Judith Fritz, Nino Tomaschek (Hrsg.): Die Stadt der Zukunft
Rezensiert von Prof. Dr. Detlef Baum, 03.03.2016

Judith Fritz, Nino Tomaschek (Hrsg.): Die Stadt der Zukunft. Aktuelle Trends und zukünftige Herausforderungen. Waxmann Verlag (Münster, New York) 2015. 284 Seiten. ISBN 978-3-8309-3276-5. 34,90 EUR.
Thema
Städte verändern sich, sie schrumpfen, sie wachsen aber auch. Sie sind immer stärker in verstädterten Räumen und Metropolregionen eingebettet, wodurch sich ihre Rolle, aber auch ihre Funktionen verändern. Und sie entwickeln immer mehr eine Eigenlogik von Integration und Ausgrenzung – je nachdem wie stark ihre kulturelle und soziale Diversität und Vielfalt das urbane Leben bestimmt.
Städte sind aber auch immer ein Teil der Gesellschaft und unterliegen gesamtgesellschaftlichen Wandlungsprozessen und Entwicklungen. Ihre Perspektiven sind oft auch geprägt durch ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Dynamik, die sie im Kontext der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung entfalten können oder eben auch nicht.
Wie sieht die Stadt der Zukunft aus, in der einerseits ein gutes Leben gelingt und andererseits auf die vorhandenen Ressourcen Rücksicht genommen wird? Wie kann eine Stadtentwicklung auf die Anforderung an Nachhaltigkeit und effizientem Einsatz von natürlichen Ressourcen reagieren? Und wie kann sie angesichts der wachsenden kulturellen Vielfalt, sozialstrukturellen Differenziertheit und sozialräumlichen Segregation mit den Integrationspotentialen umgehen, die sie als Stadt hat?
Herausgeberin und Herausgeber
Judith Fritz ist Projektmanagerin am Postgraduate Center der Universität Wien.
Nino Tomaschek ist Leiter des Postgraduate Centers der Universität Wien und lehrt als Privatdozent an der Universität Augsburg.
Autorinnen und Autoren
Die übrigen Autorinnen und Autoren kommen aus den Bereichen der Geographie, der Stadt- und Regionalforschung, der Raumplanung, der Stadtentwicklung und Stadtentwicklungspolitik, der Kulturanthropologie und der praktischen Planung.
Aufbau
Nach einem kurzen Vorwort, in dem auf das Projekt „University Meets Industry“ eingegangen wird, in dessen Kontext das vorliegende Buch entstand, und nach einer kurzen Einleitung, in der die einzelnen Beiträge kurz vorgestellt werden, gliedert sich das Buch in drei große Kapitel mit vier, fünf bzw. sieben Beiträgen.
- Städte neu denken
- Standortbestimmungen und Entwicklungstendenzen
- Perspektiven für Wien
Zu: I. Städte neu denken
Zu: Für eine Offene Stadt. Stadtentwicklung zwischen Fortschritt und Trägheit (Johanna Rolshoven)
Die Autorin beschäftigt sich mit Stadt als Ausdruck und Spiegelbild der Gesellschaft aus der Sicht der Kulturanthropologie. Die Widersprüchlichkeiten, Ambivalenzen und Ambiguitäten, die den Alltag des Städters prägen, sind zugleich auch Herausforderungen für die Gesellschaft und verweisen auch auf Probleme gegenwärtiger moderner Gesellschaften. Rolshoven entfaltet diese Alltagswelt und ihre strukturellen Rahmenbedingungen in der Stadt wie sie sich historisch entwickelt hat und wie sie gegenwärtig zu verstehen ist.
Die Autorin geht dann auf die Geschichte ein, die in der Vergangenheit immer schon die bauliche Struktur der Stadt geprägt hat und in der sich auch das Verständnis von gesellschaftlicher Repräsentation, von Präsentationsformen im öffentlichen Raum und von urbaner Mentalität widerspiegeln. Insofern sind Stadtkonzepte Zeitspiegel, was die Autorin entfaltet.
Sie diskutiert dann die Offene Stadt als Gegenmodell zu den gesellschaftlichen Schließungen einer postfordistischen Sauberkeits-, Sicherheits- und Ordnungspolitik. Diese Politik findet ihren Ausdruck in den Gefahrenabwehrverordnungen der Städte, mit denen vor allem in den Innenstädten unerwünschte Zeitgenossen beseitigt werden.
