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Annette Bukowski, Werner Nickolai (Hrsg.): Soziale Arbeit in der Straffälligenhilfe

Rezensiert von Bernd Gimmel, 13.06.2018

Cover Annette Bukowski, Werner Nickolai (Hrsg.): Soziale Arbeit in der Straffälligenhilfe ISBN 978-3-17-023372-0

Annette Bukowski, Werner Nickolai (Hrsg.): Soziale Arbeit in der Straffälligenhilfe. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2018. 301 Seiten. ISBN 978-3-17-023372-0. D: 28,00 EUR, A: 28,80 EUR, CH: 38,50 sFr.

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Herausgeberin und Herausgeber

Annette Bukowski, Dipl. Sozialarbeiterin, Dipl. Kriminologie, lehrt als Lehrbeauftragte an der Katholischen Hochschule Freiburg u.a. Theorien abweichenden Verhaltens.

Professor Werner Nicolai lehrt an der Katholischen Hochschule Freiburg Soziale Arbeit mit straffällig gewordenen Menschen.

Entstehungshintergrund und Thema

Der Band gehört zur Verlagsreihe „Handlungsfelder Sozialer Arbeit“ des Kohlhammer Verlags.

In dem vorliegenden Buch fassen die AutorInnen die Inhalte des Handlungsfeldstudiums des Bachelor-Studiengangs Soziale Arbeit zum Handlungsfeld „Soziale Arbeit mit straffällig gewordenen Menschen“ an der Katholischen Hochschule Freiburg zusammen.

Ziele des Studienabschnitts sind unter anderem die Auseinandersetzung mit der eigenen Berufsrolle und beruflichen Dienstleistungen sowie die Integration bezugswissenschaftlicher Grundlagen in Ziele und Aufgaben Sozialer Arbeit, Kenntnis unterschiedlicher Theorien und Handlungsansätze sowie deren Anwendung auf aktuelle Fragestellungen, Analyse von Fällen, Problemkonstellationen und Handlungsanforderungen aus der Praxis, Entwicklung der persönlichen professionellen Handlungskompetenz sowie die Fähigkeit zur theoretischen Begründung, Planung, Reflexion und Evaluation beruflichen Handelns.

Aufbau und Inhalt

Die Deutsche Nationalbibliothek bietet Einblick in das ausführliche Inhaltsverzeichnis.

Die AutorInnen stellen zu Beginn fest, dass es zum Handlungsfeld der Straffälligenhilfe nur wenig statistisches Datenmaterial gibt, sodass die Beschreibung der Zielgruppe nur unzureichend erfolgen kann. Auf Grundlage der Polizeilichen Kriminalstatistik sowie verschiedenen Untersuchungen und Statistiken der Straffälligenhilfe beschreiben sie die Zielgruppe der Straffälligenhilfe exemplarisch:

Die Altersgruppe von 18–50 Jahren mit einer Schwerpunktbildung bei den 25 bis 40-Jährigen ist am häufigsten in der Straffälligenhilfe anzutreffen. In der Hauptsache sind die Adressaten männlich und befinden sich in tendenziell prekären Lebenslagen, sind ledig und verfügen über wenige tragfähige soziale Netzwerke sowie geringe oder keine Bildungsabschlüsse. Weitere Auffälligkeiten sind gehäufte Überschuldungssituationen, gesundheitliche Probleme, Abhängigkeitserkrankungen oder psychische Probleme.

Im Kapitel „Arbeitsfelder der Straffälligenhilfe“ werden die klassischen Bereiche skizziert:

  • Freie Straffälligenhilfe der Wohlfahrtsverbände
  • Jugendgerichtshilfe
  • Gerichtshilfe für Erwachsene
  • Bewährungshilfe
  • Führungsaufsicht
  • Soziale Hilfe im Strafvollzug

Die Arbeitsfelder werden hinsichtlich ihrer Strukturen und formalen Grundlagen grob beschrieben. Innerhalb des Abschnitts zum Strafvollzug folgen ein Exkurs zur Thematik der totalen Institution sowie ein Plädoyer zur Abschaffung des Jugendstrafvollzugs.

Das Kapitel zu den Arbeitsfeldern schließt mit der Auseinandersetzung mit dem sogenannten Tripel-Mandat. Neben der unterstützenden und beratenden Rolle in der Beziehung zum Klienten habe die Soziale Arbeit zudem ein staatliches Wächteramt – das klassische Doppelmandat. Hierzu komme eine weitere Rolle aufgrund der professionellen Ausrichtung des beruflichen Handelns nach den Grundsätzen der Berufsverbände (z.B. DBSH), nämlich die Verwirklichung berufsständischer Auffassungen.

Sehr umfassend gehen die AutorInnen auf zahlreiche Kriminalitätstheorien verschiedener wissenschaftlicher Ausrichtungen ein und bewerten aus ihrer Sicht die Bedeutung für die Arbeit im Handlungsfeld.

