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Christoph Möller (Hrsg.): Internet- und Computersucht

Rezensiert von Sandra Ebert, 25.05.2016

Cover Christoph Möller (Hrsg.): Internet- und Computersucht ISBN 978-3-17-023985-2

Christoph Möller (Hrsg.): Internet- und Computersucht. Ein Praxishandbuch für Therapeuten, Pädagogen und Eltern. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2015. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. 320 Seiten. ISBN 978-3-17-023985-2. 39,99 EUR.

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Herausgeber und Autor_innen

Der Herausgeber Prof. Dr. med. Christoph Möller ist Chefarzt der Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Kinderkrankenhaus auf der Bult in Hannover.

An diesem Werk beteiligt sind neben dem Herausgeber 30 weitere Autor_innen, die aus dem Blick verschiedener Disziplinen und verschiedener Institutionen auf das Thema Internet- und Computersucht blicken.

Entstehungshintergrund

Das Geleitwort zu Beginn des Werks verfasste Dr. med. Oliver Bilke-Hentsch, Ärztlicher Leiter des Schweizer Instituts für Suchtfragen und Abhängigkeitserkrankungen-Kind.Jugend.Familie (SISTA-K.J.F).

Er weist darauf hin, dass sich die deutschsprachige Kinder- und Jugendpsychiatrie seit Mitte der 1990er Jahren mit Suchterkrankungen befasste und seitdem Strukturen etabliert, Angebote ausdifferenziert und wissenschaftliche Fragen, bspw. zur Rolle der Komorbidität, bearbeitet wurden. Im Fokus standen lange Zeit die stoffgebundenen Süchte, während sich parallel hierzu ein bedeutungsvoller medialer Wandel mit Internet, Konsolen- und PC-Spielen, Online-Netzwerken und vielem mehr vollzog.

In dem vorliegenden Buch wurden erstmals und interdisziplinär die folgenden klinisch-praktischen Themen in Bezug auf die Internet- und Computersucht betrachtet: Komorbidität, Trajektionslinien, Übergangsreihen, phänomenologische und klassifikatorische Herausforderungen und therapeutische Zugangswege.

Empirische Daten wurden in diesem Buch herangezogen, daneben sowohl die Weiterentwicklungen im Bereich der Diagnostik als auch neue Kenntnisse über Therapiemethoden und Pathodymamik. So wird am Ende des Geleitwortes der Wunsch geäußert, dass Werke wie dieses einen Beitrag leisten können, dass die Klassifikationsmanuale des DSM IV sowie des ICD-10 weiter diskutiert und überarbeitet werden.

Neben klinisch-wissenschaftlichen Informationen sollen handlungspraktische Anregungen für den Umgang mit dem Thema für Therapeuten, Pädagogen und Eltern gegeben werden.

Aufbau

Das vorliegende Buch gliedert sich in die folgenden sechs Teile, welche jeweils aus diversen Einzelbeiträgen mehrerer Autor_innen, die ausgewiesene Expert_innen auf dem Gebiet sind, bestehen:

  1. Grundlagen
  2. Soziologische, psychologische und pädagogische Aspekte von Mediennutzung und -konsum
  3. Klinische Aspekte der Medien- und Computersucht
  4. Besondere Formen der Internet- und Computersucht
  5. Beratung, Behandlung und Versorgung medien- und computersüchtiger Kinder und Jugendlicher und ihrer Eltern
  6. Prävention und Ausblick

Ergänzt wird die Gliederung durch einen Anhang.

Inhalt

Teil I: Grundlagen beginnt mit einem Beitrag von Nadine Jukschat et al. unter dem Titel Epidemiologische Daten zur Medien- und Computernutzung bei Kindern und Jugendlichen. Deutlich wird, dass die Mediennutzung durch Kinder und Jugendliche einem permanenten Wandel unterliegt: Die Nutzung klassischer Medien erweist sich als eher konstant, während neue Medien wie Computer, Internet und Handy heute selbstverständliche Bestandteile im Leben eines jungen Menschen darstellen, indem sie neue Kommunikationsmöglichkeiten darstellen und Freizeit mit ihnen gestaltet wird. Nutzungs- und Zugangswege, aber auch die Inhalte haben sich verändert und bringen neben allen Vorteilen auch Gefahren mit sich.

