Demenz als Versorgungsproblem
Rezensiert von Dr. phil. Dipl.-Psychol. Sven Lind, 10.08.2004
Demenz als Versorgungsproblem.
Argument Verlag
(Hamburg) 2004.
137 Seiten.
ISBN 978-3-88619-819-1.
15,50 EUR.
CH: 26,80 sFr.
Reihe: Jahrbuch für kritische Medizin, Band 40.
Zur Thematik des Buches
Wieder ist ein Buch über ein Demenz-Thema erschienen. Immer stärker dringt ein Krankheitsbild, das vor einigen Jahren nur einer überschaubaren Schar von Fachleuten bekannt war, in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Erörterung. In einer zusehends alternden Gesellschaft treten mehr und mehr die Schattenseiten oder das Janusköpfige der Langlebigkeit in das kollektive Bewusstsein: Gebrechlichkeit, Hinfälligkeit und damit auch Abhängigkeit. Die größte Bedrohung stellt hierbei die Demenz dar, nicht nur für die Betroffenen und ihre Angehörigen, sondern auch für das Gesundheitswesen, die Pflegeversicherung und die damit zusammenhängenden Kosten- und Finanzierungsprobleme.
Die vorliegende Veröffentlichung thematisiert Versorgungsfragen der Demenz wie Struktur der Dienstleistungen, ihre Finanzierung und vor allem die Zukunftsfähigkeit der bestehenden Strukturen im Gesundheits- und Sozialwesen.
Autoren
Folgende Autoren haben Beiträge zu diesem Sammelband erstellt:
- Prof. Dr. med. Heinz-Harald Abholz (Düsseldorf),
- Hans-Jürgen Freter, Diplom-Soziologe (Berlin),
- Prof. Dr. rer. nat. Gerd Glaeske (Bremen),
- Prof. Dr. med. Rainer Hellweg (Berlin),
- Dr. phil. Klaus-Peter Kühl, Diplom-Psychologe (Berlin),
- Michael Pentzek, Diplom-Psychologe (Düsseldorf),
- Prof. Dr. rer. med. Klaus Priester (Ludwigshafen),
- Helga Schneider-Schelte, Diplom-Sozialpädagogin (Berlin),
- Dr. med. Andreas Seidler (Frankfurt am Main),
- Dr. rer. cur. Maik Hans-Joachim Winter, Diplom-Pflegepädagoge und Altenpfleger (Berlin) und
- Dr. med. Jan Wojnar (Hamburg).
Inhalt
- Der Beitrag von Kühl und Hellweg (Demenzen - Pathologie, Diagnostik, Therapieansätze) enthält die grundlegenden Fakten über Demenzen gemäß dem Stand der Forschung.
- Pentzek und Abholz (Das Übersehen von Demenzen in der Hausarztpraxis - Der Stand der Forschung zu möglichen Einflussfaktoren) erörtern eingehend die Problemlagen der Hausärzte bei der Diagnostik und auch der Behandlung dieser Erkrankung.
- Seidler (Können psychosoziale Faktoren vor der späteren Entwicklung einer Demenzerkrankung schützen?) stellt neuere Untersuchungen über eventuelle Einflussmöglichkeiten unterschiedlicher Faktoren auf das Entstehen von Demenzen vor.
- Schneider-Schelte und Freter (Herausforderung Demenz - Die Sicht einer Selbsthilfeorganisation) berichten über die Inanspruchnahme des "Alzheimer-Telefons" der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft durch unterschiedliche Personengruppen (überwiegend nähere Angehörige) und skizzieren darüber hinaus die Wunschvorstellungen der Alzheimer-Gesellschaft hinsichtlich der Versorgungsstruktur.
- Wojnar (Lebensqualität Demenzkranker und betreuender Angehöriger) beschreibt die Indikatoren für die Lebensqualität Demenzkranker und die Instrumente deren Messung. Des Weitern erläutert er die Elemente eines Demenzmilieus im Heim.
- Glaeske (Vergessen wir die Demenz nicht! Patientenversorgung in Zeiten des demografischen Wandels) beschäftigt sich mit den Sachzwängen der Finanzierungsmodalitäten im Rahmen der Krankenversicherungen unter besonderer Berücksichtigung der Behandlungskosten für Demenzkranke.
- Priester (Pflegeversicherung und Demenz - Probleme, Handlungsbedarf und Gestaltungsoptionen) analysiert die Pflegeversicherung unter dem Gesichtspunkt, inwieweit hierbei die Demenzkranken Benachteiligungen aufgrund eines eingeschränkten Verständnisses von Pflegebedürftigkeit ausgesetzt sind. Darüber hinaus untersucht er das Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz hinsichtlich seiner Bedarfsgerechtigkeit für Demenzkranke.
- Winter (Qualifikationsprofile und -anforderungen im Rahmen der professionellen pflegerischen Versorgung demenziell Erkrankter) befasst sich mit den Pflegeberufen, der deutschen Eigentümlichkeit der Trennung von Kranken- und Altenpflege und den besonderen Anforderungen an die berufliche Qualifikation von Pflegekräften im Bereich der Demenzpflege.
Kritische Würdigung
Kritisch gilt es anzumerken, dass in vielen Beiträgen ein Mehrbedarf an Leistungen für die Demenzkranken und teilweise auch für ihre Angehörigen eingefordert wird, der mit zusätzlichen Dienstleistungserbringern und entsprechenden Mehrkosten verbunden ist. Es ist legitim, solche Forderungen zu stellen, wenn sie fachlich begründet werden können.
Andererseits sollte bei diesen Überlegungen jedoch auch berücksichtigt werden, dass das Gesundheitswesen und auch das gesamte Sozialsystem bedingt durch neue wirtschaftspolitische Umschichtungen und die zunehmende Alterung der Gesellschaft Strukturkrisen aufweisen, die eine Expansion der Leistungen aufgrund schrumpfender finanzieller Ressourcen momentan und vor allem auch in der Zukunft nicht erlauben werden.
Sieht man von diesem Mangel an einem gesamtgesellschaftlichen Problembewusstsein einmal ab, so kann konstatiert werden, dass hier eine äußerst profunde Publikation erschienen ist. Es werden eine Reihe von Themen und Problemfeldern aus dem Bereich der Demenzversorgung gemäß dem Stand der Forschung vertieft und allgemeinverständlich dargestellt. Vor allem gilt es hervorzuheben, dass diesem Buch eine Fülle neuer Fakten, Daten und Zusammenhänge zu entnehmen ist, die den Lesern Anregungen und Perspektiven im Kontext der Demenzversorgung bieten können.
Fazit
Diese Veröffentlichung kann allen Lesern, die aus beruflichen, persönlichen oder familiären Gründen sich mit dem Gegenstandsbereich Demenzen auseinander zu setzen haben, als Lektüre empfohlen werden.
Rezension von
Dr. phil. Dipl.-Psychol. Sven Lind
Gerontologische Beratung Haan
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Es gibt 227 Rezensionen von Sven Lind.
Zitiervorschlag
Sven Lind. Rezension vom 10.08.2004 zu:
Demenz als Versorgungsproblem. Argument Verlag
(Hamburg) 2004.
ISBN 978-3-88619-819-1.
Reihe: Jahrbuch für kritische Medizin, Band 40.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/1898.php, Datum des Zugriffs 23.01.2025.
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