Jost Reinecke: Strukturgleichungsmodelle in den Sozialwissenschaften
Rezensiert von Dr. Christian Heidl, 03.03.2016

Jost Reinecke: Strukturgleichungsmodelle in den Sozialwissenschaften. De Gruyter Oldenburg (Berlin) 2014. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. 397 Seiten. ISBN 978-3-486-70576-8. D: 39,95 EUR, A: 41,10 EUR, CH: 53,90 sFr.
Thema
Die Publikation „Strukturgleichungsmodelle in den Sozialwissenschaften“ rückt eine Einführung in das methodologische und statistische Basiswissen von Strukturgleichungsmodellen sowie die Art und Weise der Nutzung für sozialwissenschaftliche Forschungsfragestellungen in den Mittelpunkt.
In den Kapiteln der zweiten aktualisierten und erweiterten Auflage des Buches wird sowohl auf die historischen Betrachtungen eingegangen sowie auf die Basis diverser Erhebungsdesigns eine Einführung in die Pfadanalyse, in Messmodelle, in die konformatorische Faktorenanalyse bis hin zum allgemeinen Strukturgleichungsmodell. Weiterführend wird einerseits die formale Darstellung der einzelnen Modellvarianten dargelegt, andererseits steht die Erörterung anhand empirischer Beispiele im Fokus. Folglich können auch statistisch weniger erfahrene Anwender die Modellierungen erfassen und auf eigene Fragestellungen transferieren.
Eine Reihe von detaillierten Modellierungen mit Strukturgleichungsmodellen hat sich in den vergangenen Jahren in den sozialwissenschaftlichen Anwendungsbereichen manifestiert. Ein Kapitelt setzt sich dazu mit Wachstums-und Mischversteilungsmodelle auseinander.
Fortlaufend wird für eine EDV-Umgebung des entsprechenden Nutzers und um demnach eine geeignete Präferenz vollziehen zu können, adäquate Programme zu der Berechnung von Strukturgleichungsmodellen mit ihren jeweiligen Aktualisierungen erarbeitet. Auf dieser Basis ist die Publikation im Bereich eines Lehrbuchs anzusiedeln und richtet sich an Masterstudierende sowie Doktoranden der Soziologie, Sozialwissenschaften, Politikwissenschaften, Psychologie und Erziehungswissenschaften.
Autor
Prof. Dr. Jost Reineckes Lehre an der an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld umfasst quantitative Methoden der empirischen Sozialforschung. Schwerpunkte seiner Arbeit sind Strukturgleichungsmodellierungen im Längsschnitt, die Behandlung fehlender Werte in komplexen Datensätzen und die soziologisch-kriminologische Längsschnittforschung.
Aufbau
Der Aufbau des Buches gliedert sich in zehn Kapitel. Eine Einführung zu Beginn eines Kapitels stellt die Thematik umfassend vor. Zahlreiche Abbildungen und Tabellen sorgen für ein besseres Verständnis. Im Anhang legt ein Abkürzungsverzeichnis, Glossar, Autorenverzeichnis sowie Sachregister fundierte Informationen über die Publikation dar.
In der zweiten Auflage dieser Publikation wurde die Literaturliste ergänzt und aktualisiert. Darüber hinaus werden dem Leser Internetlinks angeboten, um an den jeweiligen Stellen weitere Anregungen für diese Thematik darzulegen.
Inhalt
Im ersten Kapitel wird sich in der Einleitung Strukturgleichungsmodellen aus unterschiedlichen Perspektiven angenähert und deren Ziele sowie Strategien aufgezeigt.
Das zweite Kapitel bietet die Entwicklung der statistischen Modellbildung mit Strukturgleichungen. Neben der Einführung und dem Ausgangspunkt erhält der Leser Informationen über die Kausalitäten von Strukturgleichungsmodellen, über deren Eigenschaften sowie methodischen Weiterentwicklungen.
Das dritte Kapitel befasst sich mit Erhebungsdesigns, Daten und Modellen.
Der vierte Kapitel stellt statistische Grundlagen für Strukturgleichungsmodelle in den Mittelpunkt. Dazu rücken Messniveau, Verteilung und Standardisierung in den Fokus. Statistische Zusammenhänge zwischen den Variablen, die Kovarianz und Produkt-Moment-Korrelation sowie die polychorische, tetrachorische und polyserielle Korrelation werden beleuchtet. Weiterführend setzt sich dieses Kapitel mit der linearen Regressionsanalyse, der bivariaten Regression sowie der multiplen Regression auseinander bevor abschließend auf die klassische Testtheorie eingegangen wird.
