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Fritz Böhle, Ursula Stöger u.a.: Interaktionsarbeit gestalten

Rezensiert von Viola Straubenmüller, 06.08.2015

Cover Fritz Böhle, Ursula Stöger u.a.: Interaktionsarbeit gestalten ISBN 978-3-8360-8768-1

Fritz Böhle, Ursula Stöger, Margit Weihrich: Interaktionsarbeit gestalten. Vorschläge und Perspektiven für humane Dienstleistungsarbeit. edition sigma in der Nomos Verlagsgesellschaft (Berlin) 2015. 203 Seiten. ISBN 978-3-8360-8768-1. 15,90 EUR.

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Thema und Autor_innen

Der Beitrag legt Prozess und Ergebnisse eines Forschungsprojektes mit dem Titel „Arbeitsgestaltung bei Interaktionsarbeit – neue arbeitspolitische Herausforderungen und Perspektiven bei Dienstleistungsarbeit“dar. Mit finanzieller Unterstützung durch die Hans Böckler Stiftung wurde das empirische Projekt ermöglicht,welches Dienstleistungsarbeit und ihre Charakteristika in unterschiedlichen Handlungsfeldern zum Gegenstand hat.

Die drei an der Philosophisch- sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg tätigen Autor_innen widmen sich in zahlreichen weiteren Projekten Fragen beruflicher Bildung, des (subjektivierenden) Arbeitshandelns und der Dienstleitungssoziologie (vgl. hierzu www.philso.uni-augsburg.de/lehrstuehle/soziologie/sozio4/team/ ).

Entstehungshintergrund

Anforderungen an Dienstleitungsberufe sind vielfältig und stellen eine zunehmend komplexe gesellschaftliche Herausforderung dar. Interaktionsarbeit ist ein zentrales Konzept zur Beschreibung der Leistungen, die von den im besagten Bereich tätigen Personen erbracht werden.Das Konzept lässt sich den Autor_innen zufolge durch die Komponenten ´Kooperationsarbeit, Emotionsarbeit, Gefühlsarbeit und subjektivierendes Arbeitshandeln´(S. 19) kennzeichnen.Vor dem Hintergrund drängend werdender Fragen, die sich beispielsweise durch den demografischen Wandel stellen,wird auf die gegenwärtige und zukünftige Unverzichtbarkeit einer humanen Gestaltung von Dienstleistungsarbeit hingewiesen.

Aufbau und Inhalt

Das in fünf Kapiteln angelegte Buch wird mit einer übergeordneten Einführung in die Thematik „Dienstleistungen“ und deren Relevanz eröffnet, aus der Fragestellungen abgeleitet werden (Kapitel 1).

Darauf aufbauend können Aussagen hinsichtlich des zugrunde gelegten Konzepts Interaktionsarbeit getroffen und das Untersuchungsdesign samt Methoden und Fallstudien expliziert werden (Kapitel 2). Das Design ist durch einen qualitativen Ansatz gekennzeichnet und umfasst Arbeitsplatzbeobachtung, (Leitfaden-)interviews, Expertengespräche und Workshops. Unter den für die Untersuchung ausgewählten Settings befindet sich neben einem klassischen Fachgeschäft die Filiale einer Kette,ein traditionelles Gasthaus,eine Agentur der Arbeitsverwaltung und eine Einrichtung der stationären Krankenpflege.Das Spektrum ist damit ausgesprochen breit,sowohl was methodische Zugänge als auch das Sample betrifft. Interaktionsarbeit,etwa im Krankenhaus [1] (S.73 ff.) wird von den Autor_innen zunächst vor dem Hintergrund allgemeiner Entwicklungen in der stationären Krankenpflege, insbesondere der Ökonomisierung,problematisiert.Hierbei wird auf kritische Entwicklungen (Personalabbau, Arbeitsverdichtung etc.) hingewiesen, denen das Handlungsfeld aktuell ausgesetzt ist. Eingebettet in diese Bedingungen ist die folgende Beschreibung der Einrichtung zu sehen.Anhand von Interviewzitaten und Resultaten der Beobachtung werden Charakteristika von Interaktionsarbeit in der klinischen Pflege lebens(welt-)nah und ausführlich dargestellt (S.77 ff.).

