Theresa Degener, Elke Diehl (Hrsg.): Handbuch Behindertenrechtskonvention
Rezensiert von Dipl.-Soz.päd. Susanne Heil, Prof.Dr. Dagmar Oberlies, 26.10.2015

Theresa Degener, Elke Diehl (Hrsg.): Handbuch Behindertenrechtskonvention. Teilhabe als Menschenrecht – Inklusion als gesellschaftliche Aufgabe.
Bundeszentrale für politische Bildung
(Bonn) 2015.
503 Seiten.
ISBN 978-3-8389-0506-8.
bpb-Schriftenreihe Band 1506.
Thema
Handbuch Behindertenrechtskonvention. Teilhabe als Menschenrecht – Inklusion als gesellschaftliche Aufgabe. Mit dem vorliegenden Buch ist es den Herausgeberinnen gelungen, ein umfangreiches interdisziplinäres Werk von verschiedenen Expert*innen aus Theorie und Praxis zusammenzustellen: Von den historischen Entwicklungen der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) bis zu den aktuellen Entwicklungen in Deutschland.
Herausgeberinnen, Autorinnen und Autoren
Die Herausgeberin Prof. Dr. Theresia Degener war von 2002-2006 Mitglied der deutschen Delegation beim Ad-hoc-Ausschuss der Vereinten Nationen zur Vorbereitung einer Behindertenrechtskonvention. Seit 2011 ist sie Mitglied des Ausschusses der Vereinten Nationen für die Rechte von Menschen mit Behinderungen und seit 2013 dessen stellvertretende Vorsitzende.
Die Mitherausgeberin Elke Diehl, Assessorin iur., ist Redakteurin im Fachbereich Print und Datenschutzbeauftragte der Bundeszentrale für politische Bildung.
An dem Band haben über 30 Autorinnen und Autoren aus der Praxis und der Wissenschaft mitgewirkt; viele sind seit langen Jahren persönlich, beratend, politisch und publizistisch mit den Themen des Bandes befasst.
Entstehungshintergrund
Dieses Handbuch soll sechs Jahre nach Inkrafttreten der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) in Deutschland über deren wesentlichen Inhalte und die damit verbundenen Anforderungen an Staat und Gesellschaft aufklären (vgl. S. 18). Zudem soll es ein Wegweiser für unterschiedlichste Akteur*innen sein. Das Ziel des Handbuchs besteht laut den Herausgeberinnen darin, „die UN-Behindertenrechtskonvention in der Mitte der Gesellschaft ankommen zu lassen“ (S. 21).
Aufbau
Der vorliegende Band ist in drei Teile gegliedert:
- Historische Entwicklung, Begrifflichkeit und Paradigmenwechsel
- Die innerstaatliche Durchsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention
- Der Weg in eine inklusive Gesellschaft – neue Rahmenbedingungen nach der UN-Behindertenrechtskonvention
In den einzelnen Teilen wechseln sich thematische Beiträge mit Praxisbeispielen ab. Dadurch wird der Band sehr anschaulich, und zugleich informativ. Hervorzuheben ist auch der Versuch, am Ende der Beiträge eine Zusammenfassung in Leichter Sprache zu geben.
Im Anhang finden sich nicht nur der Text der Konvention, sondern auch eine Zeittafel einzelner Stationen und Ereignisse in der Menschenrechts- und Behindertenpolitik seit 1948, Literaturhinweise und weiterführende Links sowie ein Überblick zum Thema Medien und Behinderung und eine Zusammenstellung ausgewählter Adressen (vgl. S. 401 ff.).
Die dem Buch beigefügte DVD-ROM enthält die barrierefreie Version dieses Handbuchs sowie – jeweils nach einer kurzen Einleitung – die Zusammenfassungen aller Beiträge in Leichter Sprache und auf Video-Clips in Gebärdensprache (vgl. S. 20).
Inhalt
Selbstbestimmung und Partizipation
Das Buch beginnt mit einem sehr informativen historischen Abriss des „Langen Wegs zur Selbstbestimmung“ von Christian Mürner und Udo Siebeck (S. 25 – 37) – gefolgt von einem „good practice Beispiel“ über das Swantje Köbsell berichtet (S. 38-41): die Ausstellung „LeibEigenschaften“, entstanden auf Initiative einer Forscher*innengruppe der Universität Bremen und im Frühjahr 2012 im Bremer Haus der Wissenschaft gezeigt. Dieses Projekt gehört in den Kontext der in Deutschland noch wenig bekannten Disability History, ein Teilbereich der Disability Studies.