Im fünften Kapitel setzen sich die Autoren mit Strukturgleichungsmodellen mit gemessenen Variablen auseinander. Hier wird auf rekursive Pfadmodelle, Modellspezifikationen und Berechnung der Pfadkoeffizienten eingegangen. Dazu wird die Reproduktion der Korrelationsmatrix und Effektzerlegung, die Identifikation der Modellparamenter, die Schätzung der Parameter, sowie äquivalente Pfadmodelle und Modellrestriktionen besprochen. Weiterführend werden nicht-rekursive Pfadmodelle, Modellspezifikationen, standardisierte Parameter, multiple Gruppenvergleiche sowie simultane Vergleiche von Pfadmodellen und Mittelwerte dargelegt. Bevor abschließend auf Pfadmodelle im Längsschnitt, das zwei Variablen / zwei-Wellen-Panelmodell sowie die Erweiterung des 2V2W-Standarddesigns vorgestellt wird.
Das sechste Kapitel bietet einen Einblick über Messmodelle. Zu Beginn wird die Modellspezifikation diskutiert. Weiterführend breitet sich ein Spannungsbogen von der Identifikation der Modellparameter, über die Restriktionen im Messmodell bis hin zu der Schätzung der Modellparameter aus. Die Diskrepanzfunktionen unterteilt sich in Absätze wie der Maximum-Likelihood (ML), der Unweighted-Least-Squares (ULS), der Generalized-Least-Square (GLS) sowie dem Weighted-Least-Square. Weiterführend wird auf die Statistiken der Modellprüfung eingegangen, in denen die Modellevaluation: x2-Statistiken, Standardfehler, z-Werte und absoluten Goodness-of-Fit Indizes beleuchtet werden. Dem folgend rücken der Modellvergleich mit dem Likelihood-Ratio (LR)-Test und die komparativen Goodness-of-Fit Indizes in den Fokus der Publikation. Der Abschluss des Kapitels bieten empirische Beispiele und im Anhang sind Programmfiles zu finden.
Das siebte Kapitel setzt sich mit der konfirmatorischen Faktorenanalyse auseinander. Dazu werden die Modellspezifikation, die Identifikation der Modellparameter sowie multiple Gruppenvergleiche von konfirmatorischen Faktorenmodellen diskutiert, die sich unterteilen in konfirmatorische Faktorenmodelle im Längsschnitt, für Multitrait-Mulitmethod-Daten sowie Faktorenmodelle höherer Ordnung. Zusammenfassend werden empirische Beispiele sowie im Anhang: Programmfiles dargelegt.
Das achte Kapitel gibt einen Einblick in das allgemeine Strukturgleichungsmodell. Es werden detailliert die Verbindung von Pfad- und Faktorenanalyse, die Modellspezifikation, die Schätzung und Identifikation der Modellparameter sowie standardisierte und unstandardisierte Koeffizienten, vorgestellt. Weiterführend wird auf die Effektzerlegung, die Techniken der Modellbildung, multiple Gruppenvergleiche von Strukturgleichungsmodellen sowie auf kategoriale Messniveaus in Strukturgleichungsmodellen eingegangen. Der Leser erhält Informationen über Strukturgleichungsmodelle im Längsschnitt, über Ein-Indikatormodelle und multiple Indikatormodelle. Ebenso werden empirische Beispiele anhand von Strukturgleichungsmodellen, multipler Gruppenvergleiche, Strukturgleichungsmodelle mit kategorialen Variablen sowie Strukturgleichungsmodelle für Paneldaten (Markov-Modelle) besprochen. Abschließend wird die Behandlung fehlender Werte in Strukturgleichungsmodellen, datenbasierte Verfahren zur Behandlung fehlender Werte und empirische Beispiele dargelegt.
