Christian Stiegler, Patrick Breitenbach et al. (Hrsg.): New Media Culture
Rezensiert von Tine Nowak, Marco Wolf, 25.11.2015

Christian Stiegler, Patrick Breitenbach, Thomas Zorbach (Hrsg.): New Media Culture. Mediale Phänomene der Netzkultur. transcript (Bielefeld) 2015. 299 Seiten. ISBN 978-3-8376-2907-1. D: 29,99 EUR, A: 30,90 EUR, CH: 40,10 sFr.
Thema
Fragen, die in dem Buches thematisiert werden, sind folgende: Was ist die Netzkultur und wie gestaltet sich diese anders als die bisherige? Oder erleben wir eine Hybridisierung kultureller Praxen, die im Analogen ihren Ursprung haben und nun ins Digitale überführt werden?
Entstehungshintergrund und Herausgeber
Die Idee zum Buch ist an der Karlshochschule International University in Karlsruhe entstanden. Es versteht sich als einführendes Buch für Lehrende, Praktiker/innen und Studierende zu medialen Phänomenen der Netzkultur (vgl. S. 9). Alle drei Herausgeber verbindet ihre gemeinsame Tätigkeiten, Projekte oder Lehraufträge an der Karlshochschule.
- Christian Ziegler (Professur für Medienmanagement, Consumer Culture und New Media) forscht u.a. zu Medienmanagement, Medienrezeption und Medienkulturen.
- Patrick Breitenbach (Freiberuflicher Kommunikationsberater sowie Lehrbeauftragter) arbeitet im Bereich E-Commerce und Markeneinführung und lehrt zum Schwerpunkt New Media Culture. Er war weiterhin als Leiter der Hochschulkommunikation für die Karlshochschule tätig.
- Thomas Zorbach ist Geschäftsführer einer Agentur für u.a. virales Marketing und Social Media Management sowie Lehrbeauftragter an der Karlshochschule zu Marketing und New Media Culture.
Aufbau und Inhalt
Der Band vereint 15 verschiedene Beiträge, denen neben dem Vorwort der drei Herausgeber ein einleitender Text zur „Digitalen Medientheorie“ von Christian Stiegler vorangestellt ist.
Der Text „Digitale Medientheorien“ von dem Mitherausgeber kann als Türöffner für das gesamte nachfolgende Buch angesehen werden. Er legt zunächst ein grundlegendes Verständnis darüber, was unter dem Begriff Theorie zu verstehen ist, wie sich Theoriekomplexe konstituieren und welche Voraussetzungen für Theoriebildung notwendig sind. Im letzten Abschnitt stellt er aus seinen angestellten Überlegungen Bezüge zu digitalen Medientheorien her. In prägnanter Form zeigt er, dass Theorie und Praxis wechselseitig ineinander verwoben sind.
Eine Untergliederung der Beiträge in Themenblöcke wurde nicht vorgenommen. Um Leser/innen eine strukturelle Übersicht und leichtere Orientierung zu ermöglichen, beginnen die Texte jeweils mit einer „Einführung“, dann folgen „Theorien und Methoden“, weiterhin werden „Praxisbzüge“ geschildert und es endet mit Gedanken zu möglichen „Entwicklungen und Ausblick“.
Folgende Phänomene der „New Media Culture“ sind in dem Buch thematisiert: Memes, Avatars, Selfies, Linked, Net Smart, Partizipative Kultur, Shitstorms, Netiquette, Always on, Medienrealität(en), Ultra Fandom, Gamification, Transmedia Storytelling, Big Data sowie Mensch-Medien-Hybride.
Exemplarisch werden nachfolgend die ersten fünf Beiträge vorgestellt:
In den ersten beiden Texten geht zunächst Patrick Breitenbach auf den Begriff des „Memes“ und Judith Ackermann auf den Begriff des „Avatars“ ein, welche zwei populäre Phänomene der heutigen Netzkultur darstellen. Anhand einer historischen Einordnung wird gezeigt, welcher Wandlung diese zwei Begriffe obliegen, die ihren Ursprung außerhalb von Online- und Digital-Praxen haben. Breitenbach verortet bei Richard Dawkins den Ursprung des Meme-Begriffs und markiert dessen Überformung als „Internet-Meme“, mit der Funktion eines wiedererkennbaren kulturellen Codes in der Online-Kommunikation. Beim Avatar-Begriff führt Ackermann knapp in den Ursprungs-Bezug der „körperlichen Manifestation eines Gottes im Hinduismus“ (S. 51) ein. Der Text führt in Folge die Konstruktion von Avataren und deren Identifikationsfunktion in digitalen Umgebungen weiter aus.
Christian Stiegler widmet sich in seinem Beitrag „Selfies und Selfie Sticks. Automedialität des digitalen Selbstmanagements“ dem (scheinbar) neuen Phänomen der digitalen Selbstportraits. Er geht zunächst auf die historische Entwicklung von Selbstportraits ein und zeigt, dass die wesentlichen Merkmale des Phänomens sowohl die Teilhabe als auch der Selbstinszenierung gleichermaßen sind.
