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Tina Friederich, Helmut Lechner et al. (Hrsg.): Kindheitspädagogik im Aufbruch

Rezensiert von Prof. Dr. Thomas Harmsen, 31.12.2015

Cover Tina Friederich, Helmut Lechner et al. (Hrsg.): Kindheitspädagogik im Aufbruch ISBN 978-3-7799-3282-6

Tina Friederich, Helmut Lechner, Helga Schneider, Gabriel Schoyerer, Claudia Ueffing (Hrsg.): Kindheitspädagogik im Aufbruch. Profession, Professionalität und Professionalisierung im Diskurs. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2015. 240 Seiten. ISBN 978-3-7799-3282-6. D: 26,95 EUR, A: 27,70 EUR, CH: 37,10 sFr.

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Thema

Der zu besprechende Sammelband will unterschiedlichste Facetten, Orientierungen und Positionen der sich entwickelnden kindheitspädagogischen Professionalisierungsdiskussion in den Blick nehmen.

AutorInnen und HerausgeberInnen

Im Sammelband finden sich 13 Autorinnen und Autoren aus unterschiedlichen Hochschulen oder wissenschaftlichen Instituten mit dem Schwerpunkt „Kindheitspädagogik“ wieder.

Als HerausgeberInnen sind folgende ExpertInnen beteiligt:

  • Tina Friederich ist als wissenschaftliche Referentin am DJI und in der Weiterbildungsinitiative „Frühpädagogische Fachkräfte (WIFF)“ tätig.
  • Helmut Lechner, Dr., ist Professor für das Lehrgebiet „Bildung und Erziehung im Kindesalter“ an der Hochschule München, Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften.
  • Helga Schneider, Prof. Dr., lehrt Pädagogik an der Katholischen Stiftungsfachhochschule München.
  • