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Wilfried Huck: Wahnsinnig jung

Rezensiert von Prof. Dr. Michael Domes, 10.08.2015

Cover Wilfried Huck: Wahnsinnig jung ISBN 978-3-88414-627-9

Wilfried Huck: Wahnsinnig jung. Junge Erwachsene zwischen Pädagogik und Psychiatrie. Psychiatrie Verlag GmbH (Köln) 2015. 222 Seiten. ISBN 978-3-88414-627-9. D: 29,95 EUR, A: 30,90 EUR, CH: 40,90 sFr.
Inklusive Downloadmaterial.

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Thema

Junge Erwachsene sind mit einer sich schnell und stetig veränderten Lebenswelt konfrontiert, die es ihnen mitunter erschwert, alterstypische Entwicklungsaufgaben und alltägliche Lebensanforderungen zu bewältigen. Gelingt diese Bewältigung nicht, kann es zur Entwicklung von psychischen Auffälligkeiten und zur Entstehung von psychischen Erkrankungen kommen. In den letzten Jahrzehnten ist ein Wandel des Krankheitsspektrums festzustellen („neue Morbidität“). Chronische und psychische Erkrankungen treten in den Vordergrund, bestehen häufig bis ins Erwachsenenalter fort und sind mit umfassenden bio-psycho-sozialen Beeinträchtigungen verbunden (Vgl. Robert Koch-Institut 2014), die ein Eingreifen der Psychiatrie und/oder Jugendhilfe erfordern können. Beide Arbeitsfelder sind herausgefordert, (neue) Konzepte für die Behandlung, Betreuung und Begleitung der „Jungen Wilden“ zu entwickeln.

Autor

Dr. Wilfried Huck (seit 2013 berentet) ist Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Familien- und Traumatherapeut. Er ist als Honorarkraft an der LWL-Klinik für Erwachsenenpsychiatrie in Gütersloh tätig, sowie am Aufbau eines Zentrums für Familienmedizin beteiligt.

Entstehungshintergrund

Das Buch orientiert sich an Erfahrungen des Autors aus Fortbildungen, Supervisionen und Gesprächen mit KollegInnen. Es nimmt die Versorgungssituation junger Erwachsener mit psychischen Erkrankungen an den Schnittstellen Jugend-/Erwachsenenpsychiatrie und Jugendhilfe in den Blick. Ausgehend von der langjährigen beruflichen Erfahrung des Autors sollen Handlungsmöglichkeiten für die Alltagspraxis aufgezeigt werden. Lösungsorientierte und vernetzte Behandlungsmöglichkeiten sollen Fachkräften aller in den beteiligten Arbeitsfeldern tätigen Professionen zu einem Um- und Nachdenken über den Tellerrand ihrer Disziplin anregen oder wie es im Klappentext heißt: Für mehr Pädagogik in der Psychiatrie.

Aufbau

Das Buch ist in acht inhaltliche Kapitel gegliedert. Diese werden von einem Vorwort und einem Ausblick auf bestehende Herausforderungen in der Arbeit mit psychisch erkrankten jungen Erwachsenen umrahmt. Zu den einzelnen Kapiteln gibt es jeweils noch zusätzliche Downloadmaterialien, die am Ende des Buches aufgelistet werden. Ein Literaturverzeichnis schließt das Buch ab.

  1. Einführung
  2. Die Situation junger Erwachsener in der Psychiatrie
  3. Zentrale Aufgaben der Psychiatrie bei der Versorgung junger Erwachsener
  4. Case- und Caremanagement
  5. Besondere Phänomene und Krankheitsbilder bei jungen Erwachsenen
  6. Vielversprechende Behandlungsansätze
  7. Teilhabe an Bildung und Beruf
  8. Bausteine für eine gelingende Vernetzung der Versorgungssysteme

