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Susanne Walz-Pawlita, Beate Unruh et al. (Hrsg.): Identitäten

Rezensiert von Dr. Juliane Noack Napoles, 24.05.2016

Cover Susanne Walz-Pawlita, Beate Unruh et al. (Hrsg.): Identitäten ISBN 978-3-8379-2399-5

Susanne Walz-Pawlita, Beate Unruh, Bernhard Janta (Hrsg.): Identitäten. Psychosozial-Verlag GmbH & Co. KG (Gießen) 2015. 340 Seiten. ISBN 978-3-8379-2399-5. D: 36,90 EUR, A: 38,00 EUR, CH: 49,90 sFr.
Eine Publikation der DGPT.

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Entstehungshintergrund und Thema

Das vorliegende Jahrbuch versammelt, als Tagungsband der 65. Jahrestagung der DGPT im September 2014 in Lindau, Beiträge zu dem Thema Identitäten, wobei es sich um ein Themengebiet handle, dass sich im Grenzbereich von Psychoanalyse, Philosophie und den benachbarten Sozial- und Kulturwissenschaften bewegt.

Die Aktualität der Thematik sehen die Herausgeber in den derzeitigen Veränderungen in Form neuer Kriege, anhaltender Flüchtlingsströme und einer zunehmenden Globalisierung ökonomischer Prozesse. Die Konsequenz das subjektive Selbstverständnis betreffend bestehe darin, dass traditionelle kulturelle und soziale Identitätsmuster immer mehr in Frage gestellt werden. Dies führt zu Überlegungen dahingehend, wie sich unter den neuen Bedingungen Identitäten herausbilden und ob der aus der Philosophie und Sozialwissenschaft in die Psychoanalyse übernommene Begriff der Identität überhaupt eine sinnvolle Kategorie darstellt, die Anforderungen an persönliche Veränderungsprozesse zu beschreiben (S. 9).

Aufbau und Inhalt

Der Sammelband ist in fünf Teile, mit eigenen Zwischenüberschriften, gegliedert, die eine neue innere Zuordnung der Beiträge, die eine Auswahl relevanter Themengebiete der Tagung sind, darstellen sollen.

  1. Identität oder Identitäten?
  2. Zum Identitätsbegriff im politischen und historischen Kontext
  3. Gruppenidentitäten
  4. Überlegungen zum Identitätsthema aus der klinischen Arbeit
  5. Zur professionellen Identität

Zu 1.

Unter dem als Frage formulierten Titel „Identität oder Identitäten?“ sind folgende fünf Aufsätze versammelt:

  • Jürgen Straub: Ein Selbstbildnis erzählen – Narrative Identität, Kontingenz und Migration
  • Tilmann Habermas: Essenzialistische Identität und narrative Identitäten – Was mag ein ‚richtiger‘ Analytiker sein?
  • Inge Seiffge-Krenke: Identität und Beziehungen – Therapeutische Konsequenzen der veränderten Identitätsentwicklung bei Jugendlichen
  • Gerhard Schneider: Identitäten: Verflüchtigt sich die Identität in der Postmoderne?
  • Michael B. Buchholz: Identität? Individualisierung, Intimität, Interaktion!

In diesen Aufsätzen wird sich auf grundsätzlicher Ebene mit der Frage nach der Beschaffenheit von Identität insbesondere vor dem Hintergrund der heutigen, als Postmoderne bezeichneten, sozialen Situation auseinandergesetzt. Während die Autoren der ersten vier Aufsätze der Verwendung einer dynamischen Identitätskonzeption prinzipiell positiv gegenüberstehen, wendet sich Michael B. Buchholz in seinem Aufsatz dagegen, den Identitätsbegriff in der Theoriebildung klinischer Psychologie und Psychoanalyse zu verwenden.

Zu 2.

In folgenden fünf Aufsätzen wird der Identitätsbegriff im politischen und historischen Kontext thematisiert:

  • Vamik D. Volkan: Großgruppenidentität, schweres Trauma und seine gesellschaftlichen und politischen Konsequenzen
  • Robi Friedman: Die Angst vor der Großgruppe – Identität und Soldatenmatrix
  • Hans-Jürgen Wirth: Kollektives Morden – Versuch das radikal Böse zu verstehen
  • Mechthild Klingenburg-Vogel: Der Einfluss kollektiver Traumatisierungen auf die Großgruppenidentität und die Gefahr ihrer politischen Funktionalisierung
  • Michael J. Froese: Der Osten in uns – Vom weitergegebenen Trauma zur kulturellen Adoleszenz

Zu 3.