Ein weiterer dicht geschriebener Beitrag kommt von Jan Hinrik Schmidt und trägt den Titel „Linked – Vom Individuum zur Netzgemeinschaft“. In kurzer, pointierter Form stellt er verschiedene Theorieansätze zu Vergemeinschaftungsprozessen bzw. computervermittler Kommunikation vor. Er arbeitet dabei verschiedene Positionen mediensoziologischer Ansätze wie „Virtual communities“ und „Verwendungsgemeinschaften“ heraus, um sie im nächsten Schritt zu diskutieren. Abschließend macht der Autor seine theoretischen Ausführungen anhand eines Praxisbeispiels der Plattform Twitter deutlich und zeigt, inwieweit sich Menschen bei der Nutzung solcher Formate zwischen individueller Nutzung und Vergemeinschaftung bewegen.
Andreas Dittes geht es in seinem Beitrag zu „Net Smart: Schlüsselfunktionen in einer vernetzten Welt“ um die Frage nach heute benötigter Medienkompetenz, will man sich aufgeklärt und bewusst in der Netzkultur bewegen. Hierzu zieht er die Medienkompetenzmodelle von Dieter Baacke und Howard Rheingold heran und diskutiert die verschiedenen Dimensionen der Modelle, bevor er sie am Beispiel der „Digital Natives“-Debatte diskutiert.
Diskussion
Jeder der Texte funktioniert unabhängig von dem nächsten. Den aufmerksamen Leser/innen erschließt sich zusätzlich der inhaltliche Mehrwert, der durch die logische Verkettung der Beiträge entsteht. Besonders deutlich lässt sich dies an den Texten zu „Partizipativer Kultur“, „Shitstoms“ und „Netiquette“ aufzeigen: Der Text von Christine Weitbrecht zu „Partizipativer Kultur“ erläutert die Beteiligungskultur im Netz. Darauf folgt mit „Shitstorms“ von Jürgen Pfeffer und Thomas Zorbach die Schilderung unerwünschter Beteiligung durch Online-Empörungswellen, eine mögliche Ausprägung der im vorherigen Beitrag geschilderten partizipativen Kultur. In „Netiquette“ antwortet Patrick Breitenbach auf die zwei vorangestellten Texte, indem er die Idee eines Verhaltenskodex für das Miteinander im Internet diskutiert. Gut gelöst ist somit die Herausforderung eines Sammelbandes, dass sich die unterschiedlichen Themen in ihrer Erörterung nicht in einem vereinzelten Nebeneinander verlieren, so dass zuletzt nur der Titel des Buches das Geschriebene zusammenhält.
Wer im kultur-, geistes- oder sozialwissenschaftlichen Bereich eine Einführung in gegenwärtige Medienphänomene sucht, wird mit „New Media Culture“ mehr als fündig. Gleichzeitig bietet das Buch mit einer Vielzahl von Praxisbeispielen nachvollziehbare Darstellungen der beschriebenen Phänomene.
In einzelnen Artikeln wird eine starke theoretische Verkürzung zu Gunsten der Phänomenbeschreibung vorgenommen. Diese vermeintliche Limitation begünstigt mitunter die Verständlichkeit der Inhalte und öffnet das Themenfeld für eine breitere Zielgruppe. Die Texte zu „Memes“ und „Avataren“ markieren exemplarisch die Spannbreite der inhaltlichen Aufbereitung der im Buch vorgestellten Themen. Breitenbach konzentriert sich auf eine ausführliche Beschreibung des Phänomens, die er mit den Primärquellen im Internet, bzw. durch Berichterstattung in Zeitungen belegt. Ackermann versucht in einer Synthese der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur die Perspektiven auf den Avatar-Begriff nachzuzeichnen.
Fazit
Als einführendes Werk in die „New Media Culture“ mit der anvisierten Zielgruppe von Lehrenden, Praktiker/innen und Studierenden ist dieses Werk gelungen. Die klare Struktur der Beiträge eröffnet den Leser/innen einen guten Überblick. Die Texte des Buches sind leicht verständlich und bieten eine Einführung in aktuelle Phänomenfelder der Medienkultur. Insgesamt gelingt es den Autor/innen, die Theorie-Praxis-Verschränkung der gegenwärtigen „New Media Culture“ produktiv zu thematisieren und aufzubrechen.
Rezension von
Tine Nowak
M.A.Studium der Kunstpädagogik mit Schwerpunkt
Neue
Medien.
Seit
2013
als
Wissenschaftliche
Mitarbeiterin
am
Arbeitsbereich
„Allgemeine
Pädagogik
mit
dem
Schwerpunkt
Medienpädagogik“
der
TU
Darmstadt
tätig,
promoviert
zu
eigenproduzierten
Mobilvideos
von
Jugendlichen.
Lehraufträge
an
der
Hochschule
Fulda
(FB
Sozialwesen)
und
Goethe
Universität
Frankfurt (Medienwissenschaft).
Podcastet
unter
www.kulturkapital.org
zu
Kultur,
Medien
und
Bildung
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Marco Wolf
M.A.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich Medienpädagogik der Technischen Universität Darmstadt
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