Bettina Brehm, Judith E. Schill et al.: FETASS - Freiburger Elterntraining für Autismus-Spektrum-Störungen
Rezensiert von Dipl.-Päd. Petra Steinborn, 20.01.2016
Bettina Brehm, Judith E. Schill, Monica Biscaldi, Christian Fleischhaker: FETASS - Freiburger Elterntraining für Autismus-Spektrum-Störungen. Springer (Berlin) 2015. 300 Seiten. ISBN 978-3-662-46187-7. D: 39,99 EUR, A: 41,11 EUR, CH: 50,00 sFr.
Thema
Bei dem hier vorgelegten Buch handelt es sich um ein modular aufgebautes Trainingsprogramm, um Eltern dabei zu unterstützen mit den Herausforderungen des Kindes mit einer Autismus Spektrum Störung zu Recht zu kommen. Es will Eltern das notwendige Handwerkszeug geben, damit sie ihren Kindern frühzeitig Unterstützung und Hilfe anbieten können.
Autorinnen und Autor
Die Autoren sind Mitglieder der Arbeitsgruppe „Therapieforschung der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Kindes- und Jugendalter am Universitätsklinikum“ in Freiburg. Bettina Brehm und Judith E. Schill sind Psychologinnen und Psychotherapeutin, Monica Biscaldi und Christian Fleischhaker sind Fachärzte.
Aufbau
Das Buch ist im Softcover Format aufgelegt. Es gliedert sich in drei große Teile, die sich in 24 Kapitel auf 219 Seiten unterteilen. Am rechten oberen Rand findet man zwei farbliche Markierungen, eine für die Seitenzahl und eine für die Kapitelnummer. Jedes Kapitel eine andere Farbe. Auf den oberen Rändern jeder Seite ist die jeweilige Kapitelüberschrift und der Hinweis gedruckt, im welchen Unterkapitel man sich gerade befindet. Jeder Teil beginnt mit einem eigenen Inhaltsverzeichnis, das farblich unterlegt ist. Im Arbeitsbuch für Eltern gibt es eine eigene Seitennummerierung diesmal am unteren Rand. Zahlreiche Abbildungen und Fotos erläutern die Ausführungen, verwendete Folien sind in einem verkleinerten Maßstab zur besseren Anschauung ins Buch genommen worden. Ziel ist, dass direkt mit der Arbeit begonnen werden kann.
- Einleitung
- Elternzentrierte Ansätze in der Kinder- und Jugendpsychiatrie
- Autismusspezifische elternzentrierte Behandlungsansätze
- Umgang mit autismusspezifischen herausfordernden Verhaltensweisen
- Begleitende Evaluation des Freiburger Elterntrainings
- Kapitel Entwicklung und erste Erfahrungen mit dem Freiburger
Elterntraining
Teil II Praxis
- Allgemeine Hinweise und Einführung zum Manual
- Sitzung 1: Psychoedukation – Informationen über ASS (Teil 1).
- Sitzung 2: Psychoedukation – Informationen über ASS (Teil 2)
- Sitzung 3: Alltagsstrukturierung
- Sitzung 4: Verhaltenstherapeutische Lernprinzipien (Teil 1)
- Sitzung 5: Verhaltenstherapeutische Lernprinzipien (Teil 2)
- Sitzung 6: Umgang mit autismusspezifischen herausfordernden Verhaltensweisen (Teil 1)
- Sitzung 7: Umgang mit autismusspezifischen herausfordernden Verhaltensweisen (Teil 2)
- Sitzung 8: Umgang mit autismusspezifischen herausfordernden
Verhaltensweisen (Teil 3)
Teil III: Arbeitsbuch für Eltern
- Einführung und Übersicht
- Sitzung 1: Informationen zu ASS (Teil 1)
- Sitzung 2: Informationen zu ASS (Teil 2)
- Sitzung 3: Strategien zur Alltagsstrukturierung
- Sitzung 4: Verhaltenstherapeutische Lernprinzipien (Teil 1)
- Sitzung 5: Verhaltenstherapeutische Lernprinzipien (Teil 2)
- Sitzung 6: Umgang mit autismusspezfischen herausfordernden Verhaltensweisen (Teil 1)
- Sitzung 7: Umgang mit autismusspezifischen herausfordernden Verhaltensweisen (Teil 2)
- Sitzung 8: Umgang mit autismusspezifischen herausfordernden Verhaltensweisen (Teil 3)
Teil I Theorie
Anhang
Inhalt
FETASS ist die Abkürzung von „Freiburger Elterntraining für Autismus-Spektrum-Störungen“.