Inhalt

Kapitel 1 Einführung geht auf die heutige Lebenssituation junger Erwachsener ein. Der zunehmend mehr Beachtung findende Ansatz der „Emerging Adulthood“ von Arnett (2004) wird kurz skizziert. Nach Arnett umfasst dieser Lebensabschnitt (18-25 Jahre) 5 Phasen: Exploration von Identität, Instabilität, Selbstfokus, „In-between-Sein“, Glauben. Darauf aufbauend werden verschiedene Hürden, die für die Identitätsbildung junger Erwachsener relevant sind, erläutert: Eintritt in den Beruf, Loslösung von der Familie, Wohnungslosigkeit, Bedeutung und Gefahr sozialer Netzwerke, Konsumzwänge, Genderproblematik, Homo-/Bi-/Transsexualität und neue Formen der Partnerwahl. Diese werden dann in Bezug gesetzt zu Kennzeichen einer adäquaten Reifeentwicklung. Der Autor gibt Hinweise, über welche Fragen Fachkräfte die Thematik Reifestatus in Gesprächen explorieren können. Im Folgenden wird auf das Konzept der Entwicklungsaufgaben nach Havighurst (1953), wie auch der Konkretisierung auf junge Erwachsene nach Seiffge-Krenke & Gelhaar (2006) Bezug genommen. Das Kapitel schließt mit einem Abschnitt zur Frage „Wer und was will ich sein?“. Der Autor plädiert dafür, gemeinsam mit jungen Erwachsenen ein „Lifestyle-Konzept“ zu erarbeiten, das die je persönliche Identitätsfindung und -bildung in den Blick nimmt. Auch hier erhält der Leser/die Leserin Fragen zur Identitätsbildung und -arbeit, die in Gesprächen mit jungen Erwachsenen einbezogen werden können.

Kapitel 2 skizziert sehr knapp die Situation junger Erwachsener in der Psychiatrie. Zu Beginn kritisiert Huck, dass es trotz einer steigenden Anzahl junger Erwachsener in der Psychiatrie erst wenige realisierte Konzepte einer bedürfnisangepassten Behandlung, die den Betroffenen Wegbegleiter zur Seite stellt, gibt. Dies führt dazu, dass ihnen Ressourcen für anstehende Entwicklungsaufgaben nicht ausreichend zur Verfügung stehen. Er geht dann auf den Wandel von Krankheitsbildern ein und erläutert hierzu knapp die Neuerungen des DSM-V, auch hinsichtlich seiner Kritikpunkte. Ein Blick auf den aktuellen Stand der Versorgung in Psychiatrie und Jugendhilfe (nach Huck fehlende Spezialisierung psychiatrischer Institutionen auf junge Erwachsene, nicht ausreichende Vernetzung, verkürzte Behandlungsdauer) beschließt das Kapitel.

In Kapitel 3 werden folgende zentrale Aufgaben der Psychiatrie bei der Versorgung junger Erwachsener dargestellt: Nachreifung/Autonomieförderung, therapeutische/pädagogische Massnahmen, Wert der Gruppenarbeit und Umgang mit Medikamenten. Zu Beginn geht der Autor der Frage nach, wie Fachkräfte einen adäquaten Nachreifungsprozess ihrer Patienten/Klienten im Spannungsfeld Kontrolle-Autonomie fördern können. Hierzu erhält der Leser/die Leserin wiederum Fragen zur Selbständigkeit und Selbstbestimmung, die in Gesprächen jungen Erwachsenen neue Perspektiven eröffnen können. Daraufhin erfolgt ein Bezug zur Identitätsarbeit mit entsprechenden Fragen zur Sexualität und der Verknüpfung mit Kennzeichen für sozial kompetentes Verhalten nach Keupp (2004).In einem nächsten Schritt werden verschiedene therapeutische und pädagogische Massnahmen, die Anregungen für eine Problembearbeitung und Nachreifung geben, erläutert: Skills- und Kompetenztraining, Selbstmanagementtraining, Achtsamkeitstraining, Metakognitives Training und Fit for Life-Training. Fallbeispiele und konkrete Übungen ergänzen jeweils die theoretischen Ausführungen. Sodann erfolgt ein kurzer Exkurs zur Gruppenarbeit als Trainingsfeld für das Einüben unterschiedlicher Skills. Die Gruppe hat nach Huck auch die Funktion eines geschützten/schützenden Raums, in dem eigene Erfahrungen (gemeinsam) vertrauensvoll geteilt werden und über die Reflexion des bisherigen Lifestyle-Konzepts neue Ressourcen und Kompetenzen erworben werden können. Ausführungen zum Umgang mit Medikamenten schließen das Kapitel ab. Sehr knapp werden die unterschiedlichen Medikamentengruppen und ihre möglichen Nebenwirkungen skizziert, eine im Vergleich ausführlichere Darstellung erfolgt bezüglich der Gefahren von Neuroleptika. Wichtig ist für den Autor, junge Erwachsene von Beginn an in die medikamentöse Behandlung einzubeziehen, sowie Bedenken, Ängste und Widerstände konstruktiv Ernst zu nehmen. Hierzu erhält der Leser/die Leserin entsprechende Fragen zur Einnahme von Psychopharmaka, die in die Praxis der therapeutisch-pädagogischen Arbeit Eingang finden können. Eine kurze Erläuterung von unterstützenden Maßnahmen und Alternativkonzepten beenden das Kapitel.