Der Beitrag von Gerald Hüther befasst sich mit dem Einfluss der Medien- und Computernutzung auf die Entwicklung des Gehirns von Kindern und Jugendlichen. Zunächst wird anhand der Sinne dargestellt, wie das Hirn im Laufe der Jahre strukturiert und entwickelt wird. Er zeigt, welchen Einfluss emotionale Reaktionen wie die Begeisterung auf Lernprozesse haben, überträgt dies auf die Nutzung der modernen Medien als Werkzeuge der Lebensgestaltung und zeigt auf, dass sich durch deren intensive Nutzung das Selbstbild und die Selbstwahrnehmung eines jungen Menschen verändern können. Auch bieten sie den Vorteil, als Medium der Affektregulation eingesetzt zu werden, bspw. zur Entspannung während des Computerspiels nach einem anstrengenden Schultag. Dabei sollten Kinder insbesondere lernen, ihre Affekte eigenständig zu regulieren. Schließlich wird noch auf die Möglichkeiten der Prävention eingegangen, die immer dann geschieht, wenn junge Menschen im realen Leben etwas leisten können und sich als Teil einer Gemeinschaft zugehörig erleben.

In Teil II: Soziologische, psychologische und pädagogische Aspekte von Mediennutzung und -konsum widmen sich Mößle et al. den Themen Gewalt und Medien. Den Umgang der „Generation 2.0“ mit den Neuen Medien Computer, Internet und Smartphones stellt Christine Morgenroth dar. Weiter gehen Mößle et al. auf den Einfluss der Medien auf die Schulleistung ein und Scheithauer und Schultze-Krumbholz beschäftigen sich mit dem Thema Cybermobbing.

In Teil III: Klinische Aspekte der Medien- und Computersucht zeigt Manfred Spitzer entwicklungspathologische Aspekte der Medien- und Computersucht auf, woraufhin Thomasius et al. die jugendpsychiatrischen Aspekte der Medien- und Computersucht einführen. Vukicevic und te Wildt schließen mit der Diagnostik sowie der Komorbidität bei Internet- und Computerspielabhängigkeit an.

In Teil IV: Besondere Formen der Internet- und Computersucht fokussiert Regine Pfeiffer zunächst auf die Bedingungen, die dazu führen können, dass Kinder und Jugendliche Abhängigkeiten von Online-Rollenspielen und Free-to-play-Spielen entwickeln. Im Anschluss daran beschäftigt sich Tabea Freitag mit Risiken und Nebenwirkungen des Internet-Pornografiekonsums bei Jugendlichen. Anschließend folgen drei Fallbeispiele, welche von Dierssen, Fischer und Süllow vorgestellt werden.

Eberhard Freitag bildet mit dem Bericht aus der ambulanten Beratungs- und Behandlungsarbeit computer- und internetabhängigen Kindern, Jugendlichen und deren Eltern aus der Beratungsstelle „return“ in Hannover den Auftakt für Teil V: Beratung, Behandlung und Versorgung medien- und computersüchtiger Kinder und Jugendlicher und ihrer Eltern. Franz Eidenbenz bringt darauf den systemischen Ansatz in der ambulanten Versorgung und Behandlung ein. Christoph Möller stellt am Beispiel von „Teen Spirit Island“ in Hannover deren ambulante und stationäre Behandlung mediensüchtiger Jugendlicher vor. Emilia Hornemann und Dieter Gerdes beschreiben, wie das Erlernen eines selbstbestimmten Umgangs mit Medien in der Jugendhilfe unterstützt werden kann. Der Blick der Eltern auf die Mediensucht und die Selbsthilfearbeit, die von Christine Hirte und Christoph Hirte vorgestellt werden, runden Teil V ab.

