Brigitta K. Pfäffli: Lehren an Hochschulen
Rezensiert von Dr. Julia Weitzel, 30.06.2016

Brigitta K. Pfäffli: Lehren an Hochschulen. Eine Hochschuldidaktik für den Aufbau von Wissen und Kompetenzen. Haupt Verlag (Bern Stuttgart Wien) 2015. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. 358 Seiten. ISBN 978-3-8252-4325-8. D: 24,99 EUR, A: 25,70 EUR, CH: 34,70 sFr.
Autorin
Brigitta K. Pfäffli, Dr., Prof. FH, ist an verschiedenen angewandten Hochschulen und weiteren Bildungsinstitutionen der Schweiz und im Ausland lehrend und beratend tätig. Sie leitete zwischen 1998 und 2010 die Fachstelle für Hochschuldidaktik der Hochschule Luzern. Frau Pfäffli wurde mit der Studie „Didaktische Weiterbildung der Dozierenden an Fachhochschulen“ in Bern promoviert (veröffentlicht Rüegger, 2000).
Aufbau und Inhalt
Das Buch ist in vier Oberkapitel gegliedert, die sich erstens mit den Kontexten hochschulischer Lehre, zweiten deren Leitlinien, drittens der konkreten Planung von Veranstaltung und viertens der Ausgestaltung von Lernprozessen befassen.
Unter Kontexte (Kap. 1) wird in Lern-/Lehrkonzepte eingeführt, der Leistungsauftrag von Hochschulen hinsichtlich beruflicher Anforderungsprofile reflektiert sowie die Motivationslage von Studierenden erörtert.
Das zweite Kapitel fokussiert als hochschuldidaktische Leitlinien ausführlich die Orientierung an Praxis und Wissen sowie an (Richt-/Grob- und Fein-)Zielen und hebt die Relevanz geteilter Verantwortung zwischen Lehrenden und Lernenden für einen gelingenden Lehr-/Lernprozess hervor.
Kapitel 3 erörtert die Entwicklung und Planung von Lehrveranstaltungen einschließlich erforderlicher Planungsschritte für eine professionalisierte Lehre (mit Planungsschemata).
Die konkrete Gestaltung von Lernprozessen wird in Kapitel 4 aufgegriffen. Als Basis hiervon wird ein produktives Arbeitsverhältnis zwischen Lehrenden und Lernen sowie die Prämissen einer wissens- und kompetenzorientierten Didaktik verstanden. Ferner werden darunter die Begleitung und Beratung von Studierenden, Prüfen, Visualisierung, E-Learning und Didaktik großer Veranstaltungen subsumiert.
Das Buch schließt mit einem Glossar und einem umfangreichen Literaturverzeichnis. Jedes Kapitel inkludiert gezielte Leseempfehlungen.
Diskussion
Das Buch gibt einen sehr guten Überblick zu den grundlegenden Anliegen und Fragestellungen der Hochschuldidaktik, wie die Planung und die methodische Umsetzung von Lehrveranstaltungen und ermöglicht eine Verortung der Hochschullehre als besonders Format der Erwachsenenbildung mit spezifischem Anforderungsprofil und Lehrkontext. Die Ausführungen sind getragen von anschaulichen Praxisbeispielen, weiterführenden Literaturhinweisen und wissenschaftlicher Genauigkeit.
Hochschullehre wird insbesondere als Befähigung zu eigenverantwortlichem und selbst gesteuertem Lernen und Arbeiten im Modus aktivierender Didaktik verstanden. Diesen Aspekt hochschulischer Lehre starkzumachen, ist ebenso gelungen wie die Betonung der geteilten Verantwortung von Lehrenden und Lernenden für den Erfolg der gemeinsamen Veranstaltung. Pfäffli schreibt dazu: „Eigenverantwortliches Lernen heißt, sich selbst Lehrerin oder Lehrer zu sein. Wenn Dozierende umfassende Lehraktivitäten wahrnehmen und verantworten, ist das Lernen aus Sicht der Studierenden mehr fremdgesteuert. Liegt die Verantwortung eher bei den Studierenden, so handelt es sich um mehr selbstgesteuertes Lernen. Es ist für alle Beteiligten herausfordernd, die richtige Balance zwischen selbst- und fremdgesteuerten Lernen zu finden.“ (S. 103) Von dieser Prämisse ausgehend, werden wiederkehrend die Fragen reflektiert, welche Art der Begleitung selbstgesteuertes Lernen benötigt und welche Aufgaben den Lehrenden dann zu kommt (exemplarisch S. 104ff). Eine besondere – und hier nicht erwähnte – Bedeutung kommt dabei der Statuspassage zwischen Schule und Hochschule und dem erforderlichen Rollenwechsel von Schülerinnen und Schüler zu Studierenden zu.