Kapitel 4 Case- und Caremanagement ist das umfangreichste des Buches und hebt die Bedeutung eines gut vernetzten Versorgungssystems, das über die sinnvolle Kooperation der beteiligten Helfersysteme eine individuelle und bedürfnisorientierte Unterstützung gewährleisten kann, hervor. Die Ausführungen werden durchgehend durch Fallbeispiele veranschaulicht. Zu Beginn erfolgt ein Exkurs zum multiprofessionellen Behandlungsteam mit entsprechenden Verweisen auf Inhalte eines nützlichen pädagogischen Konzepts. Der Autor fordert einen Shift von psychiatrischer Pflege zu psychiatrischer Pädagogik. Eine klare und von Sympathie getragene und stärkenorientierte Grundhaltung, die einem Team einen Zugang zu jungen Erwachsenen erleichtert und ermöglicht, ist für ihn zentral für die Gesundung der Betroffenen. Bereits im Erstkontakt sollten Fähigkeiten und Stärken, zum Beispiel über einen „Ressourcenrucksack“ erfasst werden, um gemeinsam Therapie-/Behandlungsziele entwickeln zu können. Hierbei ist ein partnerschaftlicher Dialog anzustreben, in dem auch (scheinbares) Desinteresse an der Behandlung thematisiert werden sollte. Huck geht deshalb ausführlicher auf unterschiedliche Motivationsstrategien und -techniken ein. Ergänzt wird dies wieder durch Fragen zu Bewältigungsstrategien, (negativen) Grundhaltungen, zur Lebensgeschichte und zum Entscheidungsprozess. Es erfolgt ein erneuter Exkurs, diesmal zum richtigen Einsatz von Sanktionen und Belohnungen, der durch Fragen für Drehtürpatienten ergänzt wird. Anschließend erläutert der Autor auf Basis einer systemischen Sichtweise die Bedeutung der Einbeziehung von relevanten Bezugspersonen, die durch einen Exkurs zum Ablauf von Familiengesprächen eine praktische Konkretisierung erfährt. Im nächsten Teil des Kapitels geht Huck auf den Umgang mit Krisen (selbstverletztendes Verhalten und Suizidalität) ein und schließt das Kapitel mit Ausführungen zum richtigen Setting, der Nachsorge und einem Exkurs zum Rückfallmanagement mit Bezug zur Psychoedukation ab.

In Kapitel 5 werden besondere Phänomene und Krankheitsbilder bei jungen Erwachsenen erläutert. Der Autor beschreibt folgende Phänomene/Krankheitsbilder ausführlicher: Bindungsstörungen, Medienkonsum und Mediensucht, Stalking, Drogenkonsum und Neuro-Enhancement. Die Ausführungen werden wieder durch entsprechende Fallbeispiele, Check- und Fragelisten für Fachkräfte in der Praxis ergänzt.

Kapitel 6 stellt vielversprechende Behandlungsansätze vor. Das Safewards-Modell basiert auf dem Konzept der Milieugestaltung und versucht, durch gezielte Interventionen konfliktauslösende Faktoren zu reduzieren. Dabei wird der Fokus nicht nur einseitig auf die Betroffenen gerichtet, sondern auf die dem Konflikt (Gewalt, Aggression, Grenzüberschreitung, Substanzmissbrauch, Behandlungsabbruch) zugrundeliegende Interaktion. Das Modell beschreibt 10 hilfreiche Interventionen: gegenseitige Erwartungsklärung, verständliche und verständnisvolle Kommunikation, deeskalierende Gesprächsführung, positive Kommunikation, Beistand nach unerfreulichen Nachrichten, gegenseitiges Kennenlernen, Förderung gemeinsamer Unterstützung, Methoden zur Beruhigung, Sicherheit bieten und Entlassungsnachricht. Sehr kurz werden systemtherapeutische Methoden in der Akutversorgung, Mediation, die Mentalisierungsbasierte Psychotherapie und die Einbeziehung eines Reflecting Teams skizziert. Etwas ausführlicher wird das skandinavische Behandlungsmodell des Need-Adapted Treatments (Seikkula et al. 2006), das in Deutschland durch u.a. Aderhold et al. (2003) Eingang in den Fachdiskurs gefunden hat, dargestellt. Ein Kernelement des Modells ist der offene Dialog, der von allen Beteiligten eine gemeinsame Verantwortung und gegenseitiges Verständnis fordert, mit dem Ziel eine bedürfnisangepasste Behandlung zu realisieren. Am ausführlichsten erläutert der Autor traumatherapeutische und -pädagogische Ansätze. Er weist auf die Notwendigkeit entsprechenden Fachwissens auf Seiten der Fachkräfte hin, um ausreichend sensibilisiert für die besondere Situation traumatisierter junger Erwachsener zu sein, wie auch adäquat therapeutisch wie pädagogisch handeln zu können. Dabei plädiert er generell für die positive Wirkung einer traumapädagogischen Grundhaltung. Nach der Schilderung der Kernsymptomatik einer Posttraumatischen Belastungsstörung und ihren Folgen, wird das Drei-Phasen-Modell der Traumatherapie nach Reddemann (2011) (Stabilisierung – Konfrontation – Integration) erläutert. Ein Exkurs zum Umgang mit migrationsspezifischen Problemen rundet das Kapitel ab.