Teil VI: Prävention und Ausblick liefert zunächst mit dem Beitrag von Paula Bleckmann ein Verständnis von Strukturen und Begriffen im interdisziplinären Handlungsfeld der Medienprävention. Uwe Buermann befasst sich daraufhin mit der Erziehung zur Medienkompetenz und Eckhard Schiffer widmet sich dem Lesen als Präventionsmöglichkeit der Medien- und Computersucht. Schließlich gehen Christoph Möller und Emilie Hornemann auf entwicklungsfördernde Elemente ein, die sie aus psychologisch-ärztlicher wie auch pädagogischer Sichtweise darlegen und Anregungen im Umgang mit der Mediensucht bereitstellen.

Im Anhang finden sich Internetadressen, unter welchen man sich zu dem Thema weitere Informationen einholen kann. Daneben werden ausgewählte Adressen von Beratungs- und Behandlungsstellen, Eltern- und Betroffeneninitiativen sowie Fachverbänden bereitgestellt. Auch zu den Themen Internet-Pornografie, Medienkompetenz und -pädagogik sowie zu Interventionsprogrammen werden Kontaktadressen an die Hand gegeben.

Diskussion und Fazit

Das vorliegende Buch vermittelt sehr differenzierte und fachlich fundierte Wissensbestände zum Thema Internet- und Computersucht. Es hat dabei sowohl die Kinder und Jugendlichen, als auch die Eltern im Blick und bezieht darüber hinaus die Helfersysteme mit ein. Es werden die körperlichen, hirnorganischen und psychologischen Wirkungsweisen der Medien beschrieben und die Auswirkungen auf die Jugendlichen dargestellt.

Interessierte Eltern und Fachkräfte erhalten Hinweise, welche Aspekte für den Umgang mit einem mediensüchtigen Kind zentral sind und welche Vereinbarungen mit dem Kind getroffen werden können, um der Internet- und Computersucht entgegen zu treten. Darüber hinaus wird deutlich gemacht, wann es notwendig wird, den Rahmen zu verändern und ambulante oder auch stationäre Unterstützungsmaßnahmen hinzuzuziehen.

Über die Darstellung der Fallbeispiele wird die Arbeit der Fachkräfte greifbarer und verständlicher, so dass diese eine sehr wichtige Ergänzung zur theoretisch-wissenschaftlichen Ebene darstellen.

Die Darstellung der Präventionsmöglichkeiten stellt zudem einen wichtigen Baustein des Buches dar.

Das Buch ist in Bezug auf Aufbau und Themenbündelung übersichtlich aufgegliedert, Grafiken werden eingesetzt, um Inhalte gut und prägnant zusammen zu fassen. Für Menschen, die sich noch weiter mit dem Thema befassen wollen, sind zudem wertvolle Literaturhinweise enthalten.

Das vorliegende Buch ist ein wertvolles, kompaktes und differenziertes Buch für all jene, die sich im beruflichen Kontext mit dem Thema Internet- und Computersucht auseinandersetzen. So können sich Fachkräfte über die körperlichen und psychischen Vorgänge, die Symptome und Spezifika dieser Suchtform informieren und sich gleichzeitig mit Behandlungsmöglichkeiten vertraut machen. Für Eltern, die sich fachlich und intensiv mit dem Thema auseinandersetzen möchten, bietet dieses Buch jedoch ein reiches und wertvolles Spektrum an Informationen und Handlungsoptionen, die ein tieferes Verständnis für das Thema erzeugen.

Rezension von
Sandra Ebert
M.A. in Bildungswissenschaften, B.A. in Sozialer Arbeit, Systemische Beraterin, Supervisorin und Coachin
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Es gibt 8 Rezensionen von Sandra Ebert.

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ISSN 2190-9245