Ellen Spangenberg: Behutsame Trauma-Integration (TRIMB)
Rezensiert von Dipl.-Päd. Petra Steinborn, 23.12.2015

Ellen Spangenberg: Behutsame Trauma-Integration (TRIMB). Belastende Erfahrungen lösen mit Atmung, Bewegung und Imagination. Klett-Cotta Verlag (Stuttgart) 2015. 286 Seiten. ISBN 978-3-608-89149-2. 29,95 EUR.
Thema
Methoden zur Behandlung von traumatisierten Menschen gibt es viele. Aber nicht jede/r profitiert von den heute üblichen Behandlungsmethoden, die mit dem Trauma konfrontieren. Die hier vorgestellte Methode TRIMB (Trauma Recapitulation with Imagination, Motion and Breath) arbeitet schonend. Dabei werden intensive schädigende Gefühle mithilfe von Atmung, Bewegung und Imagination lösungsorientiert transformiert. Es wird auf die vollständige Betrachtung von Details des Traumas verzichtet, Trigger und Flashbacks werden entschärft und destruktive Bindungen gelöst. Das Buch richtet sich an Professionelle, die in der Psychotherapie tätig sind und sich weiterentwickeln wollen wie Traumatherapeut*innen und Ärzt*innen, die mit komplex traumatisierten und von daher oft schwer zu behandelnde traumatisierten Menschen arbeiten.
Autorin
Die Autorin Ellen Spangenberg, Jg 1967 ist Fachärztin für Allgemeinmedizin mit dem Zusatztitel Psychotherapie. Sie ist nach langjähriger Tätigkeit in verschiedenen Kliniken mit Schwerpunkt Traumatherapie aktuell in einer ärztliche Privatpraxis für Psychotherapie und Traumatherapie in Kassel tätig. Sie arbeitet als Supervisorin und als Fortbildungsleiterin für Psychotraumatologie und die zunehmend eingesetzte TRIMB-Methode. Neben diesem Buch hat sie im Patmos Verlag das Buch „Dem Leben wieder trauen – Traumaheilung nach sexueller Gewalt“ veröffentlicht.
Entstehungshintergrund
Ellen Sparrenberg hat die von Dr. med. Ingrid Olbricht (verstorben 2004) entwickelte TRIMB-Methode übernommen. Frau Olbricht hatte diese Methode in einem mittel-amerikanischen indigenen Kulturkreis entdeckt (schamanisches Wissen) und für die Traumatherapie weiterentwickelt. TRIMB bezieht Imagination, Atmung und eine lateralisierende (Kopf-) Bewegung mit ein.
Das Buch gehört zur Reihe „Leben lernen“ (Nr. 275) des Klett-Cotta Verlages. Die Reihe „Leben lernen“ stellt Ansätze und Erfahrungen moderner Psychotherapien und Beratungsformen auf wissenschaftlicher Grundlage vor und wendet sich an „die Fachleute aus den helfenden Berufen, an psychologisch Interessierte und an alle nach Lösungen ihrer Probleme Suchenden“.
Aufbau und Inhalt
Das Buch wird als das erste Praxis – Handbuch über die TRIMB Methode angekündigt. Es gliedert sich in 10 Kapitel auf 286 Seiten. Die Kapitel enden jeweils mit dem Impuls „Innehalten“, hinter dem sich Übungen und Übersichten befinden. 13 Abbildungen ergänzen den Text. Die Seiten sind eng beschrieben, allein die Kapitel- und Abschnittsüberschriften unterbrechen den Fließtext. Am Ende des Buches, im Anhang finden sich eine Übersicht über die vorgestellten eingestreuten Fallbeispiele und den Übungen aus den Abschnitten „Innehalten“.
- Was ist TRIMB?
- Anmerkungen zur Prozess-Arbeit im Allgemeinen
- Schritt für Schritt-TRIMB im Detail
- Phasenadaptierte Einsatzmöglichkeiten von TRIMB
- Voraussetzungen, Indikationen, Kontraindikationen, Grenzen und Vorteile der TRIMB-Anwendung
- Einbettung von TRIMB in den Therapieverlauf
- Wirkfaktoren
- Abwandlungen des Ursprungsprotokolls
- Die Kontroversen in der Traumatherapie
- Therapeutische Haltung, Grundprinzipien und ethische Fragen
Es folgen Danksagung, Anhang und Literatur.
