Andreas Langosch: Ressourcenorientierte Beratung und Therapie
Rezensiert von Prof. Dr. Peter-Ulrich Wendt, 03.11.2017

Andreas Langosch: Ressourcenorientierte Beratung und Therapie. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2015. 160 Seiten. ISBN 978-3-497-02513-8. D: 26,90 EUR, A: 27,70 EUR.
Thema
Wer Beratung oder Psychotherapie in Anspruch nimmt, ist dabei zunächst in der Regel auf die Probleme und Defizite fokussiert, die er/sie bewältigen möchte. Als erfolgversprechender gilt es, Stärken und Ressourcen zu entwickeln. Wie Berater*innen oder Therapeut*innen unterstützen können und ressourcenorientiertes Arbeiten umgesetzt werden kann, steht im Zentrum des vorliegenden Bandes. Andreas Langosch trägt dazu aus dem lösungsfokussierten Ansatz, der Resilienzforschung, der Motivierenden Gesprächsführung und dem Case Management das aus seiner Sicht für die ressourcenorientierte Beratung und Therapie in Form eines Leitfaden zusammen. Die ursprüngliche und kürzere Version dieses Buches erschien 2005 im Selbstverlag unter dem Titel „Ressourcen, Stärken, Möglichkeiten“; die hier vorliegende Ausgabe ist überarbeitet, erweitert und aktualisiert.
Autor
Andreas Langosch war als Diplom-Sozialpädagoge und Sozialtherapeut in unterschiedlichsten Bereichen der Sozialen Arbeit tätig und hat sich auf die Aus- und Weiterbildung für ressourcenorientierte Gesprächsführung spezialisiert. Er sagt selbst über sich: „Die sozialtherapeutische Zusatzausbildung und meine tägliche Arbeit im sozialen Bereich vertieften unter anderem mein Interesse und meine Kenntnisse bezüglich der Methodik des lösungsfokussierten Ansatzes, der Motivierenden Gesprächsführung und des Gase Managements. Aus dem Wunsch, grundlegende Handlungselemente dieser Methoden für mich selbst schriftlich zusammenfassen, entstand schließlich die Idee zu diesem Buch“ (S. 8f).
Aufbau und Inhalt
Die vorliegende Veröffentlichung wird in sechs abgrenzbare Blöcke gegliedert.
Im Rahmen einer kurzen Einführung, was der Autor mit dem Band beabsichtigt (er spricht im Übrigen von einem „Willkommen auf dem Planet der Ressourcen, Stärken und Möglichkeiten!“ [S. 10]), stellt Langosch zunächst vier Fragen, die beim Erarbeiten der Inhalte und der Vorgehensweise stets mitgedacht werden sollten:
- „Wie fördere ich Ressourcen, Stärken und Fähigkeiten?
- Wie verringere oder beseitige ich Defizite?
- Wie hinterfrage ich Ziele auf möglichst konstruktive und respektvolle Art und Weise? Und
- Wie hinterfrage ich Mittel und Wege auf möglichst konstruktive und respektvolle Art und Weise?“ (S. 9)
Im 2. Kapitel stellt der Verfasser die Grundlagen des ressourcenorientierten Arbeitens vor (S. 15 – 60): etwas ausführlicher die Eckpunkte der Lösungsfokussierten Kurztherapie und den lösungsfokussierten Ansatz (S. 24 – 37), anschließend jeweils nur knapp zentrale Aspekte des Resilienzkonzepts (S. 38 – 41), die Besonderheiten der Motivierenden Gesprächsführung in den einzelnen Phasen der Veränderung (53 – 57) sowie die fünf Phasen des Case-Management-Prozesses und dessen Problemlöseschema (S. 58 – 60). In jedem Abschnitt werden „Übungsaufgaben zur Wiederholung und Vertiefung“ gestellt und die spezifischen Arbeitsbögen mit Bezug zum lösungsfokussierten Ansatz, zur Resilienz, zur Motivierenden Gesprächsführung und zum Case Management vorgestellt.