Wie gelingt angesichts dieser Entwicklungen eine Offene Stadt, deren Rahmen eine Offene Gesellschaft ist? fragt die Autorin weiter. Sie diskutiert dabei auch den Wandel des Öffentlichkeitsbegriffs und verweist auf die Diskurse, in denen dem öffentlichen Raum wieder eine höhere Bedeutung zugemessen wird. Die Indikatoren dieser Entwicklung sind eine zunehmende Local Governance, in der die Stadtbürgerschaft über Teilhabe und Aushandlung Einfluss auf die politischen und sozialen Prozesse in der Stadt Einfluss gewinnen will.
Abschließend entfaltet die Autorin, wie die Stadt angesichts zunehmender kultureller Heterogenität und sozialstruktureller Differenziertheit eine lebbare Stadt sein kann.
Zu: Urban Imaginaries: Vorstellungswelten moderner Städte (Johannes Suitner)
„Imaginaries sind gesellschaftlich anerkannte, meist simplifizierte Vorstellungen komplexer sozialer Gebilde wie etwa ‚Wirtschaft‘, ‚Kultur‘ oder ‚Stadt‘“ (31).
Der Autor schildert zunächst ein Experiment mit Studenten, in dem er diese bittet, sich an den letzten Besuch in einer Stadt zu erinnern und diesen Besuch zu schildern. Mit imaginaries werden komplexe Begriffe auf das konkrete Handeln und reduziert und vereinfacht. Dies entfaltet der Autor sehr ausführlich und tiefgehend, beschreibt dann den Begriff der Imaginaries in den Wissenschaften und zitiert entsprechende Studien. Weiter diskutiert der Autor Charles Taylor und dessen „Modern social imaginaries“, bevor er auf Urban Imaginaries als Vorstellungswelten moderner Städte diskutiert. Stadt ist Gesellschaft, dementsprechend finden wir gesellschaftliche Vorstellungen eines guten Lebens, einer sozialverträglichen kulturellen und sozialen Heterogenität in der Stadt – vielleicht auch verdichtet – wieder. Dies wird ausführlich erörtert.
Was hat schließlich das Konzept der Imaginaries mit der Zukunft der Stadt zu tun?
Einmal ist das Konzept der Vorstellungswelten eine sinnvolle Abstrahierung, um ein Verständnis von Stadt zu erklären und zu vermitteln. Zum anderen hilft das Konzept, bestimmte Entwicklungen nachvollziehen zu können. Und drittens können aus dem gültigen Selbstverständnis Handlungsfelder abgeleitet werden, die die Zukunft der Stadt mit entscheiden.
Zu: Nachhaltige Stadt- und Raumentwicklung (Andreas Voigt)
Der Autor stellt zunächst planungstheoretische Grundlagen einer nachhaltigen Stadt- und Raumentwicklung vor. Dabei diskutiert er ausführlich auch das Leitbild der Nachhaltigkeit, geht auf einige Leitwerte ein wie z. B. Existenz und Versorgung, Reproduktion, Handlungsfreiheit, Wandlungsfähigkeit, Koexistenz oder psychische Bedürfnisse. Weiter diskutiert der Autor die Innenentwicklung der Siedlungsräume unter dem Aspekt der Energie-Raumplanung und stellt dabei einige Projekte vor, die mit Bildern unterlegt werden.
Zu: Die Urbanität außerhalb der Stadt (Christof Isopp, Roland Gruber)
Es geht im Grunde um das Stadt-Land-Verhältnis, um den ländlichen Raum und seine Bedeutung für die Stadt und vice versa. Was macht die Anziehungskraft des Städtischen aus und sind wir auf dem Weg der Urbanisierung des Dorfes als eine mögliche Überlebensstrategie des Dorfes angesichts der auch in Österreich zu beobachtenden Landflucht?
Der Autor schildert zunächst auch die Anziehungskraft des Urbanen und fragt nach Begründungen. Dabei kommt er auf die von Richard Florida entwickelten drei T´s: Technologie, Talente und Toleranz als Standortfaktoren, die auch ein Dorf attraktiver machen könnten. Der Autor beschreibt diese drei T´s ausführlich, ordnet sie dem Standortfaktor Urbanität zu und fragt, wie man den Urbanisierungsgrad von einer Gemeinde auf die andere übertragen könnte oder ob sich jede Gemeinde diese Urbanität selbst als Eigenstellungsmerkmal erarbeiten oder entwickeln muss.
Weiter beschreibt der Autor einige Nadelstiche auf dem Weg zu einer dörflichen Urbanität und stellt auch Beispiel vor.