In die Disability Studies führt Anne Waldschmidts mit ihrem Aufsatz „Disabilty Studies als interdisziplinäres Forschungsfeld“ ein (S. 334-344). Die Fragestellungen der Disability Studies orientieren sich an den Grundgedanken der Teilhabe, Gleichstellung und Inklusion. Für die Wissenschaft und Forschung geht damit eine emanzipatorisch-partizipative Methodik einher, die behinderte Menschen gleichberechtigt einbezieht (vgl. S. 334ff.).
Ergänzt wird die Einführung in die Disability Studies durch das Beispiel eines partizipativen Forschungsprojekts von Flieger/Schönwiese über das Bildverständnis von Behinderung (S. 345-351). Hier wurde ein wissenschaftliches Projekt aktiv von einer Gruppe von Frauen und Männern mit einer Behinderung mitbestimmt und gestaltet.
Fragen der Partizipation werden auch von Sigrid Arnade in ihrem programmatischen Beitrag „‚Nichts über uns ohne uns!‘ – Die Zivilgesellschaft spricht mit.“ im Hinblick auf das Zusammenspiels von staatlichen Koordinierungsstellen und den Parallelberichten von Nicht-Regierungsorganisationen dargestellt (vgl. S. 93-101).
Der Partizipation am gesellschaftlichen Leben widmet sich schließlich auch der Beitrag von Paletti/Kellermann (vgl. S. 275-288), die das Recht auf politische und kulturelle Teilhabe thematisieren.
Konvention
Der Beitrag von Theresia Degener zum Verständnis von Behinderung in der UN-Behindertenrechtskonvention (vgl. S. 55-74) ist schon deshalb ein Kleinod, weil Theresia Degener nicht nur dem Ad-hoc-Ausschuss angehörte, der die Konvention vorbereitete, sondern auch, weil sie durch ihre Veröffentlichungen und eine Hintergrundstudie für die UN den menschenrechtlichen Paradigmenwechsel vorbereitet und, so wird man sagen können, maßgeblich eingeleitet hat. Dem menschenrechtlichen Ansatz widmet sich der Beitrag zunächst im Grundsatz (vgl. S. 58) und dann nochmals im Detail (vgl. S. 64 ff.). Im Grundsatz geht dieser Ansatz davon aus, dass die Menschenrechte im Kontext von Behinderung neu gedacht werden müssen, um ihre ‚universale‘ Wirkung auch hier entfalten zu können: die UN-Behindertenkonvention vollbringt diese ‚Übersetzungsleistung‘, die aus Menschen mit Behinderungen Menschen mit Rechten macht, einklagbaren Rechten. Insofern basiert, wie Theresia Degener zeigt, die Konvention auf sechs Grundprinzipien:
- Autonomie,
- Nichtdiskriminierung,
- Chancengleichheit,
- Barrierefreiheit,
- Partizipation und
- Diversität /Vielfalt (vgl. S. 58).
Den Weg dahin beschreibt sie einmal anhand der Diskussionen in der UN (vgl. S. 61ff.), der Diskussionen des – zeitweise 900 Menschen umfassenden - Ad-Hoc-Ausschusses (vgl. S. 55ff.), aber vor allem anhand von vier Konfliktlinien:
- Der Diskussion um die rechtliche Handlungsfähigkeit zwischen assistierter Entscheidung und Stellvertretung (vgl. S. 56), der durch Artikel 12 klar zugunsten der Selbstbestimmung entschieden wurde (vgl. S. 59);
- dem Streit um Zwangsbehandlungen und Institutionalisierungen (vgl. S. 56f.), der zwar nicht mit dem – von Aktivist*innen geforderten – Verbot (von Folter) endete, aber doch deutliche Schutzmechanismen installierte (vgl. S. 59f.);
- der Frage, wie auf andere kulturelle Wertvorstellungen (auch hier eine Umschreibung für traditionelle Familienideale) regiert werden soll (vgl. S. 57 und 60) und schließlich
- und schließlich die - vor allem in Deutschland virulente – Diskussion nach dem Umfang der Inklusion / Segregation z.B. im Bildungsbereich (vgl. S. 57), die bekanntlich mit einem klaren Bekenntnis zur Inklusion endete (vgl. S. 60). Ebenfalls kurz angesprochen werden die Durchsetzungsmechanismen: Staatenberichte, Individualbeschwerden und Untersuchungshandlungen des Ausschusses (vgl. S. 66 ff.). Da Theresia Degener dem Überwachungsausschuss selbst von Anfang an angehörte, inzwischen zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt wurde, hätte man sich hier vielleicht noch etwas mehr anekdotisches Wissen gewünscht, um sich die Arbeit solcher Ausschüsse, die dort geführten Diskussionen und die Logik der Entscheidungsfindung besser vorstellen zu können. Aber das ist vielleicht verfrüht - oder, aus Gründen der Arbeitsfähigkeit solcher Ausschüsse, grundsätzlich nicht opportun.
Stigmatisierung, Diskriminierung, Barrierefreiheit
Ein weiterer Betrag, der sich mit dem Thema ‚Barrierefreiheit‘ befasst (Bethke/Kruse/Rebstock/Welti, S. 170-188), hat rechtliche Implikationen zumindest insofern als das Konzept in den deutschen Gleichstellungsgesetzen verankert ist. Drei zentrale Begriffe aus der Konvention werden eingangs eingeführt:
- Die Barrierefreiheit, in der Begrifflichkeit der Konvention ‚Zugänglichkeit‘ (accessibility) (vgl. S. 170 f.),
- das ‚universelle Design‘ (vgl. S. 170), also ein Design, das für alle ohne Anpassung nutzbar ist, sowie
- der Begriff der ‚angemessenen Vorkehrungen‘, gemeint ist ein Unterlassen, das diskriminierende Wirkung entfaltet (vgl. S. 170).
Durchdekliniert wird Barrierefreiheit für die Bereiche:
- Gebäude (vgl.S. 175f.),
- Beförderung (vgl. S. 176 ff.),
- Information und Kommunikation (vgl. S. 178 ff.) sowie
- Güter und Dienstleistungen (vgl. S.180 f.).
Ein relevanter und zugleich sehr guter Beitrag von Rebecca Maskos über das Themenfeld Medien und Sprache folgt (S. 308-319). Die Autorin verweist auf die Hintergründe von Stigmatisierung und klischeehaften Darstellungen von Menschen mit Behinderung und hält eine Vielzahl von Beispielen aus Literatur und Film bereit (S. 314ff.). Positive Aufklärungsarbeit leiste insofern die Webseite Leidmedien des Berliner Vereins „Sozialhelden“ (2013 für den Grimme-Preis nominiert). Auch die UN-BRK habe hier eine klare Botschaft (vor allem durch Artikel 8) und stelle die Forderung an die Medien: „Enthindert euch und eure Bilder“ (vgl. S. 317).
In ihrem Beitrag zur mehrdimensionalen Diskriminierung (S. 253-268) befasst sich Gisela Hermes schwerpunktmäßig mit den Dimensionen Behinderung und Geschlecht. Ausgehend von einem Ansatz, der sowohl Geschlecht wie Behinderungen als gesellschaftliche Konstruktionen begreift (vgl.S. 254 ff.), greift sie darin Themen wie das gängige Körperideal (vgl. S. 254 und 257), die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung (vgl. S. 254 und 259) und vor allem das Thema sexuelle Gewalt (vgl. S. 259 f.) auf. Dankenswerterweise erwähnt sie dabei auch, dass es zwar einige Forschungen über Frauen mit Behinderungen gibt (vgl. S. 256) und auch spezielle rechtliche Regelungen (vgl. S. 253 f.), dass aber sowohl Forschung wie das Recht in Bezug auf Männer mit Behinderungen ‚geschlechtsblind‘ sei. Andere Heterogenitätsdimensionen werden dagegen nur angeschnitten (vgl. S. 262); nur Migration – und die dadurch ‚verdoppelten‘ Sprach- und Zugangsbarrieren – werden noch etwas genauer beschrieben.