Mit der Thematik Gruppenidentitäten wird sich vor allem in Verbindung mit dem Sachverhalt (männlicher) Beschneidungsriten auseinandergesetzt. In diesem Sinne konstituiert sich dieses Kapitel aus folgenden Aufsätzen:

  • Matthias Franz: Von der Loyalität zur Identität – Eine Illusion oder eine Perspektive für die Männer?
  • Aydan Özdaglar: In Between – Identität und Migration
  • Dorothee C. von Tippelskirch-Eissing: Annäherungen an das Thema Beschneidung
  • Beate Kienemund: Zum „Gesetz über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes“
  • Şahap Eraslan: Die Bedeutung der Beschneidung in der türkischen Kultur
  • Yigal Blumenberg: Worüber sprechen wir, wenn wir über die Beschneidung sprechen?
  • Bernd Horn: Analytisches Denken zur christlichen Religion – Ein Denkanstoß wider die ewigen Glaubensillusionen

Zu 4.

Überlegungen zum Identitätsthema aus der klinischen Arbeit stellen folgende Autoren aus unterschiedlichen Perspektiven an:

  • Mathias Hirsch: Körpermodifikation als Identitätszeichen oder aber als Identitätsersatz
  • Monika Huff-Müller: Umgang mit Fremdheit und Befremdung in der Psychotherapie mit traumatisierten Patienten
  • Klemens Färber: Das Fremde im Konflikt um die Identität

Zu 5.

Auseinandersetzungen mit der professionellen Identität schließen das Buch. Diese wären:

  • Jürgen Hardt: Leistet das Konzept der professionellen Identität, was wir uns von ihm versprechen?
  • Andreas Herrmann: Identität und Institution – Ein Diskussionsbeitrag zur Frage der professionellen psychoanalytischen Identität

Diskussion

Bei dem vorliegenden Sammelband handelt es sich um einen Tagungsband der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT) e.V. Insofern ist die überwiegende Mehrzahl der Beiträge entsprechend psychoanalytisch bzw. psychotherapeutisch oder psychosomatisch bzw. tiefenpsychologisch ausgerichtet. Das ist die Stärke des vorliegenden Buches, dass nämlich das Thema Identität dezidiert aus eben dieser Perspektive diskutiert und behandelt wird. Für Spezialisten dieses Fachgebiets, in dem und für das Identitätsfragen zentral sind, bietet es somit einen hervorragenden Überblick darüber, wie, vor allem auch in der Praxis, mit Identitätsfragen umgegangen wird, welche im Zuge aktueller sozialer Entwicklungen besonders virulent erscheinen und welche Konsequenzen dies für das eigene professionelle Selbstverständnis hat. Für fachfremde Leser offenbaren sich in den einzelnen Artikeln Problembereiche die Identität betreffend, die entweder aus diversen gesellschaftlichen Umbrüchen oder Anforderungen resultieren oder solche nach sich ziehen. Damit wird einmal mehr die lebensweltliche Relevanz dieses, sich hinter dem Begriff der Identität verbergenden, Phänomens deutlich.

Leider wird nicht jeweils in die fünf Teile explizit eingeführt, d.h. deren Thematik hergeleitet und zum Thema Identität in Beziehung gesetzt. Dies führt dazu, dass die einzelnen Beiträge einerseits teilweise zusammenhanglos einen Teil konstituieren und andererseits genauso gut in einem anderen Teil hätten aufgenommen werden können.

Fazit

Bei dem Buch Identitäten handelt es sich um den Tagungsband der 65. Jahrestagung der DGPT im September 2014 in Lindau, der 22 Aufsätze enthält, die sich vorrangig mit dem Phänomen der Identität, wie es sich aus psychoanalytischer Perspektive offenbart, auseinandersetzen, auch wenn sowohl der Buchtitel, als auch teilweise die Einleitung und einige Aufsatztitel suggerieren, dass es sich um allgemeinere begriffstheoretische Auseinandersetzungen handelt. Die Bandbreite der bearbeiteten Themen in Bezug auf identitäre Fragen und Phänomene macht deutlich, dass trotz postmoderner Einwürfe der aus der Philosophie und Sozialwissenschaft in die Psychoanalyse übernommene Begriff der Identität noch immer eine sinnvolle und unverzichtbare Kategorie darstellt, die Anforderungen an persönliche Veränderungsprozesse zu beschreiben.

Rezension von
Dr. Juliane Noack Napoles
Institut für Bildungsphilosophie, Anthropologie und Pädagogik der Lebensspanne der Universität zu Köln
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Es gibt 12 Rezensionen von Juliane Noack Napoles.

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ISSN 2190-9245