Der Autor geht dann auf die beiden Faktoren Dichte und Mobilität ein, wobei Dichte eher ein städtisches Phänomen ist und Mobilität eine der zentralen Bedingungen gelingender Urbanität ist. Weiter geht es dem Autor um die Vielfalt und die Vernetzungen, auf die viele Gemeinden setzen. Auch hier findet der Autor entsprechende Beispiele.
Zu: II. Standortbestimmungen und Entwicklungstendenzen
Zu: Slums: Definitionen, Perspektiven, Handlungsansätze – ein Debattenüberblick (Henning Nuissl, Dirk Heinrichs)
Was ist ein Slum und ist dies überhaupt eine Kategorie, die analytisch und theoretisch zielführend ist? fragen die Autoren zunächst. Sie stellen zuerst eine Reihe von Definitionen vor, die seit Anbeginn negativ konnotiert sind. Dabei spielt die Definition des UN-HABITAT 2003 eine besondere Rolle, weil sie auch international verwendet wird, und weil sie einen praktikablen Ansatz bietet, auch wenn sie z. B. städtebauliche Besonderheiten, Armut und soziale Exklusion nicht berücksichtigt und die Rechtssicherheit hinsichtlich der Verfügbarkeit von eigenem Wohnraum zwar benennt, was aber empirisch nicht zu erheben ist.
Warum sind Slums ein Problem? fragen die Autoren weiter, gehen auf die städtebaulichen und infrastrukturellen Probleme ein und diskutieren dann soziale Probleme wie Armut und soziale Ausgrenzung, Diskriminierung und Stigmatisierung, Kriminalität und Verfall der Sitten. Weiter erwähnen sie den subkulturellen Aspekt der „Kultur der Armut“ (Oscar Lewis). Sie benennen dann auch institutionelle Probleme, die das Gefüge von Normen und Werten betreffen.
Wie lässt sich die Situation in den Slums verbessern? Die Autoren stellen eine Reihe verschiedener Positionen vor, gehen auf lokale Verwaltungen ein, die eine Reihe von Projekten gestartet haben, die zu einer Verbesserung der Lebensverhältnisse in ihren Slums beitragen. Wie sich aber langfristig auch die Mentalität der Slumbewohner beeinflussen lässt, ist eher ein Problem. Selbst wenn die These stimmt, dass man Verhalten nur dann verändert, wenn man die Verhältnisse verändert, ist es schwer und ein über mehrere Generationen hinweg andauernder Prozess, das Verhalten, die Einstellungen und die Mentalität der Slumbewohner selbst zu verändern.
Zum Schluss gehen die Autoren noch auf praktische Ansätze und Strategien im Umgang mit Slums ein. Dabei sprechen sie besonders die politische und planerische Ebene an. Bei aller Unterschiedlichkeit der Ansätze stellen die Autoren tabellarisch fest, dass man sich auf einige Aspekte einigen konnte: auf die physische Aufwertung, auf die Besitzrechte für Boden und Wohnraum, auf die ökonomische Verbesserung, auf soziale Sicherheit und Integration, auf Risikominderung und auf Bürgerbeteiligung.
Zu: European Cities between Shrinkage und Regrowth. Current Trends and Future Challenges (Annegret Haase)
In diesem englischsprachigen Beitrag geht es um die europäischen Städte zwischen Schrumpfung und Reurbanisierung als scheinbar gegensätzliche Entwicklungspfade. Die Autorin diskutiert zunächst einmal dieses Verhältnis, stellt fest, dass es immer auch sehr unterschiedliche Ausprägungen dieses Verhältnisses in Europa gab und nennt dabei eine Reihe von empirischen Beispielen.
Vor diesem Hintergrund diskutiert die Autorin die momentanen Trends von schrumpfenden und reurbanisierenden Städten, beleuchtet die Dynamik dieser Prozesse, zeigt, wie auf verschiedenen Bühnen und Arenen der Stadtentwicklung Anstöße diskutiert werden und wie die Städte darauf reagieren.
Sie diskutiert zunächst auch den Begriff der schrumpfenden Stadt ausführlich und benennt die dabei entstehenden Probleme. Weiter diskutiert A. Haase den Einfluss der Schrumpfung auf die sozialräumliche Differenzierung und die residentielle Segregation. Dabei kommt sie dann auch zur Frage, wie die Schrumpfung auch das Wohnen beeinflusst, was mit dem Leerstand passiert und wie sich die Infrastruktur verändert, wenn weniger Menschen sie benutzen. Dies diskutiert die Autorin sowohl für die westeuropäischen wie auch für die osteuropäischen Großstädte. Weiter fragt sie danach, welche Folgen Deindustrialisierungsprozesse auch auf die Raumgestalt der Stadt haben. Was passiert mit den Brachflächen und dem Leerstand dann?