Inklusion
Der Begriff der Inklusion im Sine der UN-BRK wird von Gudrun Wansing (vgl. S. 43-54) aufgegriffen. Eine Übersicht über (ausgewählte) Textstellen zum Inklusionsbegriff in der UN-BRK stellt sie in Form einer Tabelle dar und greift die Forderung von Valentin Aichele auf (vgl. auch seinen Beitrag zur Monitoring-Stelle S. 85-101), den deutschen Sprachgebrauch enger an die englische Terminologie der UN-BRK anzulehnen und die Begriffe Inklusion und inklusiv zu verwenden (vgl. S. 45). Die Autorin versteht Inklusion zunächst als einen unbestimmten, wertneutralen Prozessbegriff, der „seine qualitative Bedeutung erst mit der inhaltlichen Bestimmung gesellschaftlicher Verhältnisse entfaltet, wenn also beschrieben wird, von welcher Art und von welcher Qualität ‚Gesellschaft‘ ist oder sein soll“ (S. 46). Der Inklusionsbegriff solle dazu beitragen, Unrechtserfahrungen wahrzunehmen, Inklusion im Sinne der UN-BRK bedeute gesellschaftliche Teilhabe für alle Menschen in allen Lebensbereichen auf der Basis aller Rechte zu ermöglichen (vgl. S. 52).
Andrea Platte befasst sich mit der Umsetzung der Inklusionsidee in der Bildung – von Kindertagesstätte bis zur Hochschule (vgl. S. 130-146). Sie stellt in ihrem Beitrag die Anfänge inklusiver Bildung vor (von der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, über die UN-Kinderrechtskonvention und Salamanca-Erklärung bis zu dem Artikel 24 der UN-BRK). Nach einer Annäherung an den Begriff „Inklusive Bildung“ zeigt sie Konsequenzen für die pädagogische Praxis in der Elementarpädagogik sowie in Schule und Hochschule auf. Während 2013 67 Prozent der Kinder mit besonderem Förderbedarf in integrativen Kindertageseinrichtungen betreut wurden, besuchten nur 39,2 Prozent der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Primarbereich eine integrative Schule oder Regelschule und nur noch 21,9 Prozent Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf waren es in der Sekundarstufe I. Ein inklusives Bildungssystem entsprechend der Vorgaben der UN-BRK sei damit noch nicht annähernd erreicht und es zeige sich auch im Vergleich der einzelnen Bundesländer erheblicher Nachholbedarf (vgl. S. 136). Andrea Platte konstatiert, dass es der Inklusionsforschung der Zukunft um „Marginalisierung verursachende Mechanismen – Zuschreibungsprozesse, tradierte Kategorisierungen, die Herstellung von sozialer Ungleichheit sowie Ordnungen zwischen Mehrheiten und Minderheiten und Machtstrukturen“ (S. 140) gehen sollte. Grundlegende Veränderungen müssten in rechtlichen, strukturellen und pädagogischen Rahmungen und Konzeptionen folgen.
Heinz Budde hebt in seinem abschließenden Essay „Inklusion als sozialpolitischer Leitbegriff“ hervor, dass ein allein bildungspolitisches Verständnis von sozialer Inklusion zu kurz greift (vgl. S. 389). Er setzt sich kritisch mit den Paradoxien des Inklusionsbegriffs auseinander und beschreibt pointiert, dass eine inklusive Pädagogik, bei allen gut gemeinten Absichten, die soziale Spaltung noch zu vertiefen drohe. „Es ist jedenfalls wenig inklusiv gedacht, wenn man das Bestehen auf einem normativen Rahmen und das Bewusstsein von traditionellen Gehalten den ‚Modernisierungsverlierern‘ und ‚Wandlungsverweigerern‘ zuschiebt. Die Praktiken der Inklusion berufen sich auf eine Idee gleicher Freiheiten. Aber wie die Einbeziehung des jeweils Anderen aussieht, kann man nicht vorwegnehmen.“ (S. 396). Damit will der Autor die Praktiker*innen wohl daran erinnern, dass gute Praxis auf Verhandlungen in der Sache abzielt.
Inklusive Strategien in der internationalen Zusammenarbeit
Einen sehr wichtigen, weil innerhalb der internationalen Menschenrechte neuen Aspekt stellen die bewusste Globalisierung des Ansatzes und die Verpflichtung zur internationalen Zusammenarbeit dar. So sieht Artikel 32 vor, dass die Ziele der Konvention auch durch zwischenstaatliche, regionale und internationale Kooperationen erreicht werden sollen, ohne allerdings die Nationalstaaten aus ihrer primären Verpflichtung zu entlassen (Artikel 32 Abs. 2 und 4 Abs. 2). Mit der internationalen Ebene befassen sich die Beiträge von Gabriele Weigt (vgl. S. 365-376) und Klaus Lachwitz (vgl. S. 377-381) sowie ein Praxisbeispiel aus Togo (Eser / Kern S. 382-387).