Die in den Kapiteln 3 bis 6 enthaltenen 25 Arbeitsbögen bilden das Herzstück des Bandes. Kapitel 3 („Schätze bergen – Was ist gut und soll so bleiben?“ [S. 61 – 72]) und Kapitel 4 („Bewältigungsstrategien – Was hat bei Schwierigkeiten schon einmal gut geholfen?“ [S. 73 – 86]) wenden sich der Erforschung von Ressourcen aus der Vergangenheit zu, während die Kapitel 5 („Bewältigungsstrategien – Was hat bei Schwierigkeiten schon einmal gut geholfen?“ [S. 73 – 86] und Kapitel 6 („Handeln und Erfolgskontrolle – Am Anfang war die Tat!“ [S. 111 – 121]) der Entwicklung und Verwirklichung künftiger Perspektiven und Möglichkeiten dienen. Jedes Kapitel enthält eine kurze Vorstellungsübung zur Einführung in das jeweilige Thema und ergänzende Hinweise zur Erarbeitung der Arbeitsbögen.
Kapitel 7 enthält schließlich zwei Auswertungsbögen (einerseits: für die Gesprächsführer/innen, andererseits: für die Klient/inn/en), die das ressourcenorientierte Arbeiten mit den 25 Arbeitsbögen strukturieren und erleichtern können sollen (S. 122 – 124).
Unter der Überschrift „Wie geht es jetzt weiter?“ (8. Kapitel) diskutiert der Autor die Fragen, wie mit den ausgefüllten Bögen weitergearbeitet werden kann, wie die Schritte vom Arbeitsbogen zur Verhaltensänderung sind und wie der Transfer der „gemachten Entdeckungen und Erfahrungen“ in den Alltag gelingt (S. 125 – 128).
Ein auf das Wesentliche reduziertes Literaturverzeichnis (das Literatur bis 2005 erfasst, die Literatur also nicht allzu aktuell ist) und einer Stichwortübersicht sowie ein alphabetisches Verzeichnis der 25 Arbeitsbögen, Lösungen zu den Übungsaufgaben und Informationen zur beiliegenden CD-ROM vervollständigen den Band. Alle Arbeits- und Auswertungsbögen sowie die dazugehörenden Einweisungen stehen als PDF-bzw. WORD-Dateien auf der beiliegenden CD-ROM zum Ausdruck zur Verfügung.
Zielgruppen
Andreas Langosch nennt Therapeut/inn/en unterschiedlicher Spezialisierung (die so u.a. Hilfe bei der Evaluation des Therapieprozesses erhalten können), Fachkräfte pädagogischer und pflegerischer Berufsbilder (die z.B. Hilfe bei der Förderplanung erhalten können), Case bzw. Fallmanager/innen, Student/inn/en, Klient/inn/en sowie interessierte Laien z.B. aus der Selbsthilfe, Freunde oder Angehörige (S. 11f). Diese viel zu weit gespannte Zielgruppentaxierung fördert freilich eher den Gedanken bloßer Ratgeberliteratur, frei dem Motto: für jeden etwas.
Diskussion
Der Verfasser schreibt, dass dieses Buch „keine vorhersagbaren Ergebnisse produzieren, sondern anregen (soll): Zum Experimentieren, zum Erforschen, zum Gespräch. Am besten zum Gespräch mit anderen Personen über Möglichkeiten, Stärken und Ressourcen. Aber auch, wenn es lediglich das innere Selbstgespräch zu diesen Themen fördert, hat es sein Ziel schon erreicht“ (S. 10). Dazu sollen die vier Referenzen die nötige Unterstützung geben:
- Die lösungsfokussierte Kurztherapie steht für den „pragmatischen Weg zu individuellen, funktionierenden Lösungen“, mit denen das ressourcenorientierte Arbeiten umgehend beginnen kann (S. 10) (S. 24- 37), während
- die Resilienzforschung mit ihren Befunden bei der inhaltliche Suche helfen soll, wenn anderen Menschen beim Finden der passenden Ressourcen geholfen werden soll oder die Berater*innen oder Therapeut*innen selbst (dabei) Hilfe benötigen (S. 38 – 41).
- Die Motivierende Gesprächsführung (Motivational Interviewing) mit dem Modell der Phasen der Veränderung erlauben eine Einschätzung, welches Vorgehen bei welchen Motivationslagen sinnvoll, geeignet und Erfolg versprechend sein kann (S. 42 – 57), während
- das Case Management den Hilfeprozess strukturiert (S. 58ff).