In einem weiteren Teil des Beitrags geht die Autorin dann auf den Prozess der Reurbanisierung und einem neuem Wachstumstrends nach der Schrumpfung der Städte ein. Sie diskutiert dabei ausführlich diese beiden Prozesse an Hand der Literatur und verschiedener Studien. Wie muss man sich den Weg von der Schrumpfung zu neuem Wachstum vorstellen? fragt dann die Autorin weiter und geht dabei besonders auf Leipzig ein. Die innere City und ihre Reurbanisierung stellt dabei eine besondere Herausforderung der Stadtentwicklung dar. Die Autorin geht dabei auf einige wichtige Kriterien ein, die eine Reurbanisierung ausmachen und stellt Charakteristika der Reurbanisierung vor. Sie geht dann weiter auch noch auf neuere Trends in der Stadtentwicklung osteuropäischer Städte ein. Zum Schluss fragt A. Haase dann noch nach Aussichten und Herausforderungen für die Zukunft.
Zu: Creating New Urban Quarters from Underutilised Industrial and Infrastructural sites: Vienna and Zagreb in Focus (Yvonne Franz, Martina Jakovcic, Nenad Buzjak)
Es geht in diesem ebenfalls englischsprachigen Beitrag um die Neu- bzw. Umgestaltung von Quartieren, die ihre Bedeutung oder Funktion als Industriequartiere verloren haben. Das Autorenteam bezieht sich dabei auf Quartiere in Wien und Zagreb und nimmt dabei eine vergleichende Perspektive ein.
Zunächst verfolgt das Autorenteam das industrielle und infrastrukturelle Erbe der Quartiere, die zu neuen Stadtquartieren mit urbanem Flair wurden. Es geht um Brauch- und Freiflächen, die nicht genutzt werden und sich auch in den Innenstädten befinden. Dabei diskutiert das Autorenteam zunächst auch die Literatur und fragt dabei, was der Unterschied zwischen Brachflächen und nicht genutzten Räumen ist. Danach wird die Methode des Vergleichs vorgestellt, die es ermöglicht, Wien und Zagreb zu vergleichen. Es werden dann ausführlich Quartiere und deren Geschichte und Entwicklung in Wien und Zagreb vorgestellt, die untersucht wurden.
In seiner Schlussfolgerung diskutiert das Autorenteam die Ergebnisse des Vergleichs zweier unterschiedlicher Stadtteile. Der Funktionswandel vor und nach der Konversion ist der augenfälligste Unterschied zwischen Wien und Zagreb. In Wien wurden die neuen Quartiere hauptsächlich dem Wohnen und der sozialen Infrastruktur zugeführt, während in Zagreb die Brauchflächen eher einer kulturellen Nutzung zugeführt wurden. Ein weiterer zentraler Unterschied ist der Weg zum neuen Quartier. Wo in Wien die Stadtverwaltung ihren Einfluss geltend gemacht hat und public-private-partnership eine Rolle spielte, waren es in Zagreb eher private Akteure und Investoren, die das Geschehen bestimmten.
Zu: Smart City: Innovationspotentiale für eine wettbewerbsfähige und nachhaltige Stadtentwicklung? (Rudolf Giffinger, Gudrun Haindlmaier)
Was meint Smart City und welches Verständnis von Stadt wird hier unterstellt, wenn von einer wettbewerbsfähigen und nachhaltigen, energieeffizienten, infrastrukturell effektiven und ökologisch agierenden Stadt gesprochen wird. Diesen Fragen widmen sich die Autorin und der Autor zunächst. Sie diskutieren dabei die durch Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglichte ressourcenschonende Stadtentwicklung. Dieses Konzept wird ausführlich erörtert und in ihm wird auch die treibende Kraft und der Lösungsansatz neuer Probleme in der Stadtentwicklung gesehen.
Giffinger und Haindlmaier erörtern dann den Begriff der Smart City als eine technikgetriebene Stadtentwicklung und fragen dann nach einem veränderten Smart-City-Verständnis. Dabei wird deutlich, dass insbesondere die Bewohnerinnen und Bewohner in den Blick gerückt werden müssen. Es geht um Fragen der Governance und um die institutionellen Regeln der Beteiligung an den Prozessen, die Voraussetzungen für eines Verhaltens- und Mentalitätswandel des „smart Bürgers“ sind.
