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Frederic Laloux: Reinventing Organisations

Rezensiert von Dipl.-Päd. Ines Polzin, 12.01.2016

Cover Frederic Laloux: Reinventing Organisations ISBN 978-3-8006-4913-6

Frederic Laloux: Reinventing Organisations. Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. Vahlen (München) 2015. 356 Seiten. ISBN 978-3-8006-4913-6.

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Thema

Technisierung und zunehmende Beschleunigung, ökologische, ökonomische und soziale Herausforderungen einer globalisierten Welt, sie alle werden immer deutlicher spürbar. Die Wirtschaft, ihre Organisationen und ihre Basis – die Arbeitswelt, sind von grundlegenden Veränderungsprozessen geprägt. Branchenunabhängig scheinen Herausforderungen komplexer zu werden und sich stetig zu beschleunigen.

  • Was ermöglicht es, Organisationen diesen Wandel so zu gestalten, dass er sowohl ökonomisch erfolgreich als auch für die Menschen und die Umwelt sinnerfüllend ist?
  • Was kennzeichnet diese Organisationen?
  • Wie sehen sie und die Arbeit der Zukunft aus?
  • Welche Beispiele guter Praxis gibt es bereits?

„Reinventing Organisations“ gibt hierauf interessante Antworten.

Autor

Frederic Laloux ist Belgier und hält einen MBA der INSEAD (eine der weltweit größten Business Schools). Er arbeitet seit vielen Jahren als Berater und Coach für Führungskräfte und war assoziierter Partner von McKinsey & Co.

Entstehungshintergrund

Ausgehend von seiner eigenen Erfahrung als Berater und Coach kommt der Autor zu dem Schluss, die traditionellen Werkzeuge, die zur Anwendung kommen, wenn Organisationen zur Bewältigung komplexer Herausforderungen Unterstützung benötigten, seien weder hilfreich noch zielführend. Ja sie würden sogar die Lage noch verschlimmern. Sein entsprechendes Fazit lautet: „Es macht den Eindruck, als hätten wir die gegenwärtige Organisationsführung bis an ihre Grenzen ausgereizt, und diese traditionellen Rezepte scheinen eher ein Teil des Problems zu sein als deren Lösung.“ Betrachten wir die aktuelle Entwicklung bei einigen großen Organisationen (Autobauer, Fußball) finden sich Hinweise für die Dysfunktionalität überkommener Vorgehensweisen, Organisationsführungen und -formen. Lalouxs These lautet „Wir sehnen uns nach mehr, nach einer radikal anderen Weise der Zusammenarbeit in Organisationen.“ Die Sicht auf die Welt und Glaubenssysteme sind für Laloux die beiden Parameter, die entscheidend Entwicklungen behindern oder befördern können, indem sie Spielräume entweder einschränken oder eröffnen.

Aufbau

Das Buch – das den Titel des englischen Originals beibehalten hat und in seinem Untertitel einen starken Anwendungsbezug verspricht – ist in drei Kapitel unterteilt, die sich folgenden Themen und den dafür notwendigen Bedingungen widmen:

  1. der historischen Entwicklung von Organisationen,
  2. den Charakteristika sogenannter „evolutionärer Organisationen“ und
  3. dem Auftreten evolutionärer Organisationen.

Es schließen sich vertiefende Hinweise und ein Nachwort von Ken Wilber (Begründer des Integralen Ansatzes, Spiral Dynamics) an.

Laloux ist integral ausgerichtet, für das Verständnis des Buches sind Vorkenntnisse des Ansatzes hilfreich, jedoch keine Voraussetzung. Den nach Kapiteln differenzierten Leseempfehlungen folgt ein kompaktes Stichwortverzeichnis, das zum „Querstöbern“, Suchen und Finden einlädt.

Der Autor hat zwölf Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größen aus den USA und Europa untersucht. Die Leitfragen lauten: „Wenn es möglich ist, Organisationen zu schaffen, die mehr von unserem menschlichen Potential zugänglich machen, wie würden sie dann aussehen? Wie können wir sie verwirklichen?“ Das Buch bietet hierauf potentielle Antworten und sehr konkrete Umsetzungshinweise.

