Stefan Herold, Stefan Missal: Das Arbeitgeberhandbuch zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement
Rezensiert von Dipl.-Hdl. Dr. phil. Klaus Halfpap, 31.07.2015

Stefan Herold, Stefan Missal: Das Arbeitgeberhandbuch zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement. Empfehlungen, Vorlagen und Checklisten zum gezielten Handeln. Beuth Verlag (Berlin, Wien, Zürich) 2015. 212 Seiten. ISBN 978-3-410-25144-6. D: 78,00 EUR, A: 80,20 EUR, CH: 105,00 sFr.
Thema
Das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ist für manche Arbeitgeber und ihre Mitarbeiter/innen oft eine Herausforderung bei dessen rechtsgültiger Einführung und Umsetzung im Unternehmen. Sie kann durch ein strukturiertes, logisch aufgebautes Vorgehen gemeistert werden. Hierzu gibt dieses Handbuch entscheidende Hilfen durch handlungsleitende Checklisten, Musterdokumente sowie durch Erläuterung der Rechtsvorschriften und ihrer Zusammenhänge, und zwar ausgeprägt praxisbezogen. Eingebunden wird das BEM darüber hinaus in generelle unternehmerische Aufgaben z. B. der gesundheitlichen Vorsorge und der Schaffung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit.
Das Buch ist nicht nur für Mitarbeiter/innen in den Personalabteilungen, sondern auch z. B. für Schwerbehindertenvertretungen, Interessenvertretungen und Betriebsärzte eine Handlungshilfe.
Entstehungshintergrund
ist nach einem Hinweis der Autoren im Vorwort ein Pool von fast 1000 Fragen aus der Praxis, die sie im Rahmen ihrer beruflichen und wissenschaftlichen Tätigkeit in der Zusammenarbeit mit verschiedensten Unternehmen in den letzten 10 Jahren gesammelt haben.
Aufbau
Nach einer sensibilisierenden Einführung in Inhalt und Gebrauchsanweisung des Handbuches werden 11 Prozessschritte des BEM jeweils in gleicher Logik bearbeitet – sehr verständnisfördernd und anschaulich:
- Inhaltliche Zusammenfassung
- Beantwortung von Fragen aus der Praxis
- Was wird von mir als Arbeitgeber verlangt?
- Was kann ich als Arbeitgeber tun?
- Konkrete Handlungsempfehlungen in tabellarischer Übersicht
Die einzelnen Schritte wurden wie folgt akzentuiert bzw. thematisiert:
- Die gesundheitliche Vorsorge im Unternehmen treffen (9 ff.)
- Die systematische Erhebung von AU-Zeiten im Unternehmen (37 ff.)
- Die fristgerechte Feststellung der AU-Zeit im Sinne von § 84 Abs. 2 SGB IX (55 ff.)
- Die Erstkontaktaufnahme (67 ff.)
- Das Erstgespräch mit dem Betroffenen (83 ff.)
- Das Fallgespräch Nr. 1 (107 ff.)
- Das Fallgespräch Nr. 2 (135 ff.)
- Die Verhältnismäßigkeitsprüfung (149 ff.)
- Die betriebliche Planung und Umsetzung der Maßnahmen (161 ff.)
- Die Prüfung der Wirksamkeit (179 ff.)
- Die Systematisierung in der Nachbereitung (195 ff.)
Inhalt
Es wird Verständnis der Lesenden unterstellt, dass nicht einmal alle wesentlichen Aussagen der Autoren zu den einzelnen Schritten u. a. hinsichtlich der rechtlichen Grundlagen, Aufsichten und möglichen Sanktionen bei Nichterfüllung der Anforderungen skizziert werden können. Daher (jeweils) nur einige Beispiele.
Im Schritt 1 steht immer die Vorsorge des Arbeitgebers im Mittelpunkt (9), deren Rechtsgrundlagen nicht im SGB IX verankert sind, sondern in anderen Gesetzen, somit auch die möglichen Sanktionen der Rechtsaufsichten (10 ff.). Dabei gilt, insbesondere auch die Mitbestimmungsrechte eventueller Interessenvertretungen zu beachten (13 ff.) sowie vor allem BEM-Fällen vorzubeugen, „die auf einen fehlenden Arbeitsschutz zurückzuführen wären“ (17).
Wenn im Unternehmen Interessenvertretungen bestehen, muss im Schritt 2 darauf geachtet werden, „dass bei der Ein- und Durchführung der AU-Zeitenerhebung und -verarbeitung die Interessenvertretungen ein Mitbestimmungsrecht besitzen“ (37). Da auch hier im SGB IX keine rechtlichen Grundlagen benannt sind, ist auch diesbezüglich auf viele andere Vorschriften zu achten, um mögliche Sanktionen zu vermeiden (38 ff). Die Organisation der Zeitenerhebung der Arbeitsunfähigkeit (AU) wird ausführlich und konkret erläutert – ebenso deren Dokumentationsmöglichkeiten (42 ff.).
Die fristgerechte Feststellung der AU-Zeit nach 6 Wochen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers ist gemäß Schritt 3 besonders wichtig, da anderenfalls dem Arbeitgeber durch den Arbeitnehmer mögliche Sanktionen drohen (56 ff.). Am 43. AU-Tag sollte das BEM-Verfahren mit der Unterrichtung auch möglicher Interessenvertretungen eingeleitet werden (61).
