Constanze Koslowski: Geschichten aus dem „Bildungshaus 3-10“
Rezensiert von Dr. Marion Aicher-Jakob, 15.01.2016

Constanze Koslowski: Geschichten aus dem „Bildungshaus 3-10“. Gewinne für die pädagogische Praxis durch intensive Kooperation zwischen Schule und Kindergarten. Waxmann Verlag (Münster, New York) 2015. 132 Seiten. ISBN 978-3-8309-3300-7. D: 24,90 EUR, A: 25,60 EUR, CH: 35,50 sFr.
Thema
Constanze Koslowski arbeitet in ihrer Publikation heraus, welches Potential einer intensiven Kooperation zwischen Kindergarten und Grundschule für alle beteiligten Akteure inhärent ist. Sie zeigt Innenansichten baden-württembergischer Bildungshäuser und ermöglicht über die exemplifizierenden, narrativen Darbietungen einen lebendigen Einblick in die täglichen Praktiken ausgewählter Modellstandorte.
Autorin
Dr. Constanze Koslowski, Erzieherin und Diplom-Sozialpädagogin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen in Ulm. Neben ihr sind elf weitere Autorinnen und Autoren aus den Bereichen der Psychologie und Pädagogik an der Publikation beteiligt.
Entstehungshintergrund
Das baden-württembergische Modellprojekt „Bildungshaus 3-10“ wurde auf die Laufzeit von 2007 bis 2015 angelegt und vom Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen in Ulm wissenschaftlich begleitet. Das Landesmodell sieht sein Kernanliegen in der Übergangsthematik und zielt durch die interprofessionelle Zusammenarbeit im Schnittstellenbereich zwischen Kindergarten und Grundschule auf eine Verbesserung und Weiterentwicklung der gemeinsamen pädagogischen Arbeit (S. 10). Die Bildungshausaktivitäten finden im Modellversuch in den Räumen beider Institutionen statt und sind auf die Ziele von Orientierungs- und Bildungsplan abgestimmt. Die Kooperation wird von den Fachkräften beider Institutionen geplant, initiiert und reflektiert. Als Mindestanforderungen des Modellprojekts werden Angebote für Kinder des letzten Kindergartenjahrs und des ersten Schuljahrs betrachtet. Es entstanden darüber hinaus unterschiedliche standortspezifische Umsetzungsformen, die zum Teil auch das gesamte Altersspektrum der 3-10jährigen Kinder berücksichtigte.
Aufbau und Inhalt
Die Publikation versteht sich zum einen als Geschichtenbuch, das den Blick für Neues öffnen, Unbekanntes greifbar machen bzw. Bekanntes in neuem Licht zeigen möchte (S. 7). Kindliche Episoden, die in den Institutionen beobachtet und dokumentiert wurden, sollen Einblicke in die institutionsübergreifenden Aktivitäten ermöglichen. Zum anderen will sich die Publikation aber nicht nur als Geschichtenbuch verstanden wissen, denn das Modell wurde über sieben Jahre hinweg systematisch, wissenschaftlich begleitet, und die erhobenen Daten wurden qualitativ, inhaltsanalytisch ausgewertet und dienen als Grundlage für die theoretischen Ausführungen. Die Autorin kombiniert in der Publikation die Auswertungen qualitativer Daten mit Erlebnissen und Szenen täglicher Praktiken. Hierbei wird zunächst der Unterschied der Institutionen in den Mittelpunkt gestellt. Die Frage, welche Gewinne sich durch die Vorgehensweise der Bildungshausaktivität ergeben (S. 21), wird hierbei konsequent verfolgt. Die Analysen von Textmaterialien aus den Dokumentationen der Prozessbegleitung zeigen in der Bildungshausarbeit vielfältige Möglichkeiten völlig neuer Qualität (S. 25). In vier weiteren Kapiteln werden die jeweiligen potentiellen Chancen der Bildungshausarbeit für die am Transitionsprozess beteiligten Akteure aufgezeigt.
Auf der ersten Ebene, die in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt wird, zeigt die Autorin Potentiale auf der Ebene der Kinder. Durch die neue, ergänzende Perspektive auf die kindliche Entwicklung wird ein differenzierter Blick erzielt, der durch den institutionsübergreifenden Austausch befördert wird. Die Möglichkeiten der Kinder, sich neben ihrer „Herkunftsinstitution“ Kindergarten bzw. Schule (S. 116) für begrenzte Zeit in der Nachbarinstitution aufzuhalten, bereichert die Erfahrungs- und Lernwelt der Kinder und bietet ihnen vielfältige ergänzende Anregungen.
Auf der Ebene des Teams wird ersichtlich, inwiefern die pädagogischen Fachkräfte durch die institutionsübergreifende Zusammenarbeit profitieren. Sie vertiefen durch die intensive, interdisziplinäre Arbeit ihre Professionalität hinsichtlich einer zentralen Kernaufgabe, der Kooperation. Die Fachdiskussion kann durch die Bildungshausarbeit mehrperspektivisch geführt werden (S. 71) und das Handlungsfeld erweitert sich dementsprechend. Gleichermaßen profitieren die Fachkräfte durch den vertieften Einblick in die jeweils andere Institution. Die Auseinandersetzung mit den Bildungsdiskrepanzen kann hierbei zu einer grundlegenden Verständigung über Bildung in den jeweiligen Institutionen genutzt werden. Kenntnisse über Arbeits- und Lernkulturen in den Institutionen ermöglichen die gemeinsame Arbeit an der Prozessqualität.
Die Autorin zeigt auf der dritten Ebene, der Ebene der Eltern, Möglichkeiten der institutionsübergreifenden Partizipation auf. Der Austausch mit Eltern der vorherigen bzw. der nachfolgenden Institution erleichtert den Transitionsprozess. Eltern profitieren von der Bildungshausarbeit durch neue Formen der Zusammenarbeit und gemeinsame Beratungen.
Auf institutioneller Ebene zeigt sich schließlich der Gewinn der Bildungshausarbeit durch eine Annäherung der Professionen (S. 106). Der Austausch der Institutionen kann für eine einrichtungsbezogene Qualitätsentwicklung genutzt werden. Bildungshausarbeit, so das Fazit, wirkt auf die gesamten Organisationssysteme. Die Synergieeffekte wirken professionalisierend und stärken den Kooperationswillen.
Fazit
Die Publikation nimmt sich mit der Thematik der Anschlussfähigkeit der Institutionen Kindergarten und Grundschule einer zentralen pädagogischen Fragestellung des Elementar- und Primarbereiches an und zeigt durch Episoden und Geschichten Gelingensbedingungen für eine kontinuierliche Bildungsbiographie auf. Die Leserschaft erhält dadurch einen leicht nachvollziehbaren Einblick, wie Anschlussfähigkeit angebahnt und befördert werden kann. Der Kooperation kommt hierbei eine zentrale Schlüsselrolle zu, das zeigen sowohl die theoretischen Ausführungen als auch die Innenansichten der Modellstandorte, aus deren alltäglichen Praktiken berichtet wird. In der Publikation werden die Potentiale für alle am Transitionsprozess beteiligten Akteure herausgearbeitet und dargestellt. Die Ausführungen können wertvolle Anregungen für Fachkräfte des Elementar- und Primarbereichs bieten und verdeutlichen die Zusammenhänge der komplexen Übergangsthematik. Die Darstellung der innovativen Arbeit kann Impulse für eine intensive, professionelle Kooperation bieten, die diese Form der strukturellen Verzahnung des Elementar- und Primarbereiches zulässt.
Rezension von
Dr. Marion Aicher-Jakob
Dipl.-Päd., Akad. Oberrätin an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg
stellvertretende Leitung des Schulpraxisamts
Institut für Erziehungswissenschaft
Pädagogik und Didaktik des Elementar- und Primarbereichs
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