Gisela Notz (Hrsg.): Kalender 2016 : Wegbereiterinnen XIV
Rezensiert von Prof. Dr. Oja Ploil, 30.09.2015
Gisela Notz (Hrsg.): Kalender 2016 : Wegbereiterinnen XIV. AG SPAK Bücher (Neu Ulm) 2015. 12 Seiten. ISBN 978-3-940865-20-5. D: 14,50 EUR, A: 14,50 EUR, CH: 18,00 sFr.
Thema
Seit 2004 erscheint der Kalender Wegbereiterinnen. Mit dieser Kontinuität sticht er aus den Bemühungen um eine Geschichte der Frauen heraus. Der Kalender ist konzipiert und herausgegeben von Dr. Gisela Notz, Historikerin und Sozialwissenschaftlerin, Berlin.
Herausgeberin
Die Herausgeberin Gisela Notz studierte der Industriesoziologie, Arbeitspsychologie und Erwachsenenbildung in Berlin und promovierte an der TU Berlin. Von 1983 bis 1998 war sie Redakteurin der Zeitschrift „Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis“. Bekannt ist auch Ihr Buch Feminismus aus dem Jahr 2011 erschienen im PapyRossa Verlag (Köln),in dem Sie sich ebenfalls intensiv mit den historischen Entwicklungslinien des Feminismus beschäftigt. Seit 2008 ist sie Redakteurin der Zeitschrift lunapark21. Ihre Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte sind Arbeitsmarkt-, Familien- und Sozialpolitik, Alternative Ökonomie sowie die historische Frauenforschung. Gisela Notz war von 2004 bis 2010 Bundesvorsitzende von pro familia.
Entstehungshintergrund
Mit Beginn der zweiten Frauenbewegung begannen Frauen sich auf die Spuren von Vorbildern / Wegbereiterinnen zu machen. Bereits in den „Beiträgen zur feministischen Theorie und Praxis“ gab es Artikel über Pionierinnen der Frauenbewegung. An diese Tradition schließt der Kalender an.
Aufbau
In jedem Monat wird eine Frau vorgestellt. Fotographien oder Bilder der beschriebenen Person bilden gemeinsam mit einem kurzen Text ein Kalenderblatt. Am Ende des Kalenders werden Bücher zu den vorgestellten Frauen aufgelistet, so dass interessierte Personen weiterlesen können. Insgesamt sind es zwölf Kalenderblätter. Die Texte auf den einzelnen Kalenderblättern sind unterschiedlich aufgebaut. Der Schwerpunkt liegt aber bei dem Versuch, mit wenigen Worten reiche Biographien zu skizzieren und so ein Bild der Person entstehen zu lassen.
Inhalt
Ziel dieser Kalenderreihe ist es Frauen vorzustellen, die in verschiedenen Zeiten, verschiedenen Ländern und verschiedenen Lebenskontexten Grenzen überwanden, für Frauen- und oder Menschenrechte kämpften, etwas Neues begannen, Mut bewiesen, die Gestaltung Ihres Lebens selbst in die Hand nahmen. Es gelingt der Herausgeberin immer wieder unterschiedlichste AutorInnen für das Projektkalender zu gewinnen. Für den Kalender 2016 schrieben:
- Hella Hertzfeld über Elfriede Brüning (1910 – 2014) Schriftstellerin, in der Nazizeit verfolgt,
- Inga Höfer über Gisèle Freund (1908 – 2000) Kritikerin der Scheinsubjektivität des Mediums,
- Gisela Notz über Therese Giehse (1898 – 1975) Jüdin, Schauspielerin und Mutter Courage,
- Antje Asmus über Jenny Marx (1814 – 1881) Sozialistin mit scharfem, kritischem Verstand,
- Meral Akkent über Nuriye Ulviye Mevlancivelek (1893 – 1964) Gründerin der ersten muslimischen feministischen Frauenzeitschrift im osmanischen Reich,
- Annette Deist über Tina Modotti (1896 – 1942) italienische Schauspielerin, Fotografin und Revolutionärin,
- Robert S. Shelton über Lucy Parsons (1853 – 1942) Anarchistin aus der amerikanischen ArbeiterInnen-Bewegung,
- Johanna Kootz über Rosalia Poropat (1914 – 2007) deportiert als Mitglied der italienischen Partisanenbewegung,
- Jana Haase über Anna Schepeler-Lette (1829 – 1897) Wegbereiterin der Frauenbildungs- und Erwerbsarbeit,
- Bernd F. Gruschwitz über Germaine Tillion (1907 – 2008) Mitglied der ersten Gruppe der Résistance in Paris,
- Brigitte Domurath-Sylvers über Ida Bell Wells-Barnett (1862 – 1931) afroamerikanische Journalistin und Bürger- und Frauenrechtlerin,
- Cornelia Wenzel über Mary Wollstonecraft (1759 – 1797) englische Schriftstellerin, Philosophin und Frauenrechtlerin.
