Rigmar Osterkamp (Hrsg.): Auf dem Prüfstand. Ein bedingungsloses Grundeinkommen für Deutschland?
Rezensiert von Prof. Dr. Joachim Thönnessen, 08.12.2015

Rigmar Osterkamp (Hrsg.): Auf dem Prüfstand. Ein bedingungsloses Grundeinkommen für Deutschland?
Nomos Verlagsgesellschaft
(Baden-Baden) 2015.
250 Seiten.
ISBN 978-3-8487-2045-3.
ZfP Sonderband 7.
Siehe auch Replik oder Kommentar am Ende der Rezension
Thema
Das bedingungslose Grundeinkommen ist eine faszinierende Idee: Jedes Mitglied einer definierten Gemeinschaft erhält ein existenzsicherndes Grundeinkommen, unabhängig davon, ob es berufstätig ist oder nicht. Damit ist das bedingungslose Grundeinkommen eine revolutionierende Vorstellung, denn sie stellt eine der wesentlichen Abhängigkeiten von Menschen weltweit in Frage. Diese besteht darin, das jeder Mensch im berufstätigen Alter für seinen Lohn arbeiten muss und falls dies – aus welchem Grunde auch immer nicht möglich ist – er/sie auf solch´ einen regelmäßigen Lohn verzichten muss.
In dem vorliegenden Sammelband wird aufgezeigt, dass es sich beim bedingungslosen Grundeinkommen um einen tiefgehenden Ansatz handelt, der unser Wirtschafts- und Sozialsystem entscheidend verändern würde. In Beiträgen aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen (Philosophie, Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft, Ökonomie) werden Begründungen, Vor- und Nachteile sowie Durchsetzungschancen eines bedingungslosen Grundeinkommens (im Folgenden: BGE) erörtert. Die Beiträge stammen von Professoren und DozentInnen (eine Frau, elf Männer) der Hochschule für Politik München - Bavarian School of Public Policy – ( jetzt unter dem Dach der Technischen Universität München) oder/und ihr in besonderer Weise verbundenen Personen.
Herausgeber
Rigmar Osterkamp ist Volkswirt und war am ifo Institut für Wirtschaftsforschung in leitender Position tätig. Seit vielen Jahren ist er an der HfP Lehrbeauftragter für Volkswirtschaftslehre. Seine Forschungsfelder sind: Entwicklungspolitik, Sozialpolitik, Gesundheitsökonomik. Er ist Mitautor von The Global Organ Shortage (Stanford University Press, 2013) und hat mehrere Artikel zum Thema Grundeinkommen (u.a. in Basic Income Studies, 2013, in Homo Oeconomicus, 2014) publiziert.
Entstehungshintergrund
Die meisten AutorInnen des vorliegenden Sammelbandes haben die Frage des Grundeinkommens in ihren Veröffentlichungen und Vorlesungen bisher nicht behandelt. Mit dieser Wahl ist beabsichtigt, dass die VerfasserInnen die Grundsätze, Fragestellungen und Methoden ihres jeweiligen Faches – der Philosophie, der Politikwissenschaft, der Rechtswissenschaft und der Ökonomie – unvoreingenommen auf das behandelte Thema anwenden.
Aufbau
Das Buch gliedert sich in die folgenden Kapitel:
- Rupert Stettner: Geleitwort
- Rigmar Osterkamp: Bedingungsloses Grundeinkommen: Einführung in das Thema
I. Die philosophische Perspektive
- Hans-Martin Schönherr-Mann: Zur Genealogie des bedingungslosen Grundeinkommens – Perspektiven der politischen Philosophie
- Michael Haus: Das bedingungslose Grundeinkommen – eine Forderung der Gerechtigkeit?
- Ulrich Metschl: Grundeinkommen und Gleichheit – egalitaristische Grundlagen der Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen
- Manuel Knoll: Das allgemeine Grundeinkommen im Lichte von Michael Walzers Theorie der Verteilungsgerechtigkeit
II. Die politikwissenschaftliche Perspektive
- Fares Kharboutli: Bedingungsloses Grundeinkommen – ein Begriff im Schatten? Analyse der aktuellen medialen und parteipolitischen Debatte in Deutschland
- Christoph Rohde: Eine kritische Bewertung von Götz Werners Entwurf eines bedingungslosen Grundeinkommens in Deutschland
- Rigmar Osterkamp: Ist ein bedingungsloses Grundeinkommen gesellschaftlich nützlich?