Im ersten Teil Theorie werden die Grundlagen vorgestellt. Nach der Einleitung in Kapitel eins folgt das zweite Kapitel, das sich mit elternzentrierten Ansätzen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie befasst. Speziell geht es um Bedeutung, Formen, Ziele und Wirksamkeit von elternzentrierten Ansätzen bei Entwicklungsauffälligkeiten bzw. Entwicklungsstörungen oder Behinderungen.
Das dritte Kapitel Autismus spezifische elternzentrierte Behandlungsansätze handelt von verhaltenstherapeutischen Prinzipien und Ansätzen wie die soziale Lerntheorie, das Prinzip der positiven Verstärkung, negative Verstärker, das SORCK-Modell und der Verhaltensmodifikation.
Das vierte Kapitel behandelt den Umgang mit Autismus spezifischen herausfordernden Verhaltensweisen.
Das fünfte Kapitel Begleitende Evaluation des Freiburger Elterntrainings stellt das Inventar zur Erfassung der Lebensqualität (ILK), die Skala zur Erfassung sozialer Reaktivität (SRS) und einem Elternstressfragebogen (ESF) vor.
Das sechste Kapitel beschreibt die Entwicklung und erste Erfahrungen mit dem Freiburger Elterntraining sowie die Ergebnisse der Evaluation.
Im zweiten Teil Praxis werden im siebten Kapitel allgemeine Hinweise und Einführung zum Manual in Bezug auf Rahmenbedingungen, auf die chronologische und inhaltliche Übersicht, die methodische Umsetzung, Einflusskriterien, Methodik und die verwandte Didaktik gegeben. Daran schließt sich die Beschreibung der einzelnen Sitzungen an. Das Kapitel endet mit Zielen (global und individuell) des Elterntrainings.
Nun folgen in Kapitel 8 – 15 alle acht Sitzungen, die unterschiedliche Themen, aber den gleichen Aufbau haben. Die Sitzungen beginnen mit der Darstellung des Ablaufs, der Benennung der Hausaufgaben und dem Hinweis auf Materialien. Die Anleitungen sind sehr präzise vorbereitet. Die Leserschaft findet sogar Ablaufpläne vor, die mit Minutenangaben versehen sind. Im Therapiemanual sind die Trainingsstunden deshalb so detailliert beschrieben, damit sie aufwandsarm in die Praxis übertragbar sind. Das Elternarbeitsbuch ist vom Aufbau und Layout her praxisnah gestaltet. Neben zahlreichen Abbildungen enthält es auch freie Seiten für die Protokollierung von Zielen, eigenen Notizen und gibt Raum für eine schriftliche Reflexion.
- Sitzung 1: Psychoedukation – Informationen über ASS (Teil 1).
- Sitzung 2: Psychoedukation – Informationen über ASS (Teil 2)
- Sitzung 3: Alltagsstrukturierung
- Sitzung 4: Verhaltenstherapeutische Lernprinzipien (Teil 1)
- Sitzung 5: Verhaltenstherapeutische Lernprinzipien (Teil 2)
- Sitzung 6: Umgang mit autismusspezifischen herausfordernden Verhaltensweisen (Teil 1)
- Sitzung 7: Umgang mit autismusspezifischen herausfordernden Verhaltensweisen (Teil 2)
- Sitzung 8: Umgang mit autismusspezifischen herausfordernden Verhaltensweisen (Teil 3)
Im dritten Teil des Buches findet man das Arbeitsbuch für Eltern, welches 100 Seiten umfasst. Dieser Teil umfasst die Kapitel 17 – 24. In Kapitel 16 bekommt man eine Einführung und Übersicht und es wird erläutert, wozu das Arbeitsbuch dient, welche Pictogramme benutzt werden und welche Sitzungen folgen. Diese einzelnen Sitzungen werden in den Kapiteln 17 – 24 vorgestellt.
Dieser Teil ist so aufbereitet, dass er es möglich ist, Notizen einzuschreiben. Pictogramme am Seitenrand weisen darauf hin, ob man etwas notieren soll (Stiftsymbol) oder ob es um wichtige Informationen und Zusammenfassungen geht. Das Fragezeichensymbol beinhaltet typische Fragestellungen bzw. Konstellationen und das Pluszeichen ist ein Hinweis für fakultative Übungen. Auf Seite 124 findet sich eine Übersicht über die Sitzungen und Themen in diesem dritten Teil.