In ihrem Ausblick gehen die Autorin und der Autor auf die Frage ein, wie ein städtisches Innovationspotential der Smart City Teil einer strategischen Planung werden kann.
Zu: Sinn und Unsinn von Indikatoren zur energieeffizienten Stadtentwicklung (Herbert Hemis)
Der Autor beschäftigt sich einleitend mit dem Ranking von Städten auf der Basis bestimmter Indikatoren. Dabei beklagt er, dass zwar eine Reihe wichtiger Indikatoren genannt werden, aber nicht solche, die die Energieeffizienz abbilden. Mit solchen Indikatoren setzt sich dann Hemis ausführlich auseinander, nennt methodische Schritte zur Entwicklung von Indikatoren, die in einem Schaubild übersichtlich vorgestellt werden. Es geht um Schritte wie Messziele, Definitionen, Grenzen, Zusammenhänge, Datenverfügbarkeit, Zeithorizont, Darstellung, Evaluation und Alternativen. Dies wird auf der Stadtebene abgebildet und diskutiert, danach wird auf das Projekt Smart City PROFILES verwiesen, wo 21 Indikatoren entwickelt wurden, die im Pentagon von Politik und Verwaltung, Wirtschaft und Bevölkerung, Technische Infrastruktur, Verkehr und Mobilität und Gebäude und Siedlungsstrukturen verortet werden. Dies wird ausführlich vorgestellt.
Zum Schluss geht es dem Autor noch um Risiken bei Indikatoren, die sich auf die Aussagequalität, die Gesamtdarstellung, die Systemgrenze und die Ressourcen und den Datenschutz beziehen.
Zu: III. Perspektiven für Wien
Zu: Urbane Ökonomie der Zukunft - Wien 2030. Aktueller Strukturwandel und Szenarien der zukünftigen Stadtwirtschaft (Peter Mayerhofer, Robert Musil)
Die Frage nach der Stadt wird zukünftig eine Frage nach der Gesellschaft sein, in die sie eingebettet ist. Was also bedeutet eine sich im Wandel befindliche Stadtwirtschaft? Dies wird an Hand der Wiener Stadtwirtschaft nachvollziehbar. Die Autoren gehen zunächst auf die Entwicklung und die strukturellen Prozesse einer erstarkenden Metropolregion ein, die zugleich als eine reiche und wettbewerbsfähige Agglomeration verstanden wird. Aber die Wettbewerbssituation Wiens ist nicht automatisch gesichert. Dies belegen die Autoren an Hand empirischer Zahlen und sie verweisen auf strukturelle Prozesse wie den der De-Industrialisierung und den der Tertiärisierung, also auf den Prozess, der Wien auch zu einem Dienstleistungszentrum macht.
Die Autoren machen dann Erklärungsfaktoren für diesen Wandel aus, namentlich exogene Faktoren, wie die des internationalen Wettbewerbs und den der Globalisierung.
Dann gehen die Autoren sehr ausführlich auf die strukturelle Positionierung innerhalb des europäischen Metropolensystems ein und entwickeln Szenarien der zukünftigen Entwicklung der Stadtwirtschaft. Weiter beschreiben sie Megatrends der urbanen Ökonomie Wiens und stellen dann vier Szenarien vor.
- Verdammt zur Selbstgenügsamkeit, was auch eine Verlangsamung des ökonomischen Strukturwandels bedeutet.
- Zu schön, um wahr zu sein, was heißt, dass aufgrund einer Liberalisierung und einem hohen Potential an Humanressourcen die Situation sehr günstig ist. Es kommt zu einer Beschleunigung des Wandels.
- Post-industrielle Insel. Das heißt, dass sich aufgrund schwacher exogener Impulse und schwieriger endogener Standortvoraussetzung der regionale Strukturwandel entschleunigt.
- Auf der Strecke bleiben, was bedeutet, dass es aufgrund des internationalen Wettbewerbs und der ungünstigen Voraussetzungen zu einer Stagnation des Strukturwandels kommt.
Zu: Soziale Mischung und soziale Durchmischung. Ein gesellschaftspolitisches Ideal zwischen Anspruch und Wirklichkeit (Heinz Faßmann, Yvonne Franz)
In den großen Städten konzentrieren sich die Migranten. Der Arbeitsmarkt, die ethnische Community und nicht zuletzt die im öffentlichen Raum vorherrschende Vorstellung, dass man sich soweit integriert fühlen kann, wie man sich im öffentlichen Raum angemessen verhalten kann, führen zu dieser Konzentration und damit auch zu einer Kumulation von Integrationsproblemen. Die Städte – so die Autorin und der Autor - sind damit alleine gelassen, was dazu führte, dass sich ein Städtenetzwerk mit dem Namen CLIP – Cities for Local Integration Policies – gebildet hat. Hier sind 30 europäische Städte vertreten, die sich unterschiedlich intensiv mit Fragen der Zuwanderung beschäftigen.