Im ersten Kapitel Was ist TRIMB? wird die Herkunft und Entstehung der Methode in Bezug auf die Elemente und den Ablauf vorgestellt. Ellen Sparrenberg hat TRIMB von Dr. med. Ingrid Olbricht (verstorben 2004) übernommen. Diese hatte diese Methode in einem mittel-amerikanischen indigenen Kulturkreis entdeckt und für die Traumatherapie weiterentwickelt. TRIMB bezieht Imagination, Atmung und eine lateralisierende (Kopf-)Bewegung in die Therapie mit ein. TRIMB steht für Trauma Recapitulation with Imagination, Motion and Breath.
Im zweiten Kapitel Anmerkungen zur Prozess-Arbeit im Allgemeinen wird erläutert, was Prozess-Arbeit ist, wie das Gehirn funktioniert, welche Art der Gesprächsführung von Nutzen ist. Ebenso werden hypnotherapeutische Feinheiten und therapeutische Rahmenbedingungen erklärt. Dazu gehört z.B. auch die Sitzordnung. Bei allem ist der grundsätzliche Leitsatz: „safety first“.
Im dritten Kapitel Schritt für Schritt-TRIMB im Detail wird gezielt in die Methode eingeführt. Es geht um die Auswahl der passenden Hot-spot-Situation, um die Distanzierung mit doppelter Rahmung und um die Nutzung von sog. Lernfenstern. Kern der Arbeit bilden die Affekte, die entdeckt, skaliert und visualisiert werden.
Das vierte Kapitel Phasenadaptierte Einsatzmöglichkeiten von TRIMB beschreibt TRIMB in Hinblick auf die Stabilisierung, die dann angewandt wird, wenn eine Traumakonfrontation (noch) nicht möglich ist. Dabei geht es um die Bewältigung von Alltagsstress und um die sog. Triggerentlastung. In der Traumabearbeitung kann TRIMB in vielerlei Hinsicht eingesetzt werden z.B. bei Monotrauma, bei belastenden und traumatischen Verlusten, bei bevorstehenden Situationen, bei Komplex- und Bindungstraumatisierungen, bei DIS (gemeint sind Menschen mit dissoziativer Identitätsstruktur) oder bei Kindern und bei Menschen mit Lernschwierigkeiten. Darüber hinaus kann TRIMB auch im Beratungssetting eingesetzt werden.
Im fünften Kapitel Voraussetzungen, Indikationen, Kontraindikationen, Grenzen und Vorteile der TRIMB-Anwendung werden Voraussetzungen aufseiten der Therapeutin und aufseiten der Klienten beleuchtet. Zudem geht es um Indikationen und Kontraindikationen sowie Grenzen der Methode, aber auch Vorteile von TRIMB, die eine besonders schonende Methode ist.
Das sechste Kapitel befasst sich mit der Einbettung von TRIMB in den Therapieverlauf in Bezug auf das Arbeitsbündnis, die Anamnese und Traumalandkarte, Psychoedukation und Aufklärung sowie die äußere Sicherheit. Auch das Thema Täterkontakt wird angesprochen. Es geht um stabilisierende Imaginationsübungen, um die Tresor-Übung als Containment-Technik, um Hilfen zur Reorientierung und sog. Fingersignale.
Das siebte Kapitel hat mögliche Wirkfaktoren zum Inhalt. Genannt werden die therapeutische Beziehung, die Affektdifferenzierung, Selbstwirksamkeit und Lösungsorientierung, Imagination, physiologische Faktoren, Desensibilisierung, Ritual, Suggestion und die Überzeugung von Therapeutin und Klienten.
Im achten Kapitel werden Abwandlungen des Ursprungsprotokolls vorgestellt, die Frau Spangenberg entwickelt hat.
Im neunten Kapitel werden Kontroversen in der Traumatherapie diskutiert. Die Entwicklung von traumatherapeutischen Ansätzen ist rasant und nicht selten sind Grabenkämpfe die Folge. Es wird betrachtet, ob man eher konfrontieren statt stabilisieren oder entlasten sollte, die Autorin berichtet über die Tendenz von „zu krassen und schnellen Methoden“.
