Michael Waadt, Andrew Gloster u.a. (Hrsg.): Arbeiten mit der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT)
Rezensiert von Prof. Dr. Christian Schulte-Cloos, 15.10.2015

Michael Waadt, Andrew Gloster, Jan Martz (Hrsg.): Arbeiten mit der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT). Ein Fallbuch. Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG (Göttingen) 2015. 416 Seiten. ISBN 978-3-456-85558-5. D: 34,95 EUR, A: 36,00 EUR, CH: 45,50 sFr.
Thema
Das vorliegende Buch beschäftigt sich mit der Anwendung einer Weiterentwicklung der (kognitiven) Verhaltenstherapie – der Akzeptanz-Commitment- Therapie (ACT) nach Hayes. Diese stellt in den Focus der Intervention, Prozesse von Schmerz und Leid nicht energievoll abzuwehren und hieran letztlich zu scheitern (und im Leid dadurch festzustecken!), sondern zu lernen, Gefühle anzunehmen, sie als Bestandteil des Lebens zu akzeptieren und dadurch die Energie und Verantwortung „frei“ zu haben, sich auf Werte, Ziele hin zu orientieren und diese durch konkretes Handeln anzustreben. Das Buch fokussiert hierbei bewusst die Praxis von Beratung, Therapie und Coaching und gibt einen aufschlussreichen Einblick in die Umsetzung einer Theorie in die Praxis und die hierbei vorgenommen Nuancierungen und Schwerpunktsetzungen. Gerade die Fallkonzeptionen lassen nachvollziehen, wie methodische Integration in verschiedene Anwendungskontexte möglich ist.
Herausgeber
- Michael Waardt leitet das Insas Insitut in München und ist ausgewiesen in Psychotherapie und Institutionsberatung.
- Jan Martz ist Arzt und Psychotherapeut in eigener Praxis in der Schweiz.
- Andrew Gloster ist als Forscher und Psychotherapeut an der Uni Basel beschäftigt.
Unter der Herausgeberschaft der genannten Autoren berichten insgesamt 15 andere Praktiker von ihren Erfahrungen in der Anwendung der ACT in unterschiedlichen Kontexten.
Entstehungshintergrund
Zielsetzung der Herausgeber ist es, an verschiedenen Beispielen und unter unterschiedlicher Autorenschaft dem Leser zu vermitteln, was ACT ist und wie deren Methoden praktisch umsetzbar sind. Sie zeigen dabei, dass die Anwendung flexibel ist, wo Begrenzungen gegeben sind und wie diese angepasst auf bestimmte Klientenbedingungen berücksichtigt werden können. Alle Autoren wurden gebeten, Therapieentscheidungen in Fallkonzeptionen zu begründen und die Umsetzung in Interventionen zu schildern.
Aufbau und Inhalt
Nach Geleitwort (Rainer F. Sonntag) und Vorwort ( Steven C. Hayes) umfasst das Buch 15 Kapitel vor einem Index-Glossar und redaktionellen Hinweisen (für einen Inhaltsüberblick siehe gerne u.a. unter www.hogrefe.com ).
Die drei Herausgeber leiten das Buch mit dem Kapitel 1 unter der Überschrift „Nützliche Perspektiven“ ein. Sie wollen hier wesentliche Inhalte der ACT herausarbeiten, ohne eine allgemeine Einführung zu geben- hierzu gibt es mittlerweile auch im deutschsprachigen Raum hinreichend gute Literatur. Die Autoren betonen die Fundierung interventorischen Vorgehens in der funktionalen Verhaltensanalyse – Leid wird als Abweichung von Normalität angesehen, wobei insbesondere die sprachlichen Kodierungen als gelerntes Verhalten beachtet werden. Sie gehen knapp auf die sechs Kernprozesse der ACT ein:
- Akzeptanz (bewusstes Annehmen, Erleben des gegenwärtigen Moments, nichturteilende Haltung),
- Defusion (Sprachliche Kodierungen werden mit dem Ziel flexibleren Verhaltens gelöst),
- Gewahrwerden des gegenwärtigen Augenblickes (fortlaufendes Bewusstwerden des gegenwärtigen Momentes),
- Selbst-als Kontext ( in gewisser Weise das Abstandnehmen – hier-vs. dort, ich vs. du, usw.),
- Werte (Werte drücken eine Haltung aus, die Handeln Sinn und Richtung gibt- sie sind aber im Unterschied zu Zielen nicht erreichbar),
- Engagiertes Handeln (gewählte Werte sollen im Handeln realisiert werden).