Kapitel 7 Teilhabe an Bildung und Beruf skizziert knapp die Notwendigkeit der Zusammenarbeit von Psychiatrie und Jobcentern, sowie Hilfsangebote für junge Erwachsene.

In Kapitel 8 führt der Autor Bausteine für eine gelingende Vernetzung der Versorgungssysteme auf: sektorenübergreifende ambulante und stationäre Angebote (gemeindepsychiatrische Verbünde), multiprofessionelle Kooperationen, integrative Budgets und Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen (Inklusion). In diesem Kontext geht er auf die positiven Potentiale von Verselbständigungsgruppen in der Jugendhilfe ein. Er plädiert für eine Bündelung psychiatrischen und sozialpädagogischen Wissens, um segmentäre und unterschiedliche Herangehensweisen der beteiligten Hilfesysteme zu überwinden. Er hebt hierbei nochmals die Bedeutung kooperativer Strukturen hervor: „Entscheidend ist die Haltung, in der dieser Prozess geschieht: kooperativ und nicht konfrontativ.“ (S. 204)

Diskussion

Im Klappentext des Buches heißt es: „Wer sich der Herausforderung stellen und lösungsorientierte, vernetzte Behandlungskonzepte für psychisch erkrankte junge Erwachsene nutzen und entwickeln will, findet in diesem multiprofessionellen und diagnosenübergreifenden Buch das nötige Fachwissen“. Der Rezensent stimmt dieser Aussage insoweit zu, wenn der Begriff Fachwissen durch „Orientierungs- und Anregungswissen“ erweitert wird. Was Huck gelingt, ist, einen Bogen zu spannen über das umfassende Feld der Behandlung und Betreuung junger Erwachsener mit einer psychischen Erkrankung und in diesem Kontext relevanter Bezugspunkte. Er überschreitet dabei Disziplingrenzen, integriert Erkenntnisse/Wissensbestände aus Psychologie, Psychiatrie, Soziologie und Pädagogik und hebt sich damit positiv von anderen Publikationen ab. Auch der durchgehende Einsatz von Fallbeispielen, wie auch der Fragen und Bildkarten, die Fachkräfte in Gesprächen mit jungen Erwachsenen einsetzen können, trägt zur Praxistauglichkeit und Verständlichkeit wesentlich bei. Zudem ist die gesamte Publikation von einer lösungs- und ressourcenorientierten Grundhaltung geprägt. Junge Erwachsene werden mit ihren (Entwicklungs-)Möglichkeiten und nicht nur mit ihren Störungsbildern und Defiziten in den Blick genommen. Diese (beziehungsorientierte) Haltung ermöglicht Fachkräften unterschiedlicher Professionen neue Perspektiven und Reflexionspotentiale ihres beruflichen Handelns. Die immense Vielfalt der Inhalte bietet Fachkräften aller beteiligten Arbeitsfelder vielfältige Anregungen.