Zu Kapitel 1: Eine entwicklungsgeschichtliche Perspektive

  1. Paradigmenwechsel: Organisationsmodelle in Vergangenheit und Gegenwart
  2. Über die Stufen der Entwicklung
  3. Das integrale evolutionäre Paradigma

Laloux beschreibt die Veränderungsprozesse der Menschheit hinsichtlich ihrer kognitiven, moralischen und psychologischen Fähigkeiten und nimmt gleichzeitig die jeweiligen Arbeits- und Organisationsformen in den Blick. Er bildet eine Klammer zwischen diesen verschiedenen Bereichen und kommt zu dem Schluss, es habe immer auch eine neue Form der Arbeit und Organisation gegeben, wenn die Menschheit sich weiterentwickelt habe. Er integriert entwicklungspsychologische Erkenntnisse und postuliert, auf der aktuellen Entwicklungsstufe müssten Menschen lernen, ihr Ego „in die Schranken (zu, erg. Rez.) weisen“. Das neue Paradigma ist ganzheitlich orientiert und auf Entwicklung gerichtet.

Zu Kapitel 2: Die Strukturen, Praktiken und Kulturen evolutionärer Organisationen

  1. Drei Durchbrüche und eine Metapher
  2. Selbstführung (Strukturen)
  3. Selbstführung (Prozesse)
  4. Die Suche nach Ganzheit (Allgemeine Praktiken)
  5. Die Suche nach Ganzheit (Personalprozesse)
  6. Auf den evolutionären Sinn hören
  7. Weitverbreitete kulturelle Eigenschaften

Unter den Fallstudien von Organisationen, finden sich auch zwei aus Deutschland (eine Schule und eine Klinik), die bereits seit Jahrzehnten nach diesem evolutionären ganzheitlichen Paradigma arbeiten. Drei Strukturen evolutionärer, selbstführender Organisationen (Parallele Teams, Ein Netz individueller Absprachen, Verschachtelte Teams) und ihre Prozesse werden vorgestellt. Hier sei auf den dazu gehörenden Anhang 3 hingewiesen: ganz im Sinne eines Leitfadens, wird die Relevanz und der Anwendungsnutzen dieser Strukturen entsprechenden Unternehmensgrößen und ihren Wertschöpfungsketten zugeordnet.

Laloux beschreibt, was evolutionäre Organisationen anders machen, um das Prinzip der Selbstführung zu stärken. Analysekriterien sind: Gebäude, Werte und Grundregeln, Räume zur Reflexion, Gemeinschaftsbildung, Stellenbezeichnungen und Stellenbeschreibungen, Zeitverpflichtung, Konflikte, Meetings, Ökologische und soziale Initiativen, Neueinstellung, Onboarding, Weiterbildung, Leistungsmanagement, Entlassung. Anhand dieser Kriterien vergleicht er die aktuell geläufigen „modernen“ Praktiken mit „evolutionären“ Praktiken. Die einfache Frage lautet: Was machen diese „Pioniere der Zukunft“ (Laloux) anders? Die Organisation als solche wird als ein sich selbstorgansierendes System mit eigenem Ziel und Zwecke gesehen. Dies ist eng verbunden mit dem Wechsel von Shareholder-Value hin zum Stakeholder-Value einer Organisation. Auch hier werden entsprechende Beobachtungskriterien hinsichtlich moderner und evolutionärer Praktiken verglichen. Zur Verdeutlichung wird hier das Kriterium „Individueller Sinn“ vorgestellt. Eine moderne Praktik vertrete die Ansicht „es ist nicht die Rolle der Organisation, den Mitarbeitern dabei zu helfen, ihre Berufung zu finden“. Die entsprechende evolutionäre Praktik hingegen sei: „Neueinstellung, Weiterbildung und Beurteilungsgespräche werden genutzt, um die Schnittstelle zwischen der individuellen Berufung und dem Sinn der Organisation zu erkunden“.

Zu Kapitel 3: Die Emergenz evolutionärer Organisationen

  1. Notwendige Bedingungen
  2. Die Gründung einer evolutionären Organisation
  3. Die Veränderung einer schon bestehenden Organisation
  4. Ergebnisse
  5. Evolutionäre Organisationen und eine evolutionäre Gesellschaft

Kapitel drei fasst zusammen, was es konkret braucht, eine Organisation so auszurichten oder aufzubauen, damit sie ein sich fortentwickelndes, selbstführendes System sein kann.