Für die Fallkonzeptionierung verweisen sie auf die Bedingungen zur Vergrößerung psychischer Flexibilität einerseits, Verringerung psychischer Inflexibilität andererseits. Anschließend wird auf die Hintergründe der Methode eingegangen (Pragmatismus, Bezugsrahmentheorie, kontextueller-verhaltens-wissenschaftlicher Ansatz, Evolutionstheorie) und dargelegt, welche Fragen im Austausch Treffen zwischen den Autoren immer wieder aufgetaucht seien – so z.B die Frage nach der Bedeutung sog. Bedürfnisse, der Bedeutung von Konfrontaion gegenüber Akzeptanzübungen, die Frage manualbasierter gegenüber. individualisierter Therapieplanung und -durchführung u.a.m.
Im 2. Kapitel berichtet N. Schneider über die Anwendung von ACT bei einem Patienten mit Suchtproblemen. Wie in den anderen Kapiteln auch beginnt er mit der Fallbeschreibung, geht dann zu einem Fallkonzept, der Verhaltensanalyse und zu einem Behandlungsplan im Rahmen der ACT über. Die 18 Monate dauernde Behandlung (wöchentliche Sitzungen) wird episodisch dargestellt, wobei der Autor unterscheidet zwischen Episoden der Wertklärung, der kreativen Hoffnungslosigkeit, der Akzeptanz, Defusion, des gegenwärtigen Augenblickes, des Selbst, schließlich des engagiertes Handelns. Eine Diskussion schließt die Falldarstellung ab.
Im 7. Kapitel stellen J. Martz und P. Hofer die sog. Matrix vor. Sie sehen hierin in Anlehnung an Polk &Schoendorff, 2014, eine einfache und nützliche Möglichkeit, Klienten, ACT vorzustellen und anschaulich visualisierend damit zu arbeiten. Die Autoren verhalten sich auch dem Leser gegenüber, einführend, indem sie zu Erprobung durch angeleitete Übungen anregen. Die Matrix selbst hat eine vertikale Dimension (5 Sinne – Ich merke – mentale Aktivität) und eine horizontale (Weg- ich merke- hin zu). In diesem Koordinatensystem werden dann das Problem, die persönlichen Werte, Lösungen und Ziele festgehalten: Nach Darstellung dieser Form der Veranschaulichung stellen die Autoren einen Fall (Essstörung) vor, der in elf Sitzungen über fünf Monate behandelt wurde. Transkripte wichtiger Therapieabschnitte machen die Falldarstellung und auch die Methoden der ACT anschaulich. Auch hier schließt eine Diskussion das Kapitel ab.
Die übrigen Kapitel stammen aus ganz unterschiedlichen Arbeitsfelder- von der Erziehungsberatung, der Paartherapie bis hin zu Coaching im Bereich der Organisationsberatung. Gerade die Vielfalt bedingt bei unterschiedlicher Autorenschaft ein buntes Bild von mehr oder weniger elaboriertem Einsatz der Methode ACT.
Diskussion
In dieser Buchbesprechung kann und soll keine Darstellung und umfassende Auseinander-setzung mit ACT erfolgen. Diese Methode findet Anerkennung und rasche Verbreitung- das vorliegende Buch bemüht sich, die Praxis zu fokussieren und weniger Wert auf prüfbare Ergebnisse zu legen, als auf ideographisch-retrospektive Fallkonzeptionierung und Interventionsdurchführung. Wie nah dies an der Methode geschieht und wie konsistent deren Umsetzung erfolgt- darin unterscheiden sich die Beiträge genauso wie in der Darstellungsklarheit. Gerade dies zeichnet das Buch aus – die Ehrlichkeit, mit der die Umsetzung einer Methode in die Praxis jenseits akademischer Studien gelingt oder eben nicht, wird deutlich. Ob die/ der Praktiker/-in hierin dann Inspiration und Anregung findet, sollte erprobt werden. Wer sich vorher in Studium einführender Literatur oder in Seminaren mit der Methode vertraut gemacht hat, wird von dem Buch und der in ihm deutlich werdenden Anwendungsbreite sicher profitieren.
Fazit
Eine inspirierende und farbige Darstellung der Umsetzung- Praxis einer mittlerweile anerkannten Methode der erweiterten Verhaltens-Theorie und -Therapie.
Rezension von
Prof. Dr. Christian Schulte-Cloos
Hochschullehrer Hochschule Fulda, Fachbereich Sozialwesen, seit 31.8.2011 pensioniert
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Zitiervorschlag
Christian Schulte-Cloos. Rezension vom 15.10.2015 zu:
Michael Waadt, Andrew Gloster, Jan Martz (Hrsg.): Arbeiten mit der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT). Ein Fallbuch. Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG
(Göttingen) 2015.
ISBN 978-3-456-85558-5.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/19410.php, Datum des Zugriffs 28.05.2023.
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