Faßmann und Franz gehen dann auf die Mischung als Voraussetzung für Durchmischung ein. Die planerische Prämisse ist dabei, dass sozial gemischte Stadtteile eine höhere Lebensqualität für alle gewährleisten.
Mit der sozialen Mischung und Durchmischung setzen sich die Autorin und der Autor ausführlich auseinander. Welche Rolle spielt dabei die Mittelschicht, mit ihren Homogenisierungs- und Abgrenzungsstrategien vor allem nach unten? Sind es wirklich die Mittelschichten, die die Gentrifizierung ganzer Stadtteile vorantreiben und wie differenziert müssen wir Mittelschichten betrachten, um darauf eine Antwort zu geben?
Die Autorin und der Autor gehen dann auf Alltagspraktiken und die Planungspraxis ein, stellen stadtpolitische Zielvorgaben und deren Interpretation durch die Stadtverwaltung vor und diskutieren dann Durchmischungspraktiken der Wohnbevölkerung. Dabei werden die Argumente mit Zitaten aus Interviews unterstützt.
Zu: Funktions- und Sozialraumanalyse: Erhebungsmethode zu leisen Stimmen bei der Planung öffentlicher Räume. Anwendungen aus der Praxis der Stadtentwicklung in Wien (Udo W. Häberlin)
Der öffentliche Raum der Stadt gerät immer mehr in den Fokus von Stadtentwicklung und Stadtplanung. Öffentliche Räume, Plätze, Straßen sind ein Teil des Gesichts einer Stadt. Ihre Attraktivität und ihre Aufenthaltsqualität werden immer mehr eingefordert. Der Autor führt eingangs in diese Gedankengänge ein und benennt einige Indikatoren, die in ihrer unterschiedlichen sozialräumlichen Gewichtung öffentliche Räume bestimmen. Einmal geht es um die kulturelle Bedeutung, die auch Identifikation mit dem Raum ermöglicht. Menschen eignen sich Räume nach Maßgabe ihrer kulturellen und sozialen Ressourcen und Interessen an, geben ihnen eine Bedeutung und machen sie zu Orten. Weiter ist die Frequenz von Menschen, die diesen oder jenen Raum nutzen relevant und des Weiteren ist der Aspekt der sozialen Kontrolle von Bedeutung. Häberlin stellt dann in einer Graphik die Wechselwirkungen im öffentlichen Raum dar, zitiert eine Reihe empirischer Studien, die Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Faktoren herstellen.
Der Autor stellt dann die Methode der Sozialraumanalyse vor und beschreibt ausführlich den Aufbau und Ablauf der Analyse, um dann auf die Funktions- und Sozialraumanalyse in der Wiener Praxis sprechen zu kommen. Dabei stellt er einige Ergebnisse der Wiener Praxis vor und geht auf Details der Analyse und der Ergebnisse ein.
Zu: Industrie als Bestandteil der modernen Stadt. Über die zentrale Bedeutung der Industrie für die Zukunft des urbanen Raums (Wolfgang Hesoun)
Es geht in diesem Beitrag weniger um die Industriestädte des 19. Jahrhunderts, in denen die Industrie der Mittelpunkt der Stadt war und die Stadt die Reproduktionssphäre in besonderer Weise prägte. Der Autor widerspricht der These, dass die post-moderne Stadt auch eine post-industrielle Stadt ist und dass sie sich hauptsächlich aus der Dynamik des Dienstleistungssektors speist. Schließlich habe sich auch die industrielle Produktion stark verändert, ist mehr auf Wissen angewiesen und die Digitalisierung hat auch die industrielle Produktion von Waren verändert. Und die Industrie hat Leistungen ausgelagert, die nicht zum Kerngeschäft der industriellen Produktion gehören. Dies wird ausführlich erörtert und Wien wird als drittgrößtes Industriebundesland beschrieben. Die Industrie in Wien ist ein Gewinn für die Stadt; die vielfältigen positiven Effekte werden erörtert. Auch der Aspekt der Smart City wird diskutiert, bei dem es vor allem auf die Innovationskraft der städtischen Industrie ankommt. Schließlich braucht die Stadt der Zukunft die Industrie.