- Sitzung 1: Informationen zu ASS (Teil 1)
- Sitzung 2: Informationen zu ASS (Teil 2)
- Sitzung 3: Strategien zur Alltagsstrukturierung
- Sitzung 4: Verhaltenstherapeutische Lernprinzipien (Teil 1)
- Sitzung 5: Verhaltenstherapeutische Lernprinzipien (Teil 2)
- Sitzung 6: Umgang mit autismusspezfischen herausfordernden Verhaltensweisen (Teil 1)
- Sitzung 7: Umgang mit autismusspezifischen herausfordernden Verhaltensweisen (Teil 2)
- Sitzung 8: Umgang mit autismusspezifischen herausfordernden Verhaltensweisen (Teil 3)
Das Buch endet mit dem Anhang. Neben Ideen für Verstärker werden Literaturangaben für den Theorie – und Praxisteil sowie Tipps speziell für Eltern gegeben.
Die Verstärker sind nach Oberthemen sortiert und bilden eine lange Liste. Es werden zum einen Verstärker für die Bereiche Essen, Getränke, Gestalterisches, sensorische Reize und Spielzeug gegeben und zum anderen werden Verstärker aus dem Bereich Unterhaltung genannt mit den Überschriften Spiele, Ausflüge, Haushaltsaktivitäten, spielerische Belohnung und Aktivitäten.
Diskussion
Das Buch gliedert sich in drei große Teile, die sich farblich voneinander abheben. Das Layout wurde mit Aufwand gestaltet, sodass man sich leicht zu Recht findet. Der Inhalt ist – wie man im Teil „Aufbau und Inhalt“ dieser Rezension sehr gut sehen kann – in drei Teile mit zahlreichen Kapiteln untergliedert. Die Autoren weisen darauf hin, dass dieses Training mehrfach erfolgreich in der Praxis erprobt wurde. Weiteres ergänzendes Material findet man zum download auf der Internetseite des Springer-Verlages, der Link ist im Buch abgedruckt. Vor der Entwicklung von FETASS wurde das Manual TOMTASS entwickelt. TOMTASS steht für „Theorie-of-Mind-Training bei Autismus Spektrum Störungen“. Es ist ein modular aufgebautes Therapieprogramm, welches für Kinder und Jugendliche mit Autismus auf hohem Funktionsniveau geeignet ist. Zu diesem Buch liegt aus dem Jahr 2013 eine Rezension vor: Mirjam S. Paschke-Müller, Monica Biscaldi, Reinhold Rauh, Christian Fleischhaker, Eberhard Schulz: TOMTASS – Theory of Mind Training bei Autismus Spektrum Störungen. Freiburger Therapiemanual für Kinder und Jugendliche. Springer-Verlag (Berlin, Heidelberg, New York, Hongkong, London, Mailand, Paris, Tokio, Wien) 2013. 171 Seiten. ISBN 978-3-642-20063-2. 39,95 EUR, CH: 54,00 sFr. www.socialnet.de/rezensionen/14738.php.
Auf der Grundlage von TOMTASS wurde nun FETASS für die Zielgruppe der betroffenen Eltern entwickelt. Diese Manuale können miteinander kombiniert werden, was aber nicht zwingend ist.
Es gibt zahlreiche Untersuchungen über die Wirksamkeit von Elterntrainings. Hier sei z.B. Triple P genannt. Genauso wie das hier vorgelegte Manual ist es verhaltenstherapeutisch orientiert und hat als Ziel, die Erziehungsfähigkeiten zu schulen und zu verbessern. Das hier vorgelegte Elterntraining besteht aus 8 Sitzungen a 90 Minuten. Eine Gruppe besteht aus 4-6 Elternpaaren mit Kindern zwischen 5-12 Jahren, idealerweise nehmen beide Elternteile teil. Die Gruppe wird von zwei Therapeut*innen geleitet und es handelt sich um eine geschlossene Gruppe. Ausschlusskriterien sind geringe Sprachkenntnisse der deutschen Sprache.
Das Buch ist so aufgebaut, dass potentielle Therapeut*innen dieses zur Hand nehmen können und das Elterntraining damit durchführen können. Für jede Sitzung gibt es detaillierte Minutenpläne. Diese habe ich mir im Einzelnen kritisch angeschaut. Ich bin nicht überzeugt, dass diese enge Zeitplanung wirklich gelingen kann, besonders wenn es sich um Eltern handelt, die neu in die Thematik einsteigen.
