Sascha Friesike, Oliver Gassmann: Der Kreativcode
Rezensiert von Julia Hartwig-Selmeier, 17.02.2016

Sascha Friesike, Oliver Gassmann: Der Kreativcode. Die sieben Schlüssel für persönliche und berufliche Kreativität. Hanser Verlag (München) 2015. 199 Seiten. ISBN 978-3-446-44557-4. D: 14,99 EUR, A: 15,50 EUR, CH: 21,90 sFr.
Thema
ZentralesThema der vorliegenden Lektüre ist Kreativität und Gelingensfaktoren für persönliche und berufliche Kreativität. Jeder Mensch ist kreativ, die Lektüre gibt Handlungsempfehlungen. Der „Kreativcode“ besteht aus sieben Elementen, die sehr eindrücklich dargestellt werden.
Autoren
Die Autoren Dr. Sascha Friesike und Prof. Dr. Oliver Gassmann lehren und forschen zur Entstehung von Innovationen in Deutschland und der Schweiz. Sascha Friesike studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Berlin, Oliver Gassmann Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hohenheim.
Entstehungshintergrund
Dr. Sascha Friesike und Prof. Dr. Oliver Gassmann promovierten an der Universität St. Gallen im Bereich Technologie- und Innovationsmanagement. Gemeinsam haben sie zahlreiche Publikationen veröffentlicht, u.a. 33 Erfolgsprinzipien der Innovationen (2012). Die vorliegende Lektüre richtet sich an kreative Laien und verzichtet bewusst auf Fachtermini.
Aufbau und Inhalt
In sieben Kapiteln werden die Charaktere Künstler, Rebell, Enthusiast, Asket, Träumer, Imitator und Virtuose vorgestellt. Das Autorenduo bedient sich der rhetorischen Stilfigur Akronym. Die Kapitel sind weder nummeriert noch bauen sie aufeinander auf.
Im Vorwort werden die Anforderungen an die sieben Charaktere auf zwei Seiten zusammengefasst und der zentrale Begriff erläutert: „Kreativität bedeutet immer zu assoziieren und Dinge zusammenzubringen, die vorher nicht zusammengehört haben“ (S. 12). Auf eine Definition des Begriffs wollen die Autoren sich nicht festlegen. Auf etwa 70 von 199 Seiten werden Illustrationen von Constanze Feige abgebildet. Die Cartoons unterstreichen den Inhalt des Textes, der Text bleibt auch ohne Abbildung verständlich. Zahlreiche Studien liegen der Lektüre zugrunde.
Die Erläuterungen der einzelnen Charaktere folgt stets der gleichen Abfolge:
- Zitat und Cartoon zu Beginn,
- Anregungen aus Theorie und Praxis im Mittelteil,
- abschließend Handlungsempfehlungen für die persönliche und berufliche Kreativität bzw. Antworten auf die Frage „Und nun was tun?“.
Die Lektüre schließt mit Literaturempfehlungen.
Erster Charakter im Kreativcode ist der Künstler. Säulen der künsterlischen Kreativität sind Diversität, Toleranz und andere Kulturkreise. Die Autoren weisen auf die Mikro- und Makroperspektive kreativer Prozesse hin (vgl. S. 22, 28). Handlungsempfehlungen kreative Prozesse zu gestalten sind „Kill your Darlings“ und Walt Disney´s dreistufiger Prozess (S. 19), „Artist Date“ (S. 25), Einsatz von Provokation und Humor (S. 31) sowie „additive und subtraktive Kreativität“ (S. 32). Analoges und haptisches Erleben fördern im Gegensatz zu digitalem Arbeiten die Kreativität.
Zweiter Charakter ist der Rebell. Er leistet „Lobbyarbeit für mehr Kreativität“ (S. 51). Unternehmen mit klassischen, hierarchischen Strukturen gleichen einem kreativen Friedhof (vgl. S. 54). Brainstorming und die Anwesenheit der Leitungsebene hemmt Mitarbeitende unkonventionelle Gedanken zu äußern und neue Ansätze und Lösungen zu entwickeln. Empfohlene Methoden sind Rollenspiele und Edward De Bonos „Sechs Hüte“ (S. 57).
Dritter Charakter ist der Enthusiast. Sein Aktionismus zeigt sich in der Bewegung und auf Reisen. Ein Spaziergang durch das Büro oder Meeting im Laufen kann das kreative Vermögen um 60 Prozent steigern (vgl. S. 74). Ebenso erhöhen ein Wechsel von Einzel- und Gruppenarbeit, Erreichbarkeit und Abgeschiedenheit die Kreativität. Enthusiasten sind lösungs- und nicht problemorientiert. In sog. Yes-Sessions werden nur konstruktive Äußerungen zugelassen (vgl. S. 77). Kindliche Neugierde ist elementar für kreatives Handeln. Die „5-Why-Methode“ ist ein wichtiges Werkzeug um Ursachen zu ergründen und neue Lösungen zu entwickeln (S. 83).
Vierter Charakter ist der Asket. Ressourcenknappheit und Achtsamkeit stehen im Zentrum dieser Figur. Optionsvielfalt, volle Terminkalender, starre Strukturen und Emailfluten lähmen kreative Prozesse (vgl. S. 99 und 111). „Nein“ sollte Standardantwort werden um sich auf wichtige Aufgaben und Projekte konzentrieren zu können (vgl. S. 113). Der Asket setzt sich realistische Tagesziele und kürzt seine Lösungen auf ein Minimum (vgl. Iteration S. 101).