Diskussion

Frederic Laloux gliedert sein Buch in drei Kapitel, die in sich schlüssig strukturiert sind und sich gut aufeinander beziehen. Er präsentiert die Ergebnisse seiner Studie, bei der er 12 sehr unterschiedliche Unternehmen (Größe, Branche, Standort) untersucht hat. Die Anhänge bieten u.a. anhand zusammenfassender Tabellen die Essenz der vorherigen Ausführungen. Diese Arbeitsergebnisse sind schnell zu erfassen und für das Rekapitulieren gut geeignet.

Das Buch liest sich flüssig und vermittelt komplexe neue Inhalte gut verständlich. Die von Laloux vorgestellten Unternehmen verkörpern ein allgemeines evolutionäres Prinzip. Als ein Sektor sei an dieser Stelle exemplarisch das Gesundheitswesen besonders hervorgehoben. Dort ist der sogenannte Fachkräftemangel bereits lange angekommen. Mitarbeitende selbst sind in Deutschland von hohen Erkrankungsraten betroffen und klagen über Sinnentleerung. Das im Buch vorgestellte größte Pflegeunternehmen der Niederlande, Burtzorg, kann hier viele nützliche Anregungen geben, wie Pflege-Arbeit sinnstiftend anders organisiert und gestaltet werden könnte. Als weiteres erfolgreiches Unternehmen wird die Klinik Heiligenfeld, Bad Kissingen, vorgestellt. Besonders hervorzuheben ist Anhang 4: in den Kategorien „Struktur“, „Personalentwicklung“, „Arbeitsalltag“, „Wichtige Organisationsprozesse“ werden so genannte „moderne Praktiken“ (die, die derzeit meist noch zur Anwendung kommen), den „evolutionären Praktiken“ tabellarisch gegenübergestellt werden. Dies schafft eine große Anschaulichkeit und regt zu Überlegungen für das eigene Unterthemen an.

Fazit

„Reinventing Organisations – Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit“ erschien 2014 erstmals auf Englisch und fand 2015 in der Übersetzung den Weg in den deutschsprachigen Raum. Seine drei Kapitel widmen sich 1. der historischen Entwicklung von Organisationen, 2. den Charakteristika sogenannter „evolutionärer Organisationen“ und 3. dem Auftreten evolutionärer Organisationen und den hierfür notwendigen Bedingungen. Die Komplexität von Problemlagen konfrontiert politische, wirtschaftliche und soziale Systeme aktuell mit besonderen Herausforderungen. Ihnen ist mit linearen, einfachen wenn-dann-Lösungen in einzelnen Sektoren immer weniger beizukommen. Vielen Menschen stellen sich zunehmend Fragen nach dem Sinn von politischem und wirtschaftlichem Handeln, und auch das eigenen Tun wird hinterfragt. Dieses Buch setzt hier an und stellt eine Vielzahl konstruktiver Veränderungsansätze vor. Sehr spannend: viele der beschriebenen Organisationen gibt es bereits seit Jahrzehnten. Sie haben den „Praxistest“ erfolgreich bestanden und sind wirtschaftlich erfolgreich. Man kann sie nicht als Utopien beiseite schieben.

„Reinventing Organizations“ regt optionales Denken an und weckt Verständnis für bestehende Veränderungsbewegungen. Es kann z. B. Gründer/innen, Inhaber/innen, Führungskräfte bestärken, die Organisationen wirklich gestalten und zum Nutzen aller verändern wollen.

Rezension von
Dipl.-Päd. Ines Polzin
Autorisierte Prozessberaterin unternehmensWertMensch, Resilienzcoach und –Trainerin, zert. Mediatorin,
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Es gibt 18 Rezensionen von Ines Polzin.

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Zitiervorschlag
Ines Polzin. Rezension vom 12.01.2016 zu: Frederic Laloux: Reinventing Organisations. Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. Vahlen (München) 2015. ISBN 978-3-8006-4913-6. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/19625.php, Datum des Zugriffs 03.11.2024.


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