Das Manual wurde durch ein Team des Freiburger Universitätsklinikums entwickelt und es ist davon auszugehen, dass das Elternbuch an Eltern erprobt wurde, deren Kinder schon in der Klinik in Therapie sind. Das bedeutet, dass die Eltern schon in der Materie bewandert waren. Spannend wird es, wenn das Elternbuch durch Herausgabe dieses Buches in einem anderen Kontext eingesetzt wird, in dem Eltern ganz neu ins Thema einsteigen. Auffällig ist auch, dass die vorgestellten Inhalte sehr verdichtet sind. Ich kann mir schwer vorstellen, dass das Manual für alle Eltern, also auch für Eltern, die wenig bis gar kein fachliches Hintergrundwissen haben, in diesem engen Zeitkorsett zu befriedigenden Ergebnissen kommen können. Aus meiner Sicht wird sich zu wenig Zeit genommen, das zeigt sich zum Beispiel an den Stellen, an denen die Eltern von ihren eigenen Erfahrungen berichten sollen. Eng wird es auf jeden Fall dann, wenn beide Elternteile sich einbringen wollen, was ausdrücklich empfohlen wird.
Es ist zu begrüßen, dass beide Elternteile am Training teilnehmen. Wenn Elternpaare aber an Themen kommen, bei denen sie unterschiedlicher Meinung sind brauchen sie Zeit, sich über ihre Reaktions- und Verhaltensweisen miteinander abzustimmen. Diese Alltagsherausforderung gibt der eng gestrickte Zeitplan so auch nicht her.
Auffällig ist auch der elaborierte fachbezogene Sprachstil. Dieser wäre verzichtbar, gerade weil das Buch den Anspruch hat, nicht nur für Fachleute, sondern vor allem für alle Eltern geeignet zu sein. Auch frage ich mich, ob dieser Anspruch (für alle Eltern geeignet zu sein) nicht an Grenzen stößt, da es um die Anwendung verhaltenstherapeutischer Vorgehensweisen geht. Auch in diesem Punkt kann ich mir schwer vorstellen, dass das notwendige umfangreiche Wissen in sehr kurzer Zeit so erlernt werden kann, damit es den Familienalltag erfolgreich entlastet und nicht überfordert.
Bedauerlich ist, dass der dritte Teil (Elternbuch) nicht gesondert gekauft werden kann. So wie es jetzt ist sind Eltern gezwungen, das vorliegende Buch zu kaufen. Hier möchte ich anregen, das Elternbuch gesondert herauszugeben, was dann auch sicher die Anschaffungskosten von 40? reduzieren würde.
Fazit
Bei dem hier vorgelegten Buch handelt es sich um ein modular aufgebautes Trainingsprogramm, um Eltern dabei zu unterstützen mit den Herausforderungen des Kindes mit einer Autismus Spektrum Störung zu Recht zu kommen. Es will Eltern das notwendige Handwerkszeug geben, damit sie ihren Kindern frühzeitig Unterstützung und Hilfe anbieten können. Das Buch ist in Teil eins und zwei ein Manual für Theraput*innen und Fachkräfte, die ein Training für Eltern von Kindern mit Autismus-Spektrum Störung durchführen wollen, Teil drei beinhaltet das Elternbuch. Die einzelnen Sitzungen sind dezidiert beschrieben. Auffallend ist, dass der Sprachstil des Buches sich eher an Fachleute als an Eltern richtet. Kritisch bewerte ich auch, dass Eltern angeregt werden, verhaltenstherapeutisch zu arbeiten. Ich denke die Zeit eines Elterntrainings mit acht Sitzungen im Umfang von 90 Minuten ist zu knapp bemessen, um verhaltenstherapeutische Prinzipien so zu erlernen und zu üben, dass sie erfolgreich einsetzbar sind. Dieses formulierte Ziel scheint mir zu anspruchsvoll zu sein. Grundsätzlich ist es sehr zu begrüßen, dass ein derartiges Manual entwickelt wurde, da Eltern Unterstützung brauchen, denn ihre Belastung in der Erziehung und Begleitung von Kindern aus dem Autismus-Spektrum kann eine Herausforderung sein, die nicht zu unterschätzen ist.
Rezension von
Dipl.-Päd. Petra Steinborn
Tätig im Personal- und Qualitätsmanagement in einer großen Ev. Stiftung in Hamburg-Horn. Freiberuflich in eigener Praxis (Heilpraktikerin für Psychotherapie). Leitung von ABC Autismus (Akademie-Beratung-Coaching), Schwerpunkte: Autismus, TEACCH, herausforderndes Verhalten, Strategien der Deeskalation (systemisch), erworbene Hirnschädigungen
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Zitiervorschlag
Petra Steinborn. Rezension vom 20.01.2016 zu:
Bettina Brehm, Judith E. Schill, Monica Biscaldi, Christian Fleischhaker: FETASS - Freiburger Elterntraining für Autismus-Spektrum-Störungen. Springer
(Berlin) 2015.
ISBN 978-3-662-46187-7.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/19260.php, Datum des Zugriffs 24.01.2025.
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