- Linda Sauer: Das bedingungslose Grundeinkommen im Lichte der politischen Philosophie Hannah Arendts – Eine etwas andere Kritik der politischen Ökonomie
- Ingmar Niemann: Grundeinkommen global – ein Überblick über die internationalen Modellversuche zum bedingungslosen Grundeinkommen
III. Die rechtswissenschaftliche Perspektive
- Harald Seubert: Das bedingungslose Grundeinkommen in rechtsphilosophischer und theologischer Perspektive
- Thomas Holzner: Das bedingungslose Grundeinkommen im Lichte des deutschen Staats- und Verfassungsrechts
- Kurt-Peter Merk: Ein bedingungsloses Grundeinkommen in Deutschland für Kinder und Jugendliche in sozialrechtlicher und familienpolitischer Sicht
IV. Die ökonomische Perspektive
- Rigmar Osterkamp: Anspruch auf ein bedingungsloses Grundeinkommen? Eine Prüfung ökonomischer Argumente
- Rigmar Osterkamp: Ist ein bedingungsloses Grundeinkommen in Deutschland finanzierbar?
Abgeschlossen wird das Buch mit Informationen „Über die Autoren“.
Ausgewählte Inhalte
Es sollen hier nicht alle Artikel vorgestellt werden. Das würde den geplanten Umfang dieser Rezension erheblich überschreiten. Stattdessen wird im Folgenden eine – nach subjektiven Kriterien getroffene – Artikelauswahl vorgestellt.
Der philosophische Teil des Sammelbandes beginnt mit einem Artikel von Hans-Martin Schönherr-Mann. Für einige vielleicht überraschend wird hier dargelegt, dass die „Herkunft“ der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens nicht sozialistischer, sondern liberaler Natur ist. Der Verfasser durchleuchtet viele verschiedene Theorien und Systeme, angefangen vom Nationalsozialismus über den Sozialstaat aus konservativer und christdemokratischer Perspektive, bis hin zum Anarchismus und Kommunismus, für die er allesamt die gleiche Frage bereithält: Warum sollte das BGE seine Heimat nicht in anderen politischen Philosophien haben (die anders als der Liberalismus zumeist gemeinschaftsorientiert sind)? (vgl. S. 24). Die Tatsache übrigens, dass das BGE heute zumeist in linken oder sozialstaatlichen Positionen propagiert wird, ist für Schönherr-Mann in ihrer propagandistischen Wirkung begründet.
Eine, wenn nicht gar die, überzeugend(st)e Begründung für die Einführung eines BGE besteht in der Vorstellung einer vermehrten Gleichheit in einer gegebenen Gesellschaft. Diese Vorstellung, allen Mitgliedern einer Gesellschaft Fairness in den Lebenschancen zu gewährleisten, wird von Ulrich Metschl einer kritischen Betrachtung unterzogen. Metschl geht davon aus, dass Gleichheit ein „schillernder Begriff“ ist, „der ohne genauere Bestimmung philosophisch unergiebig bleibt“ (S. 62). Er argumentiert, dass „die Argumentation für ein Grundeinkommen als egalitaristischem Anliegen am Ende weniger zwingend ist als von dessen Proponenten vielfach unterstellt wird“ (ebd.). Das BGE ist für ihn demzufolge „weder notwendige noch hinreichende Bedingung“ (ebd.) „um annähernd soziale Gleichheit in ihrem aus gerechtigkeitstheoretischer Sicht überzeugendsten Sinn, nämlich als Chancengleichheit zu erzielen“ (ebd.).
Metschl geht in der Begründung seiner Thesen davon aus, dass die Mitglieder einer definierten Gemeinschaft unterschiedliche Bedürfnisse haben. Das BGE gehe aber von einem Verteilungszustand aus, der alle Personen gemessen an Gütern oder Ressourcen gleich stellt und gleich behandelt (S. 64). Insofern müsse beispielsweise van Parijs (1995, 76), der das Grundeinkommen als eine ressourcenegalisierende Gerechtigkeitskonzeption versteht, als unplausibel erscheinen (S. 67). Insgesamt – so Metschl – dürfe seine Analyse jedoch nicht als pauschale Zurückweisung der Grundeinkommensforderung verstanden werden: „Denn am Ende können es pragmatische Überlegungen sein, die das Grundeinkommen zu einem überlegenen wohlfahrtsstaatlichen Instrument werden lassen, insbesondere dann, wenn sich zeigen ließe, dass es mit ihm überzeugender gelingt, die Anerkennung bürgerlich-politischer Gleichheit in personaler Würde und Teilhabe zu sichern“ (S. 68f).