Fünfter Charakter ist der Träumer. Dieser befasst sich mit der Wirkung von Licht, Raum und Farbe auf Kreativität. Blau wirkt beruhigend, Rot ist ideal für analytische Aufgaben (vgl. S. 132). 150 Lux fördern kreatives und 1500 Lux analytisches Denken, Neonröhren erschweren Kreativität (vgl. S. 141). Die Autoren empfehlen Träume und Ideen in einem Notizheft festzuhalten, denn „Träume sind Quelle für Inspiration“ (S. 131). Aus Träumen können konkrete Handlungen entstehen. MitstreiterInnen werden mit Hilfe des „MAYA-Prinzipes“ für neue Ideen gewonnen (S. 133).
Sechster Charakter ist der Imitator. Der Imitator archiviert, kopiert, transformiert, kombiniert, variiert und optimiert bestehende Ideen (vgl. S 151). Kreative Imitation ist eine Inspirationsquelle und findet sich in Musik, Kunst, Filmen und Bildern wieder (vgl. S. 149, 154). Prominent für diese Art der Vervielfältigung oder Kopie vorhandener Ideen sind Remixe (vgl. S. 153). Inspirationsquellen sollen anspruchsvoll gewählt werden, „denn Mittelmaß erzeugt Mittelmaß“ (S. 163).
Als siebter Charakter ebnet der Virtuose den Weg zum Kreativcode. Der Virtuose folgt dem Leitsatz „Konkurrenz belebt das Geschäft“ und sucht Austausch mit Sparingspartner, sie geben wertvolles Feedback (vgl. S. 175, 195). Kritik, die Fehler aufzeigt, ist besser geeignet als Lobduschen, denn „Zustimmung hat noch nie etwas verbessert“ (S. 178). Teams werden idealerweise heterogen besetzt, sind zeitlich befristet und bestehen aus drei bis sieben Personen. Neue Mitglieder steigern die Arbeitsleistung und Produktivität (vgl. S. 176). Die Gruppendynamik ist höher, wenn erfahrene und unerfahrene Akteure zusammenarbeiten. Kreativität entsteht nicht im Chaos. Produktivität und Strukturen sind in kreativen Prozessen bedeutsam, Andy Warhol bezeichnete sein Atelier „Factory“ (vgl. S. 181).
Diskussion
Die Lektüre liefert zahlreiche Anregungen für Kreativität im privaten und beruflichen Kontext. Die schwarz-weißen Illustrationen sind lebenig, die Figuren nicht unisex, etwa 90 Prozent männlichen Geschlechts. Die eingangs abgebildete Figur, die die Eigenschaft treffend darstellen möchte, entspricht einer weit verbreiteten Vorstellung. Beispielesweise hält der Künstler einen Pinsel in einer Hand, trägt einen Schnurbart und eine Baskenmüte. Der Asket ähnelt einem Mönch. Der Virtuose dirigiert im Frack.
Die Autoren regen an, sich von Metaphern und Denkblockaden zu lösen und andere Kontexte und Wissensbereiche bei der Lösung von Herausforderungen zu nutzen, andererseits greifen sie auf Stereotype zurück. Gender Mainstreaming wird nicht berücksichtigt. Durch Wiederholungen, die sich durch die Charaktere ziehen, ist der Inhalt sehr einprägsam und leicht verständlich. Die Lektüre richtet sich gezielt an kreative Laien, die Autoren werden diesem Anspruch gerecht. Lesenswert für diejenigen, die einen einfachen Einstieg in die Thematik suchen.
Fazit
Der „Kreativcode“ lässt sich auf sieben Eigenschaften, die einen ganz eigenen Charakter haben, reduzieren: Künstler, Rebell, Enthusiast, Asket, Träumer, Imitator, Virtuose. Widerkehrende Elemente sind die Komplexität und Dynamik kreativer Prozesse, der Wechsel von Perspektiven resp. Nähe und Distanz, Vertrautem und Neuem, die Besetzung von Teams und Gestaltung von Räumen.
Die Lektüre ist anschaulich gestaltet und kurzweilig geschrieben, der Aufbau simpel und plausibel. Wer großes Interesse am Thema und wenig Zeit hat, dem sei die Kurzvorstellung der Charaktere zu Beginn der Lektüre und die Handlungsempfehlungen „Und nun was tun?“ empfohlen. Die Autoren erheben keinen Anspruch die Erwartungen professioneller Kreativer zu erfüllen und verzichten bewusst auf „akademische Floskeln“ (S. 192). Gleichsam verzichten sie auf innovative Interpretationen der Charaktere. Die Handlungsempfehlungen sind universell und geeignet die Anregungen für Kreativität in die eigene Praxis zu übertragen.
Rezension von
Julia Hartwig-Selmeier
Rezensentin Julia Hartwig-Selmeier, Dipl.Soz.-Wiss., Moderatorin, Live-Online-Trainerin, Digital Learning Designerin
Website
Mailformular
Es gibt 13 Rezensionen von Julia Hartwig-Selmeier.
Zitiervorschlag
Julia Hartwig-Selmeier. Rezension vom 17.02.2016 zu:
Sascha Friesike, Oliver Gassmann: Der Kreativcode. Die sieben Schlüssel für persönliche und berufliche Kreativität. Hanser Verlag
(München) 2015.
ISBN 978-3-446-44557-4.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/19704.php, Datum des Zugriffs 23.09.2023.
Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt.
Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns.
Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen
für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.