Zu: Die Bedeutung von Hochschulen für Städte am Beispiel Wiens (Robert T. Kogler, Alexander van der Bellen)
Wien tut zu wenig, um sich als Stadt der Wissenschaft darzustellen und die Wahrnehmung der Stadt geschieht in vielen anderen Aspekten, aber nicht in Bezug auf ihre Rolle und Bedeutung als Stadt der Universitäten, der Bildung und der Forschung. Das betonen die Autoren eingangs und begründen diese mangelnde Darstellung Wiens ausführlich.
Ist Wien wirklich eine Metropole und wo ist sie einzuordnen? fragen die Autoren weiter und kommen dann zu Kriterien, die eine Stadt ausmachen. Da wird zunächst auf die Urbanität als Lebensweise aufmerksam gemacht, weiter geht es um kulturelle Heterogenität und Vielfalt und um sozialstrukturelle Differenziertheit, die eine Stadt ausmachen.
Die Autoren gehen dann auf die Rolle der Stadt als Ort der Wissensproduktion und der Innovation ein, beschreiben die Bedeutung von Verflechtungen zwischen den daran Beteiligten und den Akteuren und erörtern dann die Bedeutung der Dynamik von Forschung und Entwicklung. Die hängt sehr mit dem Strukturwandel der Wiener Wirtschaft zusammen. Es geht dann darum, diese Dynamik zu fördern, Talente zu fördern und die Internationalität als Bedingung sine qua non zu institutionalisieren.
Die Autoren gehen dann noch auf die Finanzierung der Hochschulen ein.
Stadt und Universitäten haben sich in ihrer Geschichte zu wenig zur Kenntnis genommen und entwickelten sich parallel neben einander her. Dies wird in seiner Geschichte auch noch einmal deutlich, um dann zur Schlusserkenntnis zu kommen, dass die Hochschulen ein integraler Bestandteil einer urbanen Lebensweise in Wien geworden sind.
Zu: Wien als dezentrale Kulturstadt der Zukunft (Walter Rohn)
Der Autor geht der Frage nach, was eine Kulturstadt ausmacht und wie eine kulturelle Stadtentwicklung aussehen könnte. Als Bezugsrahmen einer solchen Stadtentwicklung werden vom Autor vier Aspekte diskutiert:
- das für die Stadt Wien prognostizierte Bevölkerungswachstum,
- die Smart City,
- die „Stadt der kurzen Wege“ und
- das Konzept „Neustart Schweiz“.
Mit der Stadt der kurzen Wege verbindet der Autor eine Rückkehr zum Leitbild der kompakten und funktional durchmischten Stadt; mit dem Konzept Neustart Schweiz ist die Einrichtung von räumlich kompakten Gemeinschaften verbunden, die ca. 500 Personen umfassen sollten.
Weiter beschäftigt den Autor die Theorie der kulturellen Stadtentwicklung. Hier wird auf einschlägige Literatur verwiesen. Kunst und Kulturprojekte sind wertvolle Impulse für die städtebauliche Gestaltung und für die wirtschaftliche und soziale Dynamik in Städten.
Die neue Kultur am Rande der Städte - so das Projekt – ist der Hintergrund, vor dem der Autor die aktuelle Kulturszene der Wiener Außenbezirke diskutiert. Warum die Außenbezirke? Die Außenbezirke sind kulturell divers und soziostrukturell differenziert und sie bieten einen guten Rahmen für lokale Kunst- und Kulturprojekte. Dies wird schön beschrieben und mit Bilder dokumentiert bis hin, dass eine Kulturpolitik für die städtischen Randbezirke erörtert wird. Daraus ergibt sich dann auch die Dezentralität der Kulturstadt, die nicht mit Suburbanisierung verwechselt werden sollte.
Zu: Die kooperative Stadt der Zukunft? Stadt-Umland-Zusammenarbeit am Beispiel der Stadtregion Wien (Peter Görgl, Elisabeth Gruber)
Die Stadt-Umland-Beziehung ist eines der Kernthemen der Regionalforschung und vieles spricht dafür, dass in den letzten Jahrzehnten in vielen europäischen Metropolregionen die Metropolen selbst nicht mehr der einzige Anziehungspunkt und Impulsgeber für das Umland sind. So auch in Wien. Die Autorin und der Autor gehen auf dieses Phänomen ein und beschreiben die Entwicklung der Wiener Umlandgemeinden im Verhältnis zur Stadt Wien. Die Stadt Wien kann ohne die Umlandgemeinden nicht mehr gedacht werden und sie ist auf Kooperation mit diesen angewiesen.