Im Bereich „Politikwissenschaften“ beleuchtet Fares Kharboutli die aktuelle mediale und parteipolitische Debatte zum BGE in Deutschland. Seine Ausgangsthese ist, dass es dem BGE nicht gelang, einen prominenten Platz in öffentlichen und parteipolitischen Diskursen einzunehmen (S. 97). Um diese These zu belegen, analysiert Kharboutli die diesbezügliche Debatte in den Parteien im Wahljahr 2013. Er kommt zu dem Ergebnis, dass das BGE im Bundestagswahlkamp 2013 im Schatten der überaus präsenten Debatte um den Mindestlohn stand.
Ebenfalls in diesem Bereich stellt Rigmar Osterkamp die Frage, ob das BGE „gesellschaftlich nützlich“ ist!? Es geht in diesem Beitrag also um mögliche positive Effekte des BGE wie z.B. „Einschränkung der Schwarzarbeit“, „Einsparung von Kosten der Sozialverwaltung“, „Befreiung der Menschen von den Zwängen des Arbeitsmarktes“ oder „Reduzierung der Orientierung der Gesellschaft auf Konsum und Wirtschaftswachstum und – damit verbunden – Reduktion der Umweltbelastung“. Der Verfasser prüft im Folgenden acht verschiedene Behauptungen zur gesellschaftlichen Nützlichkeit und fasst zusammen, dass diese systematisch empirisch überprüft werden müssten, um die behaupteten Wirkungen tatsächlich nachweisen zu können (S. 141). Osterkamp schließt diesen Beitrag mit deutlich skeptischen Worten: „Wenn jedoch in der Befürwortung eines BGE seine Hauptwirkung in den Vordergrund gestellt würde – höhere Steuerbelastung für viele, weniger öffentliche Leistungen für alle und eine Begünstigung auch solcher Bürger, die sich selbst helfen könnten –, dürfte die öffentliche Akzeptanz eines BGE gering sein“ (S. 142).
Ingmar Niemann gibt in seinem Beitrag einen Überblick über die internationalen (Modell-)-Versuche zum BGE. Er beschreibt das – leider sehr geringe – Grundeinkommen in Alaska, welches aus dem Verkauf der dortigen Ölreserven finanziert wird, geht ein auf die negative Einkommenssteuer, die ebenfalls in den USA entwickelt (und erprobt) wurde, sowie auf die etwa 1000 Einwohner von Otjivero in Namibia, die – beginnend im Jahr 2008 – für mehrere Jahre ein Grundeinkommen erhielten. Die Bewertung des Erfolgs des Projektes ist leider nicht eindeutig. Im Weiteren beschreibt Niemann Brasiliens „Bolsa Familia“ – ein Familien-Stipendium, das nur für die Armen ausgegeben wird und dafür sorgen soll, dass die Kinder regelmäßig die Schule besuchen und geimpft werden. Seit nunmehr 10 Jahren steht der Anspruch auf ein BGE in der brasilianischen Verfassung – die Bolsa Familia kann als ein erster vorsichtiger Schritt in die Richtung eines allgemeinen BGE´s in Brasilien gesehen werden. In der kanadischen Stadt Dauphin in der Provinz Manitoba wurde zwischen 1974 und 1978 ein BGE gezahlt. Das Projekt wurde ohne eine Evaluation abgebrochen und geriet in Vergessenheit. Evelyn Forget hat es dreißig Jahre später wieder „ausgegraben“ und mit vielversprechenden Ergebnissen evaluiert: Es war kaum ein Rückgang der Arbeitsbereitschaft bei den etwa 1000 Empfängern festzustellen. Verbessert hatte sich dagegen der Gesundheitszustand der Zahlungsempfänger. Schließlich beschreibt Niemann das Grundeinkommen im Iran. Es wird auf Antrag, aber ohne Bedürftigkeitsprüfung gewährt. Inzwischen haben mehr als 80% der Iraner den Antrag auf Bezug des Geldes gestellt (S. 165). Niemann: „Verstärkter Konsum, Umverteilungsgewinne und Reduktion der Armut werden dazu beitragen, dass das Konzept beibehalten wird“ (S. 165).