Wie aus der Aufzählung der vorgestellten Frauen sichtbar wird, liegt der Schwerpunkt dieses Kalenders bei Frauen, die in westlich und christlich orientierten Kulturen aufgewachsen sind. Auch wenn viele Anarchistinnen, Kommunistinnen, Jüdinnen dabei sind, die für sich den Anspruch erhoben nicht christlich zu sein, so wuchsen sie doch in diesem Kontext auf und wurden davon geprägt.
Eine erfreuliche Ausnahme ist Nuriye Ulviye Mevlancivelek im Monat Mai. Sie lebte und arbeitete im osmanischen Reich, der heutigen Türkei. Wünschenswert wäre, wenn auch Frauen aus anderen Kontinenten ihren Platz im Kalender finden würden. In einer diversen Gesellschaft könnten diese Frauen in einem neuen Sinne als Vorbilder und Wegbereiterinnen wirken. Im Text des Verlages heißt es: „Diesmal ist er wieder bunt und noch internationaler, als er früher schon war; und er handelt von Frauen, die zwischen den Welten gewandert sind und zeitlebens keine Ruhe geben wollten.“ Vielfältig ist die Auswahl sicherlich und doch ist auffällig, dass fünf der beschriebenen Frauen Opfer des Nationalsozialismus waren. Sie lebten im Exil oder waren in einem Konzentrationslager. Es werden bekannte Frauen wie Therese Giese, Mary Wollstonecraft, Tina Modotto ebenso vorgestellt, wie eher unbekannte Frau wie Lucy Parsons, Rosalia Poropat und Germaine Tillion.
Diskussion
Es scheint der Anspruch des Kalenders zu sein, stets unterschiedlichste Frauen vorzustellen. Dabei gibt es stets Überraschungen und Neuentdeckungen. Die Zielgruppe des Kalenders ist mir nicht klar. Menschen, die schon länger an der Suche nach „Wegbereiterinnen“ und den Diskurs über ihre Bedeutung in ihrer Lebenszeit und für uns heute Lebenden beteiligt sind, sind die biographischen Skizzen zu kurz und oberflächlich, Gleichzeitig ist es aber auch ein Genuss wieder neue Personen zu entdecken und weiterlesen zu können. Für Menschen, die sich noch nie mit der Thematik beschäftigten, sind die Darstellungen eventuell zu sachlich und trocken. Es wird manchmal nicht klar, weshalb eine Frau eine „Wegbereiterin“ gewesen sein soll. Meiner Ansicht wäre es ein Gewinn, wenn diese Frage in jedem Beitrag beantwortet werden würde. Damit gäbe es einen roten Faden der sich durch den Kalender ziehen würde.
Fazit
Auf jeden Fall ist dieser Kalender ein schönes Geschenk, welches eine Anregung bietet auch die Vergangenheit als Anregung anzunehmen. Schön fände ich es, wenn ich diesen Kalender in dem einen oder anderen öffentlichen Raum, an dem ich mich wartend aufhalte, wiederfinden würde. So würden die Lebensleistungen der vorgestellten Frauen vielen Menschen bekannt.
Rezension von
Prof. Dr. Oja Ploil
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Zitiervorschlag
Oja Ploil. Rezension vom 30.09.2015 zu:
Gisela Notz (Hrsg.): Kalender 2016 : Wegbereiterinnen XIV. AG SPAK Bücher
(Neu Ulm) 2015.
ISBN 978-3-940865-20-5.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/19285.php, Datum des Zugriffs 15.01.2025.
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