In Kapitel 5 thematisieren die AutorInnen die Frage nach der Notwendigkeit von Strafe und stellen fest, dass die Reintegration der Straffälligen als ein grundlegender Ansatz des Strafrechts nicht erreicht werde.

Abschließend demonstrieren die AutorInnen anhand eines Fallbeispiels exemplarisch eine Musterlösung im Rahmen der schriftlichen Prüfung des Studienabschnitts ihres Lehrangebots an der Katholischen Hochschule Freiburg.

Diskussion

Den AutorInnen ist zugute zu halten, dass sich die Darstellung des Arbeitsfelds der Straffälligenhilfe aus etlichen Gründen als kompliziert herausstellt. Zunächst gibt es sehr weit gefächertes Angebot von Fachdiensten. Vieles fusst auf gesetzlichen Bestimmungen (Jugendgerichtshilfe, Gerichtshilfe, Bewährungshilfe, Führungsaufsicht, Strafvollzug etc.), andere Angebote entstehen aufgrund des Engagements der Freien Wohlfahrtspflege oder im Rahmen des bürgerlichen Engagements (Selbsthilfe), teilweise auf Eigeninitiative, teilweise projektgefördert. Ebenso verschieden sind die Beziehungssettings von staatlich verordnet bis freiwilliges Angebot. Insofern muss jede Darstellung der Rahmenbedingungen diffus bleiben und der Wunsch nach einer umfassenden Datenlage zum Arbeitsfeld bleibt nur Vision.

Somit wäre es wünschenswert, wenn die Autoren zumindest exemplarisch auf Konzepte und konkrete Umsetzung aus der Praxis eingegangen wären. Die enge Verzahnung mit anderen Arbeitsfeldern wie Wohnungslosenhilfe, Sucht- und Schuldnerberatung lässt sich aufgrund der Darstellung nur erahnen.

Für den Leser, insbesondere sofern es Orientierungssuchende am Beginn der Berufstätigkeit sind, mag sich die Frage stellen, weshalb man sich in diesem Handlungsfeld engagieren sollte. Die Hervorhebung der berufsständischen Grundhaltung ist lobenswert. Die Umsetzung dieser Haltung in der Praxis wird sich gerade für Berufsanfänger als erweiterter Praxisschock herausstellen, wenn sie als Arbeitnehmende erkennen, welchen Einfluss sie auf tradierte Rollen in der Straffälligenhilfe tatsächlich haben. Einfach ausgedrückt: Es fehlt der eindeutige Hinweis, dass die Haltungen, z.B. des DBSH, wenig kompatibel mit den Arbeitnehmerpflichten in weiten Teilen der Strafrechtspflege sind.

Weiter irritierend ist der Umstand, dass die Darstellung der Kriminalitätstheorien mehr als die Hälfte des Buches einnimmt und nur eine Handvoll von Veröffentlichungen als Referenzliteratur herangezogen wird. Es stellt sich die Frage, ob nicht die Lektüre der Originalliteratur zielführender ist, sofern diese Thematik im Fokus des Lesenden steht.

Somit bleibt die Frage des Lesenden: „Was habe ich im Handlungsfeld praktisch zu erwarten?“ in weiten Teilen unbeantwortet.

Fazit

Das Buch bietet einen Einblick in das breitgefächerte Arbeitsfeld der Straffälligenhilfe. Es stellt die Rahmenbedingungen der Straffälligenhilfe, Grunddaten zum Arbeitsfeld und eine Arbeitshilfe zur schriftlichen Fallbearbeitung im Prüfungskontext zur Verfügung. Sehr ausführlich setzen sich die Autoren mit den berufsspezifischen Fragestellungen (Doppel-/Trippelmandat der Sozialen Arbeit) und berufsständischen Grundhaltungen (exemplarisch am Konzept des Deutschen Berufsverband für Soziale Arbeit DBSH e.V.) auseinander. Daneben erhalten die Leser einen umfassenden Überblick über Kriminalitätstheorien verschiedenster wissenschaftlicher Ausrichtungen. Dabei bewerten die Autoren die Relevanz dieser Theorien für die Straffälligenhilfe und nehmen zur Aussagekraft und praktischer Bedeutung der vorgestellten theoretischen Konstrukte Stellung. Studierende im Handlungsfeld der AutorInnen an der Katholischen Hochschule Freiburg bekommen zudem eine Musterklausur inklusive Lösung präsentiert.

Für eine erste grundlegende Orientierung zum Handlungsfeld der Straffälligenhilfe ist der vorliegende Band zu empfehlen.

Rezension von
Bernd Gimmel
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Es gibt 13 Rezensionen von Bernd Gimmel.

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Zitiervorschlag
Bernd Gimmel. Rezension vom 13.06.2018 zu: Annette Bukowski, Werner Nickolai (Hrsg.): Soziale Arbeit in der Straffälligenhilfe. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2018. ISBN 978-3-17-023372-0. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/19592.php, Datum des Zugriffs 13.10.2024.


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