Michael Nehls: Alzheimer ist heilbar
Rezensiert von Dipl.-Pädagogin Bettina Wichers, 16.03.2016

Michael Nehls: Alzheimer ist heilbar. Rechtzeitig zurück in ein gesundes Leben. Heyne Verlag (München) 2015. 319 Seiten. ISBN 978-3-453-20100-2. 16,99 EUR.
Entstehungshintergrund und Thema
Das Buch ist das Nachfolgewerk zu „Die Alzheimer Lüge“ (vgl. die Rezension), in dem Michael Nehls seine Theorie, Alzheimer sei eine Mangelkrankheit, ausführlich begründete. Während das vorherige Buch eher die theoretischen Aspekte fokussierte, wendet sich der Autor mit diesem Buch nun der praktischen Umsetzung seiner Erkenntnisse im Alltag eines jeden Menschen zu. Das Buch zeigt mögliche Zusammenhänge zwischen moderner Lebensweise und der Entstehung einer Alzheimer-Demenz auf, gibt Hinweise zur Vermeidung der Risikofaktoren und bietet zudem Ansätze für eine intensive Therapiephase, mit der man nach Sicht des Autors die Symptome einer bereits beginnenden Alzheimer-Demenz reduzieren oder sogar heilen kann.
Autor
Michael Mehls ist Arzt und Molekulargenetiker, der nach einer wissenschaftlichen Karriere und der Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender eines Pharmaunternehmens heute als Vortragsredner und Autor zu Gesundheitsthemen tätig ist.
Aufbau und Inhalt
- Wunder der Heilung? – Fallbeispiele von Personen, die in einer kleinen Behandlungsstudie von Dale Bredesen in den USA deutliche Verbesserungen der kognitiven Fähigkeiten verzeichnen konnten
- Alzheimer: Die Fakten – das Gehirn – Abbauprozesse und Erkrankungsrisiken
- Das Alzheimer-Puzzle – Kritik an der gegenwärtigen Alzheimer-Forschung, gegen welche die Behandlungsstudie von Bredesen als Beispiel für einen ganzheitlichen, erfolgsversprechenden Ansatz angeführt wird
- Vom Sinn des Lebens – die Großmutterthese als Beleg für den evolutionären Sinn der Langlebigkeit
- Stressresistenz und geistige Fitness – der Hippocampus, die negativen Auswirkungen von (Dis-)Stress auf die Neubildung von Nervenzellen, und der Teufelskreis, der bei fortdauerndem Stress und depressiven Tendenzen die Entstehung eine Alzheimer-Demenz weiter fördert
- Mangelkrankheit Alzheimer – (evolutionäre) Bedürfnisse des Hippocampus und warum die moderne Lebensweise diesen nicht gerecht wird
- Die fünf Phasen des Krankheitsverlaufs – neben den normalerweise bekannten drei Phasen schildert Nehls zwei Vorläuferphasen, die leichte kognitive Beeinträchtigung (auch als mild cognitive impairment, MCI, bekannt) und eine noch frühere, die er subjektive geistige Beeinträchtigung nennt.
- Alzheimer macht Sinn – über die hilfreichen Effekte von Eustress, den „hirntötenden“ Distress und die positive Wirkung von Psychotherapie, Yoga und Achtsamkeitspraxis bei einem frühen Verdacht auf Alzheimer
- Alzheimer gemeinsam besiegen – über die Bedeutung sozialer Kontakt als Schutzfaktor und heilender Effekt
- Laufend geistig gesund – Bewegung als Grundlage der Neurogenese im Hippocampus: regelmäßiges Spazierengehen, Schwimmen, Radfahren senken das Alzheimer-Risiko
- Geistige Nahrung – neugebildete Nervenzellen müssen vernetzt werden: durch geistige Aktivität, durch Lernen, durch die beständige Lust auf Neues, durch soziale Netzwerke
- Der Geist wächst im Schlaf – die gesundheitsschädlichen Auswirkungen von Schlafmangel und wie eine gute Schlafhygiene für einen gesunden Geist sorgt
- Bausteine für den Geist – was das Gehirn für neue Nervenzellen braucht, welche Fettsäuren dafür richtig sind, und warum manche Ernährungsempfehlungen mehr der Wirtschaft als dem Menschen dienen
- Nährstoffe für den Geist – geeignete Nahrungsmittel, die „optimale Energieversorgung gegen Alzheimer“ und das tägliche Fasten über Nacht
- Schutzstoffe für den Geist – Spurenelemente, Gewürze und Getränke, die dem Gehirn guttun
- Erwünschte Nebenwirkungen – Bauchfett, erhöhter Blutzucker und erhöhter Blutdruck normalisieren sich in Folge einer Ernährungs- und Verhaltensumstellung ganz nebenbei
- Mythos Cholesterin – „gutes“ und „schlechtes“ Cholesterin und wie man den Cholesterinstoffwechsel natürlich reguliert
- Es werde Licht! – Risikofaktor Vitamin-D-Mangel und wie man ihn behebt – im Sommer wie im Winter
- Kuscheln ist wichtig – die positive Wirkung von Oxytocin; Menopause, Andropause und wie man der veränderten hormonellen Situation entgegenwirken kann – bei Frauen und bei Männern
- Alzheimer – eine Infektionskrankheit? – Infekte, Entzündungen und Alzheimer als sich gegenseitig verstärkende Prozesse
- Entgiften – Dinge, die man besser meiden sollte – vom Weichmacher über Tabakrauch bis zu Amalgam
- Intensive Therapiephase – ein Therapieplan für diejenigen, die sich in einem frühen Stadium der Alzheimer-Demenz befinden, mit der Empfehlung, die geschilderten Therapieschritte nur in Begleitung eines ganzheitlich praktizierenden Arztes durchzuführen
- Ich hatte Alzheimer – die Motivation des Autors für dieses Buch, verbunden mit der Kritik am bisherigen Umgang mit Alzheimer in Forschung wie Praxis, wie er sie auch schon ausführlich in „Die Alzheimer-Lüge“ (https://www.socialnet.de/rezensionen/17600.php) vorgestellt hat.
