören, zu denen kaum einer noch eine Frage stellt, weil sie in den letzten 20 Jahren bis zur Erschöpfung thematisiert und in unendlich vielen Managerseminaren behandelt worden sind. Insofern wäre ein ausgebauter Teil des „Ressourcenmanagement“, in dem Themen des normativen Managements angeschnitten werden, eine sinnvolle Weiterentwicklung des Freiburger Modells. Dies steht natürlich unter der Voraussetzung, dass die Veränderung der Umwelt von den Autoren so wie geschildert wahrgenommen wird.

Und damit sind wir bei einer der Schwächen des Buches, die sich von der 4. bis zur 8. Auflage durchzieht: Es ist die Selbstreferenz, die schon bei der früheren Auflage kritisiert wurde. Wissenschaft kommt wenig zu Wort, jedenfalls nicht die Wissenschaft, die es außerhalb des Freiburger Modells gibt. Wer sich dagegen das sehr geschätzte Handbuch der Nonprofit-Organisation von Ruth Simsa et al. (siehe www.socialnet.de/rezensionen/14726.php) anschaut, findet darin in jedem Kapitel wissenschaftliche Referenzen, die die festgestellten Aussagen diskutieren, weiter führen, kritisieren und vor allem deutlich machen, dass deren Autoren in der „scientific community“ heimisch sind. Diskurs gehört nun mal zum „Kerngeschäft“ des Wissenschaftlers, und das heißt eben auch, konkurrierende Modelle zur Kenntnis zu nehmen. Zwar hat die vorliegende 8. Auflage im Vergleich zur 4. Auflage ein „Verzeichnis der zitierten und weiterführenden Literatur“, doch dieses Verzeichnis ist ganze vier Seiten stark. Zudem ist die Literatur ausgerechnet in einem neu hinzugekommenen Kapitel (Führung und Motivation) ziemlich veraltet.

Die Stärke und Schwäche des Buches ist und bleibt damit seine Systematik: Es wird darin versucht, eine umfassende Betriebswirtschaftslehre für NPOs zu entwickeln und dabei möglichst alle wichtigen Aspekte zu umfassen. Dieses Anliegen ist nach wie vor anerkennenswert, bleibt aber immer an der Oberfläche. Dort, wo das Buch im thematischen Sinne „modernisiert“ wurde, beispielsweise bei der Frage der „Wirksamkeitsmessung“, wird dies deutlich (S. 145): Die derzeitige Diskussion um die Messung der Wirkung evidenzbasierter Methoden ist allenfalls angerissen, kaum in seiner Bedeutung nachgezeichnet und nicht ausreichend praktisch unterlegt, geschweige denn, dass aktuelle Diskussionen um SROI etc. angesprochen werden. Hier zeigt sich der „neue“ Bedarf, den eine NPO in Auseinandersetzung mit einer kritischen Umgebung hat. Wären hier nicht weniger Themen mehr Gewinn für den Leser? Ob das Freiburger Management-Modell diese Bedarfe überhaupt sieht, mit eigener Forschung empirisch untersucht und mit einem vertieften Modell dem Bedarf abhelfen wird, wird der Rezensent vielleicht in einer späteren Auflage besprechen. Man darf gespannt sein.

Fazit

Das Buch ist als Überblickswerk für neu beginnende NPO-Praktiker geeignet, insbesondere für diejenigen, die einen ersten Einstieg in das Ressourcen-Management suchen und sich über die „besonderen“ Aufgaben informieren wollen, die es als NPO-Manager zu bewältigen gilt. Allerdings sollte man sich nicht allzu viele konkrete Instrumente und Methoden erhoffen, denn diese sind allenfalls angesprochen, aber kaum hinreichend beschrieben. Ebenfalls sollte man nicht enttäuscht sein, wenn man darin über das Modell hinaus nicht viel weiterführende Literatur findet. Insofern ist das Buch für das Studium an einer Universität nur sehr bedingt geeignet.

Sehr gelungen ist die optische Aufmachung, insbesondere gefallen die reichlich vorhandenen Grafiken, die das Buch sehr gut lesbar machen und für Übersichtlichkeit sorgen, wie überhaupt das Buch leicht lesbar und didaktisch hervorragend aufgemacht ist. Dass dieses einen hohen Preis hat, dürfte wohl nicht nur am Schweizer Franken liegen, für deutsche Verhältnisse jedenfalls ist es ziemlich teuer.

Rezension von
Prof. Dr. Wolfgang Klug
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Fakultät Soziale Arbeit
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Es gibt 56 Rezensionen von Wolfgang Klug.

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ISSN 2190-9245