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Rosine Dombrowski (Hrsg.): Berufswünsche benachteiligter Jugendlicher

Rezensiert von Dipl.-Hdl. Dr. phil. Klaus Halfpap, 03.11.2015

Cover Rosine Dombrowski (Hrsg.): Berufswünsche benachteiligter Jugendlicher ISBN 978-3-7639-1176-9

Rosine Dombrowski (Hrsg.): Berufswünsche benachteiligter Jugendlicher. Die Konkretisierung der Berufsorientierung gegen Ende der Vollzeitschulpflicht. W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG (Bielefeld) 2015. 264 Seiten. ISBN 978-3-7639-1176-9. D: 31,90 EUR, A: 32,80 EUR, CH: 42,90 sFr.

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Thema

Mit dieser Arbeit wird die Berufsorientierung benachteiligter Jugendlicher gegen Ende ihrer Vollzeitschulpflicht konkretisiert: Welchen Einfluss haben Erwartungen, berufliche Motive, familiäre Rahmenbedingungen und schulische Unterstützungsmaßnahmen bei diesem komplexen Prozess, den die Jugendlichen mit Hauptschulabschluss oder ohne schulischen Abschluss erhalten? Werden sie zu den etwa 30 % Schulabgängern gehören, die einen beruflichen Ausbildungsplatz erhalten? Von den Schulabgängern mit so genanntem Mittleren Schulabschluss schaffen es ca. 80 % – so berichtet die Autorin (S. 13). Diese und viele weitere Fragen des aspektreichen Themas über die Berufsfindung Jugendlicher werden aufgearbeitet und weiterer Forschungsbedarf aufgezeigt.

Autorin

Rosine Dombrowski war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Projektgruppe „Nationales Bildungspanel: Berufsbildung und lebenslanges Lernen“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und arbeitet danach in der Senatsverwaltung Berlin.

Entstehungshintergrund

Das Buch basiert auf der Dissertation der Autorin, die im Dezember 2013 an der Freien Universität Berlin im Fachbereich Politik und Sozialwissenschaften eingereicht wurde.

Aufbau

Das Buch ist wie folgt gegliedert:

  1. Einleitung (11 ff.)
  2. Verortung der Fragestellung in der Forschungslandschaft (23 ff.)
  3. Berufswünsche zwischen Selbstverwirklichung und Anpassung: Entwicklung der
    forschungsleitenden Hypothesen (71 ff.)
  4. Daten und Operationalisierung (117 ff.)
  5. Methodisches Design (147 ff.)
  6. Ergebnisse (155 ff.)
  7. Fazit (207 ff.)

Drei Anhänge und ein umfangreiches Literaturverzeichnis.

Inhalt

Im 1. Kapitel werden

  • die Forschungsfrage hergeleitet,
  • die Bedeutung von Berufswünschen mit ihrem zentralen Stellenwert im Lebenslauf
    Jugendlicher herausgearbeitet sowie
  • der Aufbau der Arbeit erläutert.

Ziel des 2. Kapitels „ist es, einen Einstieg in die Thematik der begrenzten beruflichen Optionen benachteiligter Jugendlicher und der damit einhergehenden Herausforderungen generell für ihren Berufsfindungsprozess und speziell für die Entwicklung von Berufswünschen zu liefern sowie einen analytischen Rahmen für die Fragestellung zu entwickeln“ (23). Der lange Prozess der Berufsfindung beginnt bereits in der frühen Kindheit und wird nach einer langen Analyse des Berufsbegriffs im Bildungssystem (28 ff.) sowie der differenzierten „Segmentation des Berufsbildungssystems“ (33 ff.) und der „schulischen Berufsorientierung als institutionelle Unterstützungsstruktur“ (44 ff.) zur eigentlichen „Berufsfindung“ (49 ff.) mit den bisherigen Forschungstraditionen und der ungleichheitssoziologischen Perspektive (53 ff.) zum „Modell des Berufsfindungsprozesses benachteiligter Jugendlicher“ dieser Studie geführt (58 ff.). Viele vorgestellte Ergebnisse bestätigen Alltagswahrnehmungen; so z. B. der Einfluss der Eltern auf den Berufsfindungsprozess (52).

Im 3. Kapitel werden der theoretische Rahmen der Arbeit dargestellt und die forschungsleitenden Hypothesen entwickelt zur

  1. Konkretisierung der Berufsorientierung, nämlich der Selbstwirksamkeitserwartung im Bewerbungsprozess (72 ff.), der differenzierten beruftlichen Interessenprofile (75 ff.), der Unterstützung durch die Eltern bei diesem Berufsfindungsprozess (78 ff.), der Informationsressourcen im sozialen Umfeld (84 ff.) sowie der schulischen Berufsorientierung (86 ff.).
  2. Realisierbarkeit der Berufswünsche zu Beginn des Schuljahres gegen Ende der Vollzeitschulpflicht (90 ff.).
  3. Veränderungen der Berufswünsche im Verlauf dieses Schuljahres (108 ff.).

Der der Analyse zugrunde gelegte Datensatz sowie die Operationalisierung der theoretischen Konstrukte werden im 4. Kapitel dargestellt. Letzgenannte erfolgt äußerst differenziert mit umfassender kritischer Diskussion (124 ff.) der Konkretisierung der Berufsorientierung (1. Schritt), der Realisierbarkeit der Berufswünsche (2. Schritt) und von Veränderungen im 3. Schritt des Berufsfindungsprozesses.

