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Yasemin Shooman: "... weil ihre Kultur so ist" (antimuslimischer Rassismus)

Rezensiert von Prof. Dr. Heinz-Jürgen Voß, 10.11.2015

Cover Yasemin Shooman: "... weil ihre Kultur so ist" (antimuslimischer Rassismus) ISBN 978-3-8376-2866-1

Yasemin Shooman: "... weil ihre Kultur so ist". Narrative des antimuslimischen Rassismus. transcript (Bielefeld) 2014. 256 Seiten. ISBN 978-3-8376-2866-1. D: 29,99 EUR, A: 30,90 EUR, CH: 40,10 sFr.

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Thema

Yasemin Shooman liefert mit ihrer Untersuchung zu antimuslimischem Rassismus einen Zugang zu den Stereotypen in der aktuellen medialen Verhandlung von ‚Islam‘ und von als muslimisch markierten Menschen.

Aufbau

Shooman baut ihre Untersuchung ganz „konservativ“ und gründlich auf. Von einem Einstieg ausgehend, erläutert sie die Diskursanalyse, ihre Bedeutung für die Rassismusforschung und die von ihr gewählte Forschungsmethodik. Im folgendem zweiten Kapitel wendet sie sich den allgemeinen Motiven antimuslimischen Rassismus´ zu, um im dritten spezifisch diejenigen in den Blick zu nehmen, die Geschlechterbilder aufgreifen. In Kapitel 4 fokussiert sie auf die neuen Medien, in Kapitel 5 auf diskriminierende Zuschriften, die muslimische Verbände erhielten. Das Buch schließt mit einem kurzen Fazit. Eine ausführliche Gliederung findet sich auf der Verlagsseite.

Grundmuster des antimuslimischen Rassismus´

Thilo Sarrazin hat mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ eine ganze Welle von verbaler und auch physischer Gewalt losgetreten, die sich in besonderem Maße gegen Musliminnen und Muslime richtet. Shooman nimmt ein Zitat von ihm zum Ausgangspunkt, um den medialen antimuslimischen Rassismus diskursanalytisch zu untersuchen (S. 13). Dabei zeigt sie einerseits die Traditionen antimuslimischen Rassismus´ auf, die bis in den Kolonialismus zurückreichen: „Mit dem Kolonialismus geht ein Bruch in der europäischen Wahrnehmung von Musliminnen und Muslimen einher: Das Feindbild des Islams als das eines starken militärischen Gegners und Rivalen wurde abgelöst durch die Vorstellung eines exotischen und unterlegenen Orients, den der Westen zivilisieren müsse. Stereotype über das aggressive und barbarische Wesen der Muslime wurden zwar weiterhin kolportiert, jedoch fest mit der Zuschreibung von Minderwertigkeit verknüpft.“ (S. 43f)

Ausgehend von der Vorstellung des „äußeren Feindes“ habe sich mittlerweile das Bild des „Anderen im Inneren“ herausgebildet (S. 35). Seitdem das in Deutschland geltende restriktive „Abstammungsprinzip“ (mit dem vielen Menschen die deutsche Staatsangehörigkeit verwehrt wurde) aufgeweicht wurde und durch das nun geltende „Geburtsprinzip“ auch Kinder von Migrantinnen und Migranten von Geburt an Deutsche sein können, seien neue Ausgrenzungsmechanismen an der Tagesordnung. Nun seien gerade Argumente „religiöser und kultureller Identität“ bei der Ausgrenzung zentral, wie sie sich in der Debatte um eine deutsche „Leitkultur“ zeigten (S. 38f).

Immer nah an Quellenmaterial arbeitet die Autorin im ersten Teil des Buches die Grundmuster des aktuellen antimuslimischen Rassismus heraus. Sie zeigt, dass er sich aus Tradition speist und gleichzeitig aktualisiert. Antimuslimischer Rassismus nutze den „Dreischritt Essentialisierung, Dichotomisierung und Hierarchisierung“ und negiere „die Hybridität, Durchlässigkeit und Dynamik kultureller Identitäten“ (S. 63). Shooman zeigt mit verschiedenen medialen Beispielen, wie antimuslimischer Rassismus funktioniert. Sie weist dabei darauf hin, dass antimuslimischer Rassismus mittlerweile auch in zunehmendem Maße international funktioniere, wie sich an den rechtspopulistischen Parteien EU-Europas und ihren Kampagnen zeige (S. 51).

Geschlechterbilder im antimuslimisch rassistischen Diskurs

Auch in Bezug auf geschlechtliche und sexuelle Stereotype der Mehrheit müssten häufig Musliminnen und Muslime herhalten. So werde etwa in Stellungnahmen der CDU der „gläubige Muslim“ konstruiert, der homo-, trans- und interphob sei. Auf diese Weise wendeten sich Konservative der Mehrheitsgesellschaft gegen die sexuellen und geschlechtlichen Pluralisierungen und konstruieren gleichzeitig eine Mehrheitsgesellschaft, die frei von Homo-, Trans- und Interphobie wäre (S. 78). Dieses Phänomen wird ausführlicher auch im Band „Karriere eines konstruierten Gegensatzes: Zehn Jahre ‚Muslime versus Schwule‘ – Sexualpolitiken seit dem 11. September“ (2011/2014; hrsg. von Koray Yılmaz-Günay) behandelt.

Ein zweites geschlechtsbezogenes Motiv antimuslimischen Rassismus´ stelle das Stereotyp „der Kopftuchträgerin“ dar. Dieses Narrativ fungiere einerseits dafür, den Islam als rückschrittlich darzustellen, andererseits die Mehrheitsdeutschen von eigenem Geschlechterkonservativismus zu entlasten. Selbst in vollständiger ökonomischer Abhängigkeit ihres Ehemannes lebende mehrheitsdeutsche Frauen könnten und würden sich auf diese Weise als „emanzipatorisch“ verstehen. (S. 87) Neben das Motiv der „bedrohten“ Muslimin werde aber gleichermaßen das der „gefährlichen Muslimin“ gesellt. Um den Islam als gefährlich erscheinen zu lassen, würden so gerade verschleierte Frauen – als Motiv für „die Muslimin“ – eingesetzt und visuell wahlweise mit Bomben und Raketen verbunden (S. 91-99). Als wichtige Stimme antimuslimischen Rassismus´ gilt Alice Schwarzer. Im Weiteren benennt Shooman einige Frauen, die im Mehrheitsdiskurs als „Kronzeuginnen“ für die jeweilige eigene antimuslimisch-rassistische Argumentation aufgebaut werden. Diesen Frauen gemeinsam sei, dass sie selbst auf eine muslimische Sozialisation verwiesen und Islamkritik übten. Hier wie auch an anderen Stellen sei die Frage bedeutsam, wer wann zum Sprechen komme, gehört und zitiert werde (S.100-123).

Abschluss und Fazit

In den sich anschließenden Kapiteln fokussiert Shooman auf die digitalen Medien und arbeitet abschließend die Spezifika der dort wirksamen Argumentationsfiguren heraus, die sich auch der hier bereits thematisierten Motive bedienen.

Mit ihrer Arbeit „‚…weil ihre Kultur so ist‘ Narrative des antimuslimischen Rassismus“ hat Shooman einen knappen, präzisen und gut lesbaren Zugang zur Konstruktion und zu den Funktionen antimuslimischen Rassismus´ erarbeitet. Sie belegt quellenreich, analysiert scharf und kommt dennoch mit knappen 223 Seiten (zzgl. Literaturverzeichnis) aus. Entsprechend eignet sich das Buch hervorragend, um a) einen Zugang zum Themenfeld antimuslimischer Rassismus zu erhalten und b) facettenreich rassistische mediale Argumentationsmotive in den Blick nehmen und sich damit auseinandersetzen zu können.

Rezension von
Prof. Dr. Heinz-Jürgen Voß
Professur Sexualwissenschaft und sexuelle Bildung
Hochschule Merseburg
FB Soziale Arbeit. Medien. Kultur
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Es gibt 61 Rezensionen von Heinz-Jürgen Voß.

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Zitiervorschlag
Heinz-Jürgen Voß. Rezension vom 10.11.2015 zu: Yasemin Shooman: "... weil ihre Kultur so ist". Narrative des antimuslimischen Rassismus. transcript (Bielefeld) 2014. ISBN 978-3-8376-2866-1. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/19814.php, Datum des Zugriffs 09.12.2024.


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