Die hierfür bereitgehaltenen Arbeits- und Auswertungsbögen sollen es ermöglichen, „sich auf praktische Weise mit typischen Fragestellungen und methodischen Grundelementen der genannten Fachgebiete und ihren Anwendungsmöglichkeiten vertraut zu machen“, wobei der vorliegende Band dabei „lediglich einen ersten kleinen Einstieg“ darstellt (S. 11).
Die Argumentation gleitet hin und wieder – durchaus wohlmeinend – in eine Form der Ratgeberliteratur ab; darin liegt Chance wie Risiko gleichermaßen: die Chance für Einsteiger/innen (z.B. Student/inn/en, die mit dem Band, wie der Autor sicher zutreffend hofft, „mit grundlegenden Ideen und Handlungselementen des ressourcenorientierten Arbeitens“ vertraut gemacht werden können), das Risiko der unreflektierten Übertragung, die vom Autor anfangs genannten Grundsätze der Methodendistanz – „Bei jeder intensiv trainierten und oft und gerne angewandten Methode besteht die Gefahr, dass sich der Praktiker zu sehr in sie verliebt und dadurch seine Methodendistanz verliert“ (S. 16) – können so leicht aus dem Blick geraten. Der Warnung, dass das „tiefer gehende Erfassen der dargestellten Methoden … ein jahrelanger Prozess (ist), der viel Praxis erfordert“ (S. 11), kann zwar uneingeschränkt zugestimmt werden, doch gerade die nicht zwingend in die Tiefe methodischer Ansätze eintauchende Argumentation verleiht dem je ausdrücklich als Leitfaden charakterisierten Buch eben auch etwas Leitformelhaftes: da gibt es etwas, das sich schnell erlernen/aneignen lässt, um schlussendllich erfolgreich arbeiten zu können.
Auch theoretisch gilt es also mehr zu vermitteln, wozu die vorliegenden; nicht zwingend aktuellen Literaturverweise (die Übersicht endet, wie gesagt, abgesehen von Langoschs eigenen Beiträgen, 2005) nur eine begrenzte Orientierung bieten können. Für alle vier Ansätze, auf die sich der Verfasser bezieht (Ressourcenorientierung, Lösungsorientierung, Motivational Interviewing und Case Management), gibt es natürlich einschlägige Literatur, die einzuarbeiten in einer weiteren Auflage noch nachgeholt werden kann.
Andererseits überzeugt der Band durchaus durch seine Fallbeispiele, die herangezogenen Gesprächsverläufe sind durchaus illustrativ und für Einsteiger*innen anregend. Einzelne Leitsätze, die der Autor anbietet (z.B. – ganz im Duktus Steven de Shazers und Kim Insoo Bergs – „Tue mehr von dem, was funktioniert!“, und: „Wenn etwas nicht funktioniert, tue stattdessen etwas anderes!“ [S. 35]), sind durchaus inspirierend, aber z.T. auch sehr allgemein (z.B. „Auch der Widerstand gegen Wünsche und Erwartungen des Beraters, Coaches oder Therapeuten kann unter Umständen eine Fähigkeit sein, die es zu würdigen gilt!“ [S. 40].) Die Übungsaufgaben, die Langosch einstreut, sind für die Aneignung hilfreich, wenn sie auch im Einzelfall (z.B. zum Case Management: „Wann, von wem und wo wurde das Case Management entwickelt? … Nennen Sie die einzelnen Phasen des Case-Management-Prozesses!)“ [S. 60]) doch eher allgemein und mehr für ein Lehrbuch (z.B. zum Case Management) dienlich wirken. Schließlich ergibt sich eine Netzwerkstruktur der angeregten Hilfsmittel: Die einzelnen Arbeitsbögen enthalten jeweils Quervereise zu weiteren im Set enthalten Arbeitsbögen.
Fazit
Trotz der auch kritischen Anmerkungen kann der Band vor allem Einsteiger*innen nahegelegt werden, wenn sie diese kritischen Hinweise berücksichtigen. Der Text ist griffig formuliert, die Argumente schlüssig. Der Band verspricht eine Hilfe für die berufliche Praxis zu sein, wenn er als Leitfaden begriffen und nicht als Rezept missverstanden wird.
Rezension von
Prof. Dr. Peter-Ulrich Wendt
Professur für Grundlagen und Methoden der Sozialen Arbeit an der Hochschule Magdeburg
Website
Mailformular
Es gibt 118 Rezensionen von Peter-Ulrich Wendt.