Das zehnte Kapitel reflektiert die therapeutische Haltung, Grundprinzipien und ethische Fragen. Darin geht es um die fachliche Kompetenz und Selbsterfahrung, Respekt, Achtung, Validierung und Wertschätzung, die Ressourcen- und Lösungsorientierung, die Transparenz und Arbeit auf Augenhöhe, um Ehrlichkeit und Echtheit, Empathie und Mitgefühl, Parteilichkeit, den Umgang mit Übertragung und Gegenübertragung, um die Vorsicht mit Deutungen, das Ausbalancieren und Pendeln, um Ausdauer, Humor, Hoffnung und Zuversicht, Genderaspekte und am Ende um Selbstfürsorge, Psychohygiene und eigene Resilienz.
Das Buch endet mit einer Danksagung, einem Anhang und einem Literaturverzeichnis. Im Anhang sind alle Titel der Fallbeispiele mit Seitenzahlen aufgeführt, was das gezielte Suchen erleichtert, daneben gibt es einen Überblick über Übungen und Übersichten sowie einen Hinweis zu der Internetseite von Ellen Spangenberg, die auch in TRIMB fortbildet.
Diskussion
TRIMB ist eine Abwandlung bzw. Weiterentwicklung von EMDR, was für Eye Movement Desensitization and Reprocessing, übersetzt „Desensibilisierung und Neubearbeitung mit Augenbewegungen“ steht. EMDR ist als Methode zur Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen wissenschaftlich anerkannt und sehr erfolgreich. In den 1990 er Jahren kam EMDR nach Deutschland. 25 Jahre nach der Entwicklung von EMDR erfährt die Methode zunehmend breite internationale Anerkennung. Die Autorin dieses Buches hat das Vermächtnis von Frau Olbricht übernommen, die TRIMB in Deutschland bekannt gemacht und fortentwickelt hat.
Die Seiten im Buch sind eng beschreiben, es ist der Autorin anzumerken, dass sie viel von ihrem Wissen weitergeben möchte. Ergänzt wird der Text durch eingestreute Beispiele und Abbildungen. Diese verdeutlichen die Inhalte. Die Beispiele und die Übungen sind eingerückt und in einer anderen Schriftart gedruckt, so heben sie sich hervor. Einige Beispiele sind von Klienten selber geschrieben, manche sind aus Therapiesituationen anderer Therapeut*innen übernommen. Das zeigt, dass Frau Spangenberg an einem offenen Austausch interessiert ist und nicht nur die eigenen Erfahrungen weitergibt. Am Ende jeden Kapitels findet man unter der Rubrik „Innehalten“ Impulse. In diesen Impulsen wird die Leserschaft direkt angesprochen, was einen großen Aufforderungscharakter hat.
Das Buch ist aus der Praxis heraus für die Praxis von Fachleuten geschrieben. Trotz der Verdichtung ist es gut zu lesen. Jedes der 10 Kapitel hat zahlreiche Zwischenüberschriften, diese lockern den Text auf und erlauben, gezielt nach Themen zu suchen, die von besonderem Interesse sind.
Fazit
Methoden zur Behandlung von traumatisierten Menschen gibt es viele. Aber nicht jede/r profitiert von den heute üblichen Behandlungsmethoden, die mit dem Trauma konfrontieren. Die hier vorgestellte Methode TRIMB (Trauma Recapitulation with Imagination, Motion and Breath) arbeitet schonend. Dabei werden intensive schädigende Gefühle mithilfe von Atmung, Bewegung und Imagination lösungsorientiert transformiert. Es wird auf die vollständige Betrachtung von Details des Traumas verzichtet, Trigger und Flashbacks entschärft und destruktive Bindungen gelöst. Das Buch richtet sich an Professionelle, die in der Psychotherapie arbeiten und sich weiterentwickeln wollen wie Traumatherapeut*innen und Ärzt*innen, die mit komplex traumatisierten und von daher oft schwer zu behandelnde traumatisierten Menschen zu tun haben. Ausgangspunkt von TRIMB war EMDR, welches weiterentwickelt wurde durch Handlungsweisen aus dem mittel-amerikanischen indigenen Kulturkreis. Wer an dieser eindrucksvollen Weiterentwicklung Interesse hat sollte das Buch unbedingt kaufen.
Rezension von
Dipl.-Päd. Petra Steinborn
Tätig im Personal- und Qualitätsmanagement in einer großen Ev. Stiftung in Hamburg-Horn. Freiberuflich in eigener Praxis (Heilpraktikerin für Psychotherapie). Leitung von ABC Autismus (Akademie-Beratung-Coaching), Schwerpunkte: Autismus, TEACCH, herausforderndes Verhalten, Strategien der Deeskalation (systemisch), erworbene Hirnschädigungen
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