Aus dem Beitrag von Gabriele Weigt erfährt man, dass 80% der Menschen mit Behinderungen in Schwellen- und Entwicklungsländern leben (vgl. S. 365), ohne dass die MDGs sie erwähnt hätten (vgl. S. 366) – und dass 16 der 20 Länder, die die Konvention als erstes ratifiziert haben, Schwellen- oder Entwicklungs-länder waren (vgl. S. 368). Man wird auf den Zusammenhang von Behinderung und Armut aufmerksam (vgl. S. 365 und 368 f.), aber auch darauf, dass die weltweite Alphabetisierungsrate von Menschen mit Behinderungen bei 3 % liegt – bei Frauen sogar nur bei 1%, oder darauf, dass 80-90% der Menschen mit Behinderungen - laut World-Report on Disability – keine Arbeit haben (vgl. S. 367 ff.). Sehr verdienstvoll ist, dass überblicksartig das Thema Menschen mit Behinderungen auf der Ebene der UN (vgl. S. 370 f.), der EU (vgl. S. 371) sowie als Thema der (deutschen) Entwicklungszusammenarbeit angesprochen wird (vgl. S. 371 f.).
Mit den (sehr schlagkräftigen) Weltverbänden der Menschen mit Behinderungen befasst sich der Beitrag von Klaus Lachwitz (vgl. S. 377-381). Artikel 32 schreibt insofern der Zivilgesellschaft – und dort insbesondere den Organisationen von Menschen mit Behinderungen – eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der Konventionsziele zu. Völlig zurecht: Ohne ihren Einfluss gäbe es die Konvention nicht – und schon gar nicht, wie Theresia Degener eingangs beschreibt, in der vorliegenden Form.
Diskussion
Schon das Vorwort der Herausgeberinnen (S. 18-21) gibt einen sehr guten Überblick und führt in das Thema des Handbuchs ein. Sehr gelungen ist der Wechsel zwischen inhaltlichen Überblicksartikeln und Beispielen aus der Praxis. Leider erschließt sich der Aufbau des Buches der Leser*in nicht immer. Als (systematische) Einführung in die Behindertenrechtskonvention eignet sich das Buch deshalb weniger denn als bunter Strauß an Themen, bei denen für alle etwas dabei ist. Vor allem im dritten Teil finden sich die meisten Praxisbeiträge wieder, die die grundlegenden Themen der UN-BRK aufgreifen: Arbeit, Schule, Barrierefreiheit, Gesundheit und Rehabilitation, Sprache, Medien, Selbstbestimmung, Partizipation etc.
Wissenschaftlich vermisst man vielleicht noch die ‚großen Namen‘ der Pädagogik der Vielfalt oder der Inklusionsforschung. Dafür haben hier die Menschen, die durch ihr Leben und ihre politische Arbeit ganz wesentlich dazu beigetragen haben, dass es diese Behindertenkonvention überhaupt – und in dieser Fassung – gibt, Geschichte geschrieben: Würde das Buch vorgelesen, wäre es ein Stück ‚oral herstory‘ – mit einer klaren Botschaft an die Gesellschaft: Inklusion betrifft uns alle.
Fazit
Der hier vorliegende interdisziplinäre Band enthält umfangreiches Material und vielfältige Geschichte(n). Er eignet sich für aufgrund der darin abgebildeten Vielfalt sehr gut als Studienmaterial, wenn auch vielleicht nicht als (systematisches) Lehrbuch. Auch Fachkräfte, die mit der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention befasst sind, werden in dem Band viel Wichtiges und Nachahmenswertes erfahren. Von besonderem Vorteil für die – wünschenswerte – Verbreitung des Bandes ist sicher, dass er in einer Printversion über die Bundeszentrale für politische Bildung zu erwerben ist (Versandkostenbeitrag: 4,50 Euro) und auf der Webseite zum kostenlosen Download zur Verfügung steht.
Rezension von
Dipl.-Soz.päd. Susanne Heil
M.A., promoviert im Bereich Inklusion an der Heidelberg School of Education
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Prof.Dr. Dagmar Oberlies
Frankfurt University of Applied Sciences, Fachbereich ‚Soziale Arbeit und Gesundheit‘
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