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Margit Englert: Rosemarie F. Kein Skandal (Immobilien­wirtschaft)

Rezensiert von Prof. Dr. Bernd Halfar, 12.01.2016

Cover Margit Englert: Rosemarie F. Kein Skandal (Immobilien­wirtschaft) ISBN 978-3-942885-83-6

Margit Englert: Rosemarie F. Kein Skandal. Einblicke in den sozialstaatlich-immobilienwirtschaftlichen Komplex. edition assemblage (Münster) 2015. 134 Seiten. ISBN 978-3-942885-83-6. D: 7,80 EUR, A: 8,30 EUR, CH: 11,90 sFr.

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Thema

Das zu besprechende Buch ist eine Kampfschrift. Eine Anklageschrift gegen den „sozialstaatlich-immobilienwirtschaftlichen Komplex“, eine Dokumentation eines Falles in Berlin, in dem eine arme, behinderte, kranke, ältere Frau auf eine geschlossene feindliche Front von Gerichten, Vermietern, Ärzten, Rechtspflegern, Sozialverwaltungen, Politikern, Gerichtsvollziehern, Anwälten und Gesetzen trifft. Wer gewinnt und wer verliert, steht fest.

Aufbau

Der Aufbau ist chronologisch, beginnt mit dem Wechsel der Wohnungseigentümerin, also der neuen Vermieterin von Rosemarie F. Ab dann beginnt eine Schilderung von Aktivitäten der Akteure und der wenigen Verteidiger, im Jargon der Autorin „Unterstützer_innen“, von Rosemarie F. Es gibt Mieterhöhungen, Widersprüche, Räumungsklagen, Gemeinheiten, Verschwörungen, zugeklebte Briefkästen, Amtsbescheide, ärztliche Gutachten, Erläuterungen von Sozialarbeitern, Räumungsurteile, Versäumnisklagen und Medienberichte.

Ausgewählte Inhalte

Als Beispiele für den gebotenen Inhalt mögen folgende ausgewählte Passagen dienen:

  • Auf S.37 wird unter der Überschrift „4. Birgit Hartig wird Eigentümerin von Rosemaries Wohnung. Der sozialstaatlich-immobilienwirtschaftliche Komplex“ der Vermieterwechsel beschrieben: „Birgit Hartig war schon im Hause aktiv, bevor sie Rosemaries Wohnung übernahm. So kümmerte sie sich beispielsweise schon im Juni/Juli um die erwähnten Sanierungsarbeiten an Kellertreppe und Hauseingang. Möglicherweise gehörte ihr schon eine Wohnung im Haus… Aber Rosemarie vermutete von Anfang an, dass Hartig und der Voreigentümer Geschäftspartner_innen waren, und offenbar hatte sie damit Recht.“
  • Auf S.41 ff wird geschildert, wie ein Kündigungsschreiben die Mieterin nicht erreichte. „Hartig schickte das Kündigungsschreiben nicht an Rosemaries Anwalt. Rosemarie selbst aber konnte Briefe an ihre Adresse Aroser Alle 92 nur zugestellt werden, indem sie an ihrer Wohnungstür persönlich abgegeben oder außen an die Wohnungstür angeheftet wurden. An dem Briefkasten im Treppenhaus, der zu ihrer Wohnung gehörte, stand kein Name, ebensowenig auf dem Klingelschild. Hintergrund waren Anfeindungen, denen Rosemarie ausgesetzt war… Den Briefschlitz des Briefkastens, der zu ihrer Wohnung gehörte, hatte Rosemarie zusätzlich mit Klebeband zugeklebt, damit für jede klar war, dass dieser Briefkasten nicht genutzt wurde und damit niemand Post hineinwarf. Rosemarie ging davon aus, dass ein Nachbar, der Sohn der ersten Eigentümerin noch einen Schlüssel des Briefkastens hatte. Rosemarie vermutete, dass dieser Nachbar schon seit Jahren ihre Post kontrollierte. Nach Rosemaries Beobachtungen im Haus war er zudem mit Hartig gut bekannt.“

Diskussion

Dieses Buch ist eine Kampfschrift. Jede Zeile, jedes Schriftstück, jede Tat, jedes Ereignis werden als Beweise gewertet, die einen schlüssigen Schuldnachweis bezeugen. Die Autorin zeigt jedoch nicht nur ihr selektives Material vor, sondern verzichtet auf jegliche Objektivierung. Dieser radikale Blickwinkel ist an sich schon unanständig, wird aber in einer geradezu unerträglichen Weise dadurch verstärkt, dass ständig durch die Autorin Interpretationen der Absichten der verschiedenen Akteure vorgenommen werden. Handlungsinterpretationen im Stile von „offensichtlich“, „vermutlich“, wo „offensichtlich“ und „vermutlich“ denkbar, aber eben nicht recherchiert wurde.

Fazit

Mit Wut im Buch ein Buch zu schreiben, das ausschließlich die Perspektive einer Person einnimmt, die schwach ist und der möglicherweise von Stärkeren übel mitgespielt wurde, kann ehrenwert sein. Die Art der Beweisführung, ausschließlich die Perspektive des (vermeintlichen) Opfers einzunehmen und nur passendes Material heranzuziehen und das Material auch noch so zu interpretieren, dass eine These einer kapitalistischen Logik eines sozialstaatlich- immobilienwirtschaftlichen Komplexes herausspringt, ist nicht solide gearbeitet.

Das Buch ist antikapitalistische Agitprop, die genau zwei Farben kennt. Drecksschwarz und glorreiches Weiß.

Rezension von
Prof. Dr. Bernd Halfar

Es gibt 38 Rezensionen von Bernd Halfar.

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Zitiervorschlag
Bernd Halfar. Rezension vom 12.01.2016 zu: Margit Englert: Rosemarie F. Kein Skandal. Einblicke in den sozialstaatlich-immobilienwirtschaftlichen Komplex. edition assemblage (Münster) 2015. ISBN 978-3-942885-83-6. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/19430.php, Datum des Zugriffs 08.09.2024.


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