Den rechtswissenschaftlichen Teil eröffnet Harald Seubert mit einem Artikel, in dem die Umrisse verdeutlicht werden, die eine Umsetzung des BGE für die Gesellschaft mit sich bringen würde. So ist der Bürgerstatus in einer Arbeitsgesellschaft an die geleistete Arbeit geknüpft (S. 173), würde ein wirklich bedingungsloses Grundeinkommen „einen geradezu planwirtschaftlichen Eingriff in Eigentums- und Marktverhältnisse erfordern“ (S. 175), würden „ungeheure Finanzmassen bewegt und umverteilt werden“ (ebd.), ist „mehr als fraglich, ob dies im Rahmen einer gewaltenteiligen Verfassung überhaupt legitimierbar ist“ (ebd.), würde der Staat langfristig zu einem Minimalstaat umgebaut werden, wäre die Grundeinkommensdiskussion aus guten Gründen eng mit einer Steuerdiskussion verbunden, und wäre der Staat, nach Abschaffung aller steuer- und abgabefinanzierten Sozialleistungen zu einer steuernden Beschäftigungspolitik nicht mehr in der Lage (ebd.). Etwas später benutzt Seubert – unter Berufung auf Wolfgang Kersting (2000) gar den Begriff „Sprengkraft der Grundrechtearchitektur“ (S. 177), um zu verdeutlichen, dass das BGE die „Grundprinzipien des normativen und personentheoretischen Individualismus verletzen“ könnte (ebd.).
Im ökonomischen Teil untersucht Rigmar Osterkamp im ersten von zwei Artikeln zwei Gruppen von Argumenten, mit denen ein BGE gefordert und verteidigt wird: „Die eine Gruppe von Argumenten behauptet, dass ein BGE der Gesellschaft und allen Bürgern nützen würde. In der anderen Gruppe von Argumenten wird behauptet, dass jeder Bürger einen Anspruch auf ein BGE habe“ (S. 213). Im zweiten Artikel fragt Osterkamp, ob ein BGE in Deutschland finanzierbar ist. Danach zeigt sich, dass ein BGE grundsätzlich finanzierbar ist (S. 244), wobei Osterkamp eher die negativen Folgen betont, die durch ein BGE entstehen: „Dazu gehört, dass die Zahl der (Netto-) Transferempfänger im Vergleich mit dem gegenwärtigen System höher sein würde, während die der Steuerzahler geringer wäre. Außerdem wäre die Steuerbelastung in fast allen Einkommensbereichen höher als sie heute ist“ (ebd.).
Diskussion
Der Sammelband hinterlässt viele positive Eindrücke. Die Artikel sind von herausragender Qualität und es macht einfach Freude, die jeweiligen Herangehensweisen der AutorInnen aus Sicht ihres jeweiligen Faches nachzuverfolgen. Solche interdisziplinären Veröffentlichungen darf es ruhig öfter geben! Lobenswert hervorzuheben ist auch die Leistung des Herausgebers, Rigmar Osterkamp. Er hat es geschafft, WissenschaftlerInnen aus verschiedenen Disziplinen dazu zu ermuntern, Gedanken zu einem Thema zu formulieren, mit dem sie sich großenteils noch nicht wissenschaftlich beschäftigt hatten. So versammelt der Band eine außerordentliche kreative und intellektuelle Leistung von WissenschaftlerInnen aus verschiedenen Disziplinen, und es ist Professor Osterkamp zu verdanken, diese in ihrem Ziel (einem interdisziplinären Sammelband zum Thema „BGE“) vereint zu haben. Als Wissenschaftler, der ich selber bin, habe ich also an dem Sammelband überhaupt nichts auszusetzen. Im Gegenteil.