Die Erstkontaktaufnahme mit dem Betroffenen sollte gemäß Schritt 4 ebenfalls schriftlich erfolgen (67 ff.), und zwar mit dem Ziel, „den Betroffenen für die ‚gemeinsame Sache‘ zu sensibilisieren, durch das BEM die Arbeits- und Leistungsfähigkeit schnellst- und bestmöglich wieder herzustellen“ (73). Ein mögliches Antwortschreiben des Betroffenen für das Erstgespräch ist beispielhaft abgebildet (79); es verweist jedoch nicht eindeutig auf die zwar vorher erwähnte neueste Rechtslage gemäß Beschluss des BAG von 07.02.2012 (70), wonach der Arbeitgeber den Namen des Betroffenen an den Betriebsrat weiterzugeben hat, auch wenn dieser der Beteiligung des Betriebsrats nicht zugestimmt hat.
Hat er seine Zustimmung erteilt, findet das Erstgespräch im 5. Schritt statt, dessen Notwendigkeit und Durchführungsmöglichkeit ausführlich dargestellt werden (83 ff.). Eine BEM-Akte ist anzulegen; wichtige Beispiele für notwendige Unterlagen werden musterhaft angegeben (98 ff.).
Anhand eines Fallgesprächs (Nr. 1) wird im 6. Schritt ausführlich dargelegt, wie bedeutsam zum Klärungsprozess für mögliche Maßnahmen zur Eingliederung ein zu erstellendes Fähigkeits- und Leistungsprofil ist (107). Dazu werden ausführlich Verfahrensfragen geklärt und Handlungsempfehlungen detailliert und konkret gegeben (115 ff.).
Diese Maßnahmen werden im 7. Schritt (als Fallgespräch 2) durch Beteiligung externer Institutionen erweitert. Dies auch deshalb, um auszuloten, „inwieweit die externen Beteiligten entsprechende Leistungen für die gefundenen Maßnahmen anbieten können“ (135).
Wichtig für den Arbeitgeber ist als 8. Schritt die Verhältnismäßigkeitsprüfung der möglichen Kosten mit den generellen Verhältnissen im Unternehmen. Konkrete Handlungsempfehlungen werden auch für den Fall der Beendigung des Verfahrens gegeben (156 ff.).
Schritt 9 stellt die „betriebliche Planung und Umsetzung der Maßnahmen“ dar mit Beantwortung der Fragen u. a. zur Verantwortlichkeit, zur Hinzuziehung weiterer Beteiligter, zur Dauer und zur Dauer der Überwachung durch den Arbeitgeber. Im Falle der Beendigung des Verfahrens ist eine ordnungsgemäße Dokumentation besonders wichtig (168 ff.).
Die Prüfung der Wirksamkeit aller getroffenen Maßnahmen hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit zur Überwindung der bestehenden und Vorbeugung einer erneuten Arbeitsunfähigkeit ist Schritt 10 des Verfahrens (179 ff.). Diesbezüglich zum Teil schwierige Rechtsfragen werden beantwortet sowie wiederum konkrete Handlungsempfehlungen gegeben (185 ff.).
Schritt 11 dient der betriebsinternen Systematisierung in der Nachbereitung, um Hilfestellungen für die Zukunft zu geben: detailliert sowie überzeugend und mit einem ausführlichen Beispiel einer Betriebsvereinbarung zwischen Unternehmen und Betriebsrat (202 ff.).
Diskussion
Mit insgesamt 66 „Fragen aus der Praxis“ beginnt die Erläuterung aller 11 Schritte des Prozesses des Betrieblichen Eingliederungsmanagements. Als Rezensent halte ich dieses Vorgehen – wie auch die vorangestellte (!) Zusammenfassung und die dann jeweils folgende tabellarische inhaltliche Aufarbeitung – dieses äußerst komplexen Themas für nicht nur praxisbezogen, sondern für sehr anschaulich und lesefördernd. Sie als Lesende auch? Oder ist dies sowie die Wiederholungen mancher Vorschriften eher verwirrend?
Fazit
Seit 2004 hat ein Arbeitgeber ein Betriebliches Eingliederungsmanagement gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX anzubieten, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig ist. Es ist wesentliches Element eines betrieblichen Gesundheitsmanagements zum Schutz der Gesundheit der Belegschaft und kann die Betroffenen vor Arbeitslosigkeit oder Frühverrentung schützen. Im Verfahren sind angemessene individuelle Lösungen zu finden: mit Zustimmung des/der Betroffenen ist die Interessenvertretung (Betriebsrat oder Personalrat) zu beteiligen, ggf. auch die Schwerbehindertenvertretung sowie erforderlichenfalls der Werks- oder Betriebsarzt. Der gesamte Arbeitsprozess dieses komplexen und für alle Beteiligten – auch für gegebenenfalls betroffene Arbeitnehmer – wichtigen Verfahrens wird in diesem Buch ausführlich, übersichtlich und praxisbezogen dargestellt, konkrete Arbeitshilfen werden gegeben. Es sollte in den Betrieben und in möglichen zu beteiligenden Institutionen bzw. Gremien, aber auch von „Betroffenen“, genutzt werden.
Rezension von
Dipl.-Hdl. Dr. phil. Klaus Halfpap
Ltd. Regierungsschuldirektor a. D.
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