Die „Fallstudien“ bieten eine Diskussionsgrundlage für das anschließende Kapitel (3). Es befasst sich (wie die Formulierung „auf dem Prüfstand“bereits vermuten lässt), kritisch mit „Grundsätzen humaner Arbeit“ und hat Gestaltungsprinzipien zum Gegenstand, die sich nur zum Teil auf Dienstleistungsberufe übertragen lassen. Dies trifft etwa auf den Aspekt Vermeidung widersprüchlicher Anforderungen zu. Letztere umgehen zu wollen,wird zu Recht als wenig zielführend und realistisch eingeschätzt.Nachdem zu besagten Prinzipien je allgemein,dann branchenspezifisch Stellung bezogen wurde,erfolgt zum Schluss des Kapitels eine zusammenfassende Darstellung der Erkenntnisse. Besonders hervorzuheben ist die kompakte Gegenüberstellung „Herkömmlicher Grundsätze humaner Arbeit“ und „Für Interaktionsarbeit modifizierte und erweiterte Grundsätze“(S.128 ff.).

Im vierten Teil folgen Vorschläge und Perspektiven zur Gestaltung von Interaktionsarbeit (S.129 ff.).Sie werden in unterschiedlichen Dimensionen dargestellt und knüpfen an die zuvor dargestellten Gestaltungsgrundsätze an. Angesichts der Vielfalt an Vorschlägen können hier nur ausgewählte benannt werden.Besonders hervorzuheben ist m.E.

  1. die Forderung einer „Transformation von Gegensätzen zwischen Beschäftigten und Kunden in Gemeinsamkeiten“ (S.131);
  2. Humaner Technikeinsatz im Sinne eines erweitertes Technikverständnis,das Technologien keine Substitutions-, sondern Werkzeugfunktion zuspricht;
  3. das Erfordernis, Interaktionsarbeit sichtbar zu machen und vermehrter Anerkennung zuzuführen (S.169 ff.).

Schließlich werden Hemmnisse und Chancen zur Diskussion gestellt,die mit menschengerechter Arbeitsgestaltung verbunden sind (5). Benannt werden hier beispielsweise die branchenübergreifenden Phänomene Negation und Transformation von Interaktionsarbeit, ihre Objektivierung sowie Entgrenzung und Ressourcenverknappung (S.178).

Abschließend werden resultierende arbeitspolitische Perspektiven und Forderungen an die Gesellschaft angeführt (S.187 ff.). Sie verweisen zu Recht darauf, dass eine systematische Ausrichtung beruflicher Bildung an für Interaktionsarbeit erforderlichen Kompetenzen(vgl. Brater, Rudolf 2006 in Böhle, Stöger, Weihrich 2015, S.190) notwendig sei.

Diskussion

Der Systematik des Buches ist es zu verdanken, dass trotz komplexer Sachverhalte und vielfältiger unterschiedlicher Handlungsfelder der rote Faden sichtbar bleibt. Hinsichtlich der Ausführungen zum Setting Krankenhaus und der Berufsgruppe Pflege wäre der Einbezug weiterer pflegewissenschaftlicher Arbeiten zur Charakterisierung von Interaktionsarbeit und damit verbundenen Anforderungen an Bildung (Stichwort Leiblichkeit, vgl. etwa Böhnke, Straß 2006[2]) denkbar gewesen. Hervorzuheben ist die Vielfalt einbezogener Branchen, die es mit sich bringt,dass Möglichkeiten einer umfassenden Darstellung des (etwa pflegewissenschaftlichen)„Forschungsstands“ zum Thema Interaktionsarbeit begrenzt sind.

Fazit

Der Beitrag bietet eine informative Zusammenschau zentraler Herausforderungen und Gestaltungserfordernisse humaner Dienstleistungsarbeit, die,so heben die Autor_innen hervor, nicht per se schon human ist, sondern aktiv human ausgestaltet werden muss. Allen, die in diesem Handlungsfeld tätig sind,sei es in Praxis,Bildung,Management oder Forschung, kann dieses Buch ausdrücklich empfohlen werden.


[1] Aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Handlungsfelder wird hier lediglich exemplarisch auf das Krankenhaus Bezug genommen

[2] Böhnke, U.; Straß, K. (2006): Die Bedeutung der kritisch-rekonstruktiven Fallarbeit in der Lehrerinnenbildung im Berufsfeld Pflege. In: Pflegewissenschaft Nr. 4 (2006), S.197- 205

Rezension von
Viola Straubenmüller
Pflegewissenschaft M.A., Pflegepädagogik B.A.
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Es gibt 7 Rezensionen von Viola Straubenmüller.

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Zitiervorschlag
Viola Straubenmüller. Rezension vom 06.08.2015 zu: Fritz Böhle, Ursula Stöger, Margit Weihrich: Interaktionsarbeit gestalten. Vorschläge und Perspektiven für humane Dienstleistungsarbeit. edition sigma in der Nomos Verlagsgesellschaft (Berlin) 2015. ISBN 978-3-8360-8768-1. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/19210.php, Datum des Zugriffs 28.03.2023.


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