Das Buch fokussiert die „praxisbezogene Lehre“ (S. 49) und „die Ausbildung professioneller Praktikerinnen und Praktiker“ (S. 60) an angewandten Hochschulen (bzw. in der Schweiz Fachhochschulen). So wird im Vorwort auch explizit die Fachhochschule benannt („In der Welt der Fachhochschulen hat sich in den vergangenen zehn Jahren vieles gewandelt …,“ S. 11). Im Titel und im Inhaltsverzeichnis ist dies allerdings nicht auf ersten Blick ersichtlich, schließlich subsumiert der Begriff Hochschule, Hochschulen für angewandte Wissenschaft und Universitäten gleichermaßen. Während beispielsweise Planungsschritte oder einige der vorgeschlagenen Methoden ebenfalls für die universitäre Lehre zutreffen, fehlen für diese einige Spezialisierungen. Was macht ein Seminar zu einem wissenschaftlichen Seminar? Welche Bedeutung kommt Humboldts Ideal der Einheit von Forschung und Lehre ganz praktisch zu? Wie können Studierende beim Einüben wissenschaftlichen Lesens und Arbeitens unterstützt werden? Warum ist Forschendes Lernen für Universitäten so interessant und wie lässt sich das umsetzen?
Für den wissenschaftlichen Nachwuchs, der die hochschuldidaktische Weiterbildung auch im Zuge ihre Qualifizierungsabsichten und im Kontext laufender Bewerbungsverfahren besucht, wäre zudem ein Hinweis auf das Format und die Funktion von Lehrportfolios sinnvoll.
Ergänzend zu den Hinweisen zur Begleitung und Beratung von Studierenden (Kap. 17) seien die Forschungen von Dorothea Meer zur Sprechstundengestaltung an Universitäten genannt. Ableitend von empirischem Datenmaterial reflektiert Meer Empfehlungen speziell für das Setting Sprechstunde.
Das Buch ist sehr gut zum Selbststudium geeignet. Es ersetzt allerdings nicht – wie jede andere Veröffentlichung zu diesem Thema auch – den kollegialen Austausch unter Lehrenden, der die Rollenfindung vorantreibt und überhaupt erst die Thematisierung konkreter Herausforderungen in der Lehre, wie den Umgang mit Störungen oder anderen Fragestellungen aus dem Lehralltag ermöglicht. Zum Beispiel: Wie gehe ich mit verstrichenen Abgabefristen oder „Notenverhandlungen“ um? Wie reagiere ich gerade als Junglehrende auf Frage, die ich nicht prompt beantworten kann? Usw.
Eine Freude – bei dem insgesamt sehr gut geschriebenen Buch – ist die geschlechtergerechte Sprache, Leserinnen und Leser sind gleichermaßen angesprochen sowie die wissenschaftliche Genauigkeit des Lehrbuches, die Argumentation und die Referenzen sind für die_den interessierte_n Lesenden gut nachvollziehbar.
Layout
Das Buch ist durch orientierende Zwischenüberschriften, tabellarische Zusammenstellungen, Übersichten und Zusammenfassung sehr übersichtlich aufgebaut. Damit richtet es sich auch an schnelle Lesende, die sich einen prompten und leichten Zugang zum Thema wünschen.
Fazit
Ein wissenschaftlich fundiertes Lehrbuch für Nachwuchslehrende sowie erfahrende Lehrende, die sich entweder einen Einstieg in die Hochschuldidaktik wünschen oder einen gezielten Impuls zu ausgewählten Themenbereichen. Ein gelungener Beitrag zur Professionalisierung der Hochschullehre im Selbststudium insbesondere für die Lehre an angewandten Hochschulen.
Rezension von
Dr. Julia Weitzel
Erziehungswissenschaftlerin, DGfC-Coach, Hochschuldidaktikerin (dghd)
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