Diskussion
„Alzheimer-Prävention ist möglich, eine Heilung wahrscheinlich, wenn man nicht zu spät kommt.“ (220) – so steht es unter „Restrisiko“ im Kapitel „Entgiften“, und diese Überzeugung von Michael Nehls zieht sich anschaulich an Beispielen erläutert durch das Buch. Zwar sind es letztlich nur zwei Studien, auf die sich der Autor beruft, aber viele Zusammenhänge zwischen Lebensweise und Erkrankungsrisiko werden verständlich begründet, so dass man als Laie die meisten Aspekte gut auf der Basis des „gesunden Menschenverstandes“ nachvollziehen kann.
Ob die im Buch beschriebenen beeinflussbaren Faktoren wirklich, wie dargelegt, alle präventiv hinsichtlich Alzheimer wirken, und ob die Einhaltung aller Ratschläge auch wirklich eine Alzheimer-Dement verhindern, darf man in der Gesamtschau vielleicht bezweifeln – und auch Michael Nehls übernimmt keine Garantie für die generelle Wirksamkeit seiner Therapieempfehlungen. Insgesamt handelt es sich aber in der Mehrzahl schlichtweg um fundierte Empfehlungen für ein gesundes Leben. Dass Gewichtsreduktion, Normalisierung von Blutdruck und Fettstoffwechsel, Bewegung und die Vermeidung bestimmter Giftstoffe gesundheitsförderlich sind, darüber herrscht allgemeiner Konsens unter Medizinern. Dass soziale Kontakte und geistige Beschäftigung helfen, den Geist gesund zu halten, wird auch immer mehr zum Allgemeinwissen. Die Bedeutung von ausreichend Schlaf, einer Substitution des in unseren Breitengeraden naturgegebenen Vitamin-D-Mangels, der Bearbeitung belastender Themen durch Psychotherapie usw. ist jedoch noch immer nicht weit verbreitetes Wissen, und kann sicher nicht oft genug empfohlen werden, für ein gesundes Leben insgesamt und ein gesundes Altern im Speziellen.
Der Beweis des Zusammenhangs zwischen einer bewussten, gesunden Lebensführung, gegebenenfalls unter therapeutischer Begleitung durch einen (ganzheitlich praktizierenden) Mediziner und dem Ausbleiben einer demenziellen Veränderung, oder gar die Abwendung einer bereits begonnenen Alzheimer-Demenz durch die vom Autor empfohlene Therapie ist aus wissenschaftlicher Sicht sicher noch nicht gegeben. Die Indizien dafür, dass viele seiner Hinweise mit hoher Wahrscheinlichkeit präventiv wirken können, sind jedoch zahlreich.
So spricht nichts dagegen, sich die Ratschläge des Buches zu Herzen zu nehmen und das eigene Leben immer mehr in Richtung einer bewussteren, „gehirnfreundlichen“ Lebensweise zu wenden. Und genau diese Eigenverantwortlichkeit für das eigene Leben, ein reflektierter Umgang mit Bewegung, Ernährung und Sinnhaftigkeit ist es letztlich, was der Autor in diesem Buch empfiehlt. Dies ist zwar keine Garantie, dass man niemals an einer Alzheimer-Demenz erkrankt. Ganz sicher aber erhöht man sein Risiko auf diese (Lebens-)Weise nicht, sondern trägt dazu bei, es zu senken.
Fazit
Nach meiner Skepsis gegenüber dem Vorgängerbuch „Die Alzheimer-Lüge“ kann ich dieses Buch vorbehaltlos all denen empfehlen, die sich ernsthaft mit einem Lebens- und Bewusstseinswandel hin zur Eigenverantwortlichkeit für ein gesundes und hoffentlich Alzheimer-freies Leben auseinandersetzen.
Das Buch ist auch für Fachleute in der Beratung, die immer wieder mit Sorgen älterer Menschen hinsichtlich ihrer geistigen Gesundheit konfrontiert werden, zu empfehlen. Es verdeutlicht einmal mehr die Zusammenhänge zwischen Lebensweise und Krankheitsrisiko, zu denen man oft beraten muss. Außerdem sicher ein geeignetes Buch für Patientenbibliotheken in Kliniken und Arztpraxen.
Rezension von
Dipl.-Pädagogin Bettina Wichers
Gerontologin (M.Sc.), Dipl.-Pädagogin & Coach
CommuniCare. Kommunikation im Gesundheitswesen, Göttingen
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Es gibt 34 Rezensionen von Bettina Wichers.
Zitiervorschlag
Bettina Wichers. Rezension vom 16.03.2016 zu:
Michael Nehls: Alzheimer ist heilbar. Rechtzeitig zurück in ein gesundes Leben. Heyne Verlag
(München) 2015.
ISBN 978-3-453-20100-2.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/19683.php, Datum des Zugriffs 31.05.2023.
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