Aber es geht auch noch um den Menschen in mir, der einmal jung war und der weiß, wie begeisterungsfähig Menschen sein können, wenn es sie einmal „gepackt“ hat. Wir brauchen Visionen, die uns begeistern können. Diese Begeisterungsfähigkeit bedeutet eine Menge Energie. Diese ist bemerkbar, wenn man/frau sich über die vielen verschiedenen Initiativen im Internet zum Thema informiert: Da ist die Rede von einem bevorstehenden Test des BGE in Finnland. In drei großen Städten in den Niederlanden gibt es Feldversuche mit Sozialhilfeempfängern. Der Berliner Michael Bohmeier sammelt über eine Art Crowdfunding Geld, und hat über eine Webseite bereits 20 Grundeinkommen verlost. Und viele andere Dinge und Initiativen mehr. Wir sehen: Menschen können viele Dinge verrichten, wenn sie an etwas glauben. Richtig ist: Bei der Idee des BGE handelt es sich um eine Art Sozialutopie. Aber man wird der Idee durch eine rein wissenschaftliche Herangehensweise nur teilweise gerecht. Die Beiträge im vorliegenden Sammelband kommen nahezu durchweg zu einer kritischen bis sehr kritischen Beurteilung der Idee des BGE. Sie würde unser ganzes System umwälzen etc. Aber ist es nicht vielleicht so wie bei der voranschreitenden Zerstörung unserer Umwelt? Wir wissen seit vielen Jahrzehnten, wir müssen etwas tun und wir müssen uns verändern. Aber nichts geschieht. Sehr lange geht das nicht mehr gut. Wir müssen uns verändern und haben dabei nur die folgende Wahl – „by design or by desaster“ (Harald Welzer). Diese Aussage wurde von Harald Welzer geprägt, um unsere Möglichkeiten bei der Gestaltung gesellschaftlicher Veränderungsprozesse zu beschreiben. Sie passt vielleicht auch auf das BGE?
Es ist das ausgesprochene Verdienst der Verfasser des hier besprochenen Sammelbandes, das BGE auf eine wissenschaftlich-kritische und interdisziplinäre Weise akribisch analysiert zu haben. Viele verlockende Ideen, die mit dem BGE verbunden werden, können so als Propaganda entlarvt werden. Doch die beeindruckende Kritik der versammelten AutorInnen am BGE sollte auch als Ansporn dienen, mit ihrer Hilfe und mit praktischen Beispielen und vielfältigen Initiativen weiter zu gehen in Richtung einer zukunftsfähigen Gesellschaft.
Fazit
Der Sammelband „Auf dem Prüfstand. Ein bedingungsloses Grundeinkommen für Deutschland“ wurde von Professoren und DozentInnen der Hochschule für Politik München (jetzt unter dem Dach der Technischen Universität München) und ihr in besonderer Weise nahestehender Personen verfasst. Die Beiträge behandeln das Thema „Bedingungsloses Grundeinkommen“ auf interdisziplinäre Weise mit einer Besonderheit: Die meisten AutorInnen des vorliegenden Sammelbandes haben die Frage des Grundeinkommens in ihren Veröffentlichungen und Vorlesungen bisher nicht behandelt. Der Herausgeber des Sammelbandes, Rigmar Osterkamp, verfolgt mit dieser Auswahl die Absicht, dass das Thema „Grundeinkommen“ anhand der jeweiligen Grundsätze, Fragestellungen und Methoden verschiedener fachlicher Disziplinen – hier: der Philosophie, der Politikwissenschaft, der Rechtswissenschaft und der Ökonomie – möglichst unvoreingenommen behandelt wird.
Das Ergebnis der interdisziplinären Betrachtungen fällt deutlich negativ aus. Weder das Ziel einer Stärkung der Gleichheit unter den Menschen noch das Ziel einer Vermehrung der gesellschaftlichen Nützlichkeit werde durch ein Grundeinkommen erreicht. Allerdings gehen alle Betrachtungen von „normalen“ wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen in Deutschland aus. Falls sich die viel beredete „Krise“ ökonomisch, ökologisch oder/und sozial deutlicher bemerkbarer machen sollte als heute, könnten die positiven Argumente m.E. auch schnell Oberhand gewinnen.
Die Beiträge sind qualitativ hochwertig und es ist spannend, die jeweiligen Herangehens- und Argumentationsweisen der AutorInnen aus Sicht ihres jeweiligen Faches nachzuverfolgen. Das Ziel, einen interdisziplinären Sammelband zum Thema „Bedingungsloses Grundeinkommen“ zu erstellen, wurde eindeutig erreicht. Wer sich über den aktuellen Stand der Diskussion über das Grundeinkommen informieren möchte oder wer Teilaspekte dieser Diskussion vertiefend betrachten möchte, findet in diesem Band eine reiche Auswahl an Anhaltspunkten.
Rezension von
Prof. Dr. Joachim Thönnessen
Hochschule Osnabrück, Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Studium der Philosophie und Soziologie in Bielefeld, London und Groningen; Promotion in Medizin-Soziologie (Uniklinikum Giessen)
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