Im 5. Kapitel werden das methodische Vorgehen bei der Hypothesenprüfung und der Umgang mit fehlenden Werten getrennt für die einzelnen Analyseschritte erläutert (150 ff.).

Die Darstellung der Ergebnisse der empirischen Analyse erfolgt im 6. Kapitel. Auf einige wenige wird hier beispielhaft hingewiesen:

  • im ersten Analyseschritt: „Wenn es einen intensiven Austausch über diese Themen in der Familie gibt, stärkt dies die Auseinandersetzung mit dem Thema Berufsfindung und die Handlungsfähigkeit der Jugendlichen“ (168). Welche Berufswünsche haben die Jugendlichen tatsächlich (170 ff.)?
  • im zweiten Analyseschritt: „Viele männlich dominierte Berufe im dualen Ausbildungssystem stehen den jungen Frauen zwar formal offen, sind für sie unter Umständen jedoch faktisch ebenso wenig realisierbar wie Berufe, die einen höheren Bildungsabschluss voraussetzen“ (188). „Extrinsische Berufswahlmotive haben also einen signifikanten, leicht negativen Einfluss auf die Realisierbarkeit der Berufswünsche der Jugendlichen“ (190).
  • im dritten Analyseschritt: Befunde bestätigen, „dass die benachteiligten Schülerinnen geringere Aussichten auf einen Ausbildungsplatz haben als die benachteiligten Schüler“ (198). „Mit dem Näherrücken des Übergangs in der beruflichen Bildung wandeln sich die Berufswünsche und Bewerbungspläne vieler Jugendlicher“ (201).

In einem Befund der Zusammenfassung wird konstatiert: „Die Schülerinnen haben deutlich häufiger einen konkreten Berufswunsch als die Schüler, aber deutlich seltener einen realisierbaren Berufswunsch“ (204).

Kapitel 7 Fazit: Zur Konkretisierung der Berufsorientierung „hat die Alltagsrelevanz des Themas Beruf in der Familie einen verhältnismäßig starken Effekt auf die Konkretisierung ihrer Berufsorientierung“ (211). Hinsichtlich der Realisierbarkeit der Berufswünsche wurde deutlich, „dass junge Frauen mit maximal Hauptschulabschluss im Vergleich zu ihren männlichen peers am Übergang in die berufliche Bildung mit zusätzlichen Schwierigkeiten konfrontiert sind“ (212). Die dargestellte doppelte Belastung der jungen Frauen spricht dafür, „dass sie weiter zur Schule gehen und versuchen werden, (einen) höheren Abschluss zu realisieren“ (217).

Abschließend fasst die Autorin drei typische Verlaufsmuster der Berufsfindung zusammen: die Angepassten, die Flexiblen und die Optimierer (218).

Ein Ausblick verweist auf weitere Forschungsnotwendigkeiten (218 ff.).

Diskussion

  1. Wie sind die in diesem Buch (z. B. S. 52) vorgetragenen Forschungsergebnisse zu beurteilen, dass der Berufsfindungsprozess bereits in frühester Kindheit beginnt und sich in einem dynamischen Prozess durch eine Vielzahl von Einflussfaktoren entwickelt?
  2. Viele befragte Jugendliche konnten die Frage nach den Berufen ihrer Eltern nicht beantworten (S. 124). Die Autorin folgert, „dass die Betroffenen in der Phase der Berufsfindung von ihren Eltern nicht besonders intensiv unterstützt werden“ (a. a. O.). Sie konstatiert andererseits, dass „die Alltagsrelevanz des Themas Beruf in der Familie einen verhältnismäßig starken Effekt auf die Konkretisierung ihrer Berufsorientierung“ hat (S. 211). Gibt es einen Lösungsweg für diese Problematik?

Fazit

Viele der vorgestellten Ergebnisse bestätigen – nunmehr begründet – Alltagserfahrungen zum Berufsfindungsprozess (nicht nur benachteiligter) Jugendlicher, die sich vor allem am Ende der Vollzeitschulpflicht oft verändern. Viele männlich dominierte Berufe stehen weiblichen Jugendlichen zwar formell offen, sind für sie aber faktisch wenig realisierbar; benachteiligte Schülerinnen haben geringere Aussichten auf einen Ausbildungsplatz als benachteiligte Schüler. Es bestehen noch weitere Forschungsnotwendigkeiten. Allein diese wenigen Ergebnisse lassen erkennen, dass diese Studie nicht nur für „Insider“ informativ und detailreich ist, sondern auch für diejenigen, die das deutsche Bildungssystem generell und speziell bezüglich des Buchthemas kennen lernen wollen. Gut ist auch die stilistische Präsentation mit jeweiligen Zusammenfassungen und Ausblicken auf das weitere Vorgehen in der Darstellung des komplexen Themas mit zahlreichen Fußnoten, deren Inhalt teils wesentlich zum Haupttext gehören. Das Buch ist eine lesenswerte Bereicherung dieses Forschungsgebiets.

Rezension von
Dipl.-Hdl. Dr. phil. Klaus Halfpap
Ltd. Regierungsschuldirektor a. D.

Es gibt 51 Rezensionen von Klaus Halfpap.

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ISSN 2190-9245