Zugleich bleiben viele Inhalte aufgrund der Kürze der Darstellung (notwendigerweise) an der Oberfläche. So fallen manche (Teil-)Kapitel, wie zum Beispiel „Aktueller Stand der Versorgung“, „Vom Wert der Gruppenarbeit oder Systemtherapeutische Methoden“ extrem kurz aus, so dass eine fundierte Darstellung der Inhalte an dieser Stelle nur schwer möglich ist. Manche Fachbegriffe, -modelle oder -theorien werden nicht ausreichend in der Tiefe und Breite dargestellt, so zum Beispiel „Case- und Caremanagement“ (Vgl. hierzu Wendt 2014; Ehlers & Boer 2013). Ein Hinweis auf weiterführende Literatur am Ende jedes Kapitels hätte hier für einen Ausgleich sorgen können. Auch hätte der Exkurs „Der richtige Einsatz von Sanktionen und Belohnungen“ aus Sicht des Rezensenten besser von Konsequenzen gesprochen, wenn man sich einer systemisch-lösungsorientierten Sichtweise verpflichtet fühlt. Die Frage ist allerdings, ob dies auch das Anliegen des Autors war. Das Buch verfolgt eine wechselseitige Öffnung von Pädagogik/Sozialer Arbeit und Psychiatrie, respektive psychiatrischer Institutionen und Einrichtungen der Jugendhilfe. Huck hat kein Lehrbuch konzipiert. Würde man dieses Anliegen konsequent verfolgen, hätte die Publikation schnell einen Umfang von 400 Seiten oder mehr. Das Anliegen des Buches erfordert, eine Auswahl möglicher Inhalte zu treffen. Über Inhalte und deren Notwendigkeit lässt sich natürlich streiten. Der Rezensent hätte sich bei der das Buch tragenden Grundhaltung durchaus einen deutlicheren Einbezug oder Hinweis auf Ansätze/Modelle/Theorien wie Resilienz (z.B. Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse 2014) und Empowerment (z.B. Knuf 2013) oder innovative Ansätze, wie zum Beispiel Recovery (Amering & Schmolke 2012; Burr et al. 2013), gewünscht.

Fazit

Trotz dieser inhaltlichen Schwächen hebt sich das Buch positiv von anderen Publikationen ab. Insbesondere für PraktikerInnen (in multiprofessionellen Teams) bietet das Buch von Huck zahlreiche Anknüpfungspunkte und auch wertvolle Praxistipps. Dazu tragen auch die Downloadmaterialien bei, durch die die Inhalte Eingang in die praktische Arbeit mit jungen Erwachsenen oder auch in Teambesprechungen finden können. Das Buch kann PraktikerInnen neugierig machen, über ihren Tellerrand hinaus zu schauen oder bisherige Arbeitsroutinen zu verlassen. Durch das Literaturverzeichnis am Ende des Buches besteht zudem die Möglichkeit, sich bei Bedarf spezifischer mit einzelnen Aspekten auseinanderzusetzen. Auch Auszubildende (z.B. Jugend- und HeimerzieherInnen) und Studierende können von diesem Buch profitieren. Hier empfiehlt der Rezensent aber den Einsatz erst in einer späteren Ausbildungs- oder Studiumsphase, da das vernetzte Denken/der integrative Anspruch des Buchs ein entsprechendes Vorwissen voraussetzen. Ist dies gegeben, ermöglicht das Buch Auszubildenden und Studierenden eine „ganzheitliche“ Sichtweise auf junge Erwachsene mit einer psychischen Erkrankung. Im Fokus stehen die jungen Erwachsenen und deren Gesundung und nicht solitär die Inhalte einer bestimmten Disziplin.

Weiterführende Literatur

  • Amering, M. & Schmolke, M. (2012): Recovery. Das Ende der Unheilbarkeit, 5., überarb.
  • Auflage, Bonn: Psychiatrie Verlag
  • Burr, C. & Schulz, M. & Winter, A. & Zuaboni, G. (Hrsg.) (2013): Recovery in der Praxis. Voraussetzungen, Interventionen, Projekte, Köln: Psychiatrie Verlag
  • Ehlers, C. & Broer, W. (Hrsg.) (2013): Case Management in der Sozialen Arbeit, Opladen: Budrich
  • Fröhlich-Gildhoff, K. & Rönnau-Böse, M. (2014): Resilienz, 3. aktual. Auflage, München: Reinhardt/UTB
  • Knuf, A. (2013): Empowerment in der psychiatrischen Arbeit, 4., korr. Auflage, Bonn: Psychiatrie Verlag
  • Robert Koch-Institut (Hrsg.) (2014) Psychische Auffälligkeiten. Faktenblatt zu KiGGS Welle 1: Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Erste Folgebefragung 2009 – 2012. RKI, Berlin
  • Wendt, W. R. (2014): Case Management im Sozial- und Gesundheitswesen. Eine Einführung, 6., aktual. Auflage, Freiburg: Lambertus

Rezension von
Prof. Dr. Michael Domes
Diplom-Sozialpädagoge, Professor für Theorien und Handlungslehre in der Sozialen Arbeit, TH Nürnberg Georg Simon Ohm
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Es gibt 19 Rezensionen von Michael Domes.

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ISSN 2190-9245