Görgl und Gruber diskutieren dann den Prozess von Suburbia zu Postsuburbia. Suburbanisierung war ein Trend in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Er prägt auch heute noch diese Gemeinden, wenngleich er nicht mehr so bedeutsam das Geschehen bestimmt. Die für Suburbanisierung typische Aufteilung von Arbeiten in der Stadt und Schlafen im Umland ist keine bestimmende Entwicklung mehr. Die Gemeinden haben sich als Wohnstandorte weiterentwickelt und bilden heute einen Rahmen, innerhalb dessen Wohnen und Arbeiten am Ort möglich ist. Dies wird ausführlich beschrieben.
Die Autorin und der Autor gehen dann auf die Konsequenzen dieser Entwicklung ein, diskutieren die Kooperation zwischen der Stadt und ihrem Umland und fragen dann nach Kooperationsformen und -möglichkeiten. Dabei werden sowohl institutionelle Formen der Zusammenarbeit als auch informelle Formen angesprochen. Die dafür bestimmenden österreichischen Rahmenbedingungen werden ausführlich erörtert.
Die Autorin und der Autor haben für eine kooperative Stadt-Region vier Gemeinsamkeiten herausgearbeitet, die für viele Städte gelten können:
- Planerische Probleme sind oft dieselben (Wohnraumbedarf, Innen- und Außenentwicklung, demographischer Wandel).
- Die Bevölkerung nimmt die Stadtregion als Einheit wahr.
- Diese vorhandene Gesamtsicht wird allerdings von den betroffenen Gemeinden nicht wahrgenommen und oft auch nicht gewollt.
- Es bedarf einer übergeordneten Institution, die den Austausch auf regional- und landesplanerischer Ebene organisiert und institutionell verankert.
Diskussion
Die zentrale Herausforderungen der Stadtforschung werden in der Zukunft in der Frage liegen, wie Städte mit der wachsenden kulturellen Heterogenität umgehen, wie sie mit der sozialen Spaltung zurechtkommen, die sich mittlerweile auch in sozialräumlichen Segregationsprozessen widerspiegelt und wie sie mit den veränderten Rahmenbedingungen der ökologischen Entwicklung Schritt halten, was meist mit der Smart City umschrieben wird.
Die Stadt ist nicht alleine. Sie ist eingebettet in die kulturelle, ökonomische und soziale Dynamik, die eine Gesellschaft entfaltet und es kommt eher darauf an, wie man unter den gegebenen gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen die Stadt weiter entwickelt, ihre Eigendynamik stärkt und ihre je spezifischen kulturellen, ökonomischen und sozialen Integrationspotentiale entfaltet. Welche Rolle dabei auch die einzelnen Stadtteile spielen und welche Bedeutung die Herausbildung lokaler Lebenszusammenhänge für die Integration der Stadtteilbewohnerschaft hat, wird sicher zukünftig eine weitere zentrale Frage sein.
Dabei geht es um einen interdisziplinären Zugang zur Stadt als Lebensraum, was in den einzelnen Beiträgen oft genug zum Ausdruck kommt. Stadtforschung muss interdisziplinär angelegt sein, was auch bedeutet, über bestimmte lieb gewordene Denkansätze in den einzelnen Disziplinen kritisch nachzudenken.
Fazit
Das Buch fasst Denk- und Handlungsansätze zusammen, die zentral sind für das, was wir mit der Stadt in der Zukunft verbinden. In den 16 Beiträgen kommt zum Ausdruck, dass die Stadt der Zukunft nicht nur eine Weiterentwicklung der heutigen Stadt ist, sondern dass auch in vielen Fragen und Aspekten der Stadt und ihrer Gestalt, ihrer Entwicklung und ihrer Politik ganz neu gedacht werden muss. Und es wird deutlich, dass wir Stadt auch sehr differenziert denken müssen. Im Spannungsbogen von europäischen Metropolen, Groß- und Kleinstädten und Megacities wird der Begriff der Stadt auch sehr strapaziert, wenn er nicht differenziert gedacht wird. Das Buch macht auch dies in vielen Aspekten deutlich.
Rezension von
Prof. Dr. Detlef Baum
Professor em.
Arbeits- u. Praxisschwerpunkte: Gemeinwesenarbeit, stadtteilorientierte Sozialarbeit, Soziale Stadt, Armut in der Stadt
Forschungsgebiete: Stadtsoziologie, Stadt- und Gemeindeforschung, soziale Probleme und soziale Ungleichheit in der Stadt
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