Das neunte und umfangreichste Kapitel befasst sich mit Wachstumsmodellen- und Mischverteilungsmodellen. Dazu legt der Autor zweifaktorielle, mehrfaktorielle und konditionale Wachstumsmodelle zugrunde. Fortlaufend rücken Wachstumsmodelle mit Faktoren zweiter Ordnung, die Handhabung fehlender Werte in Wachstumsmodellen sowie die Beziehung zwischen Wachstumsmodellen und Mehrebenenmodellen in den Mittelpunkt. Anhand von empirischen Beispielen werden die Wachstumsmodelle in diesem Kapitel verdeutlicht. Im Anschluss werden zweifaktorielle Wachstumsmodelle im Mehrebenenmodell vorgestellt. Dabei werden Mischverteilungsmodelle für Längsschnittdaten diskutiert, dass allgemeine Mischverteilungsmodell (GMM) präsentiert sowie auf Modellierungsvarianten, auf die Modellschätzung und Modellbeurteilung auf das Mischverteilungsmodell mit latenten Klassen (LCGA) sowie auf Mischverteilungsmodelle für Zählvariablen, eingegangen. Abschließend erhält der Leser detaillierte Informationen über das Poisson-Modell, das negative Binominalmodell sowie praktische Hinweise zu empirischen Beispielen zu den LCGA- und GMM-Modellen.
Das zehnte und letzte Kapitel diskutiert EDV-Programme und deren Verwendung. Dazu werden LISREL, EQS, Mplus, Programme für Strukturgleichungsmodelle in R sowie Strukturgleichungsmodelle in Statistikpgrogrammpaketen (SPSS:AMOS), (SAS: PROC CALIS), (STATA:SEM und GSEM) sowie Programme zur mehrfachen Ersetzung fehlender Werte: (NORM, MICE und countimp) beschrieben.
Diskussion
Die Veröffentlichung legt einen umfassenden Überblick zu Strukturgleichungsmodellen in den Sozialwissenschaften zugrunde. Es wird sowohl die Basis von Strukturgleichungs-modellen aufgezeigt, als auch wie diese methodisch und perspektivisch aufbereitet sind und wo diese Daten verfügbar sind. Das breite Anwendungsgebiet, welches sich von der Versorgungsforschung über gesundheitsökonomische Analysen bis hin zur Medical Decision Making sowie Health Technology Assessment erstreckt, bietet einen fundierten Ein- und Überblick bezüglich dieser aktuellen Thematik. Der Lehr- und Handbuchcharakter, den das Kompendium anstrebt, wird dadurch verstärkt.
Fazit
Mit der Publikation „Strukturgleichungsmodelle in den Sozialwissenschaften“ werden methodologische und statistische Grundlagen sowie deren Verwendung in den Sozialwissenschaften ausführlich beschrieben und dargelegt. Eine Einführung in die Pfadanalyse wird hierzu in den Fokus gestellt.
Dieses Werk eignet sich für jeden interessierten Leser, der sich mit der Thematik und Begrifflichkeiten von Strukturgleichungs-modellen auseinandersetzten möchte, die nicht nur einzelne Techniken umfassen, sondern eine ganze Gruppe von Modellen multivariater statistischer Datenanalysen bezeichnet. Kovarianzanalysen oder auch Kovarianzstrukturmodelle sind alternative Begrifflichkeiten für diese Thematik. Weiterhin werden Möglichkeiten diskutiert, um die Komplexität anhand von Sozialdaten strukturiert zu erfassen sowie nachvollziehbar aufzuzeigen. Förderlich für das Verständnis ist hierbei, dass auf die theoretische Grundlage die praktische Anwendung anhand von geeigneten EDV-Programmen dargelegt wird. Der Preis ist für diese Publikation angemessen. Der Leser erhält ein fundiertes und umfassendes Werk über die Datengrundlage von Strukturgleichungsmodellen in den Sozialwissenschaften.
Rezension von
Dr. Christian Heidl
Diplom-Pflegewirt (FH), MSc Dozent und Wissenschaftlicher Mitarbeiter SRH Wilhelm Löhe Hochschule für angewandte Wissenschaften Fürth, Forschungsinstitut IDC
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Zitiervorschlag
Christian Heidl. Rezension vom 03.03.2016 zu:
Jost Reinecke: Strukturgleichungsmodelle in den Sozialwissenschaften. De Gruyter Oldenburg
(Berlin) 2014. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage.
ISBN 978-3-486-70576-8.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/19823.php, Datum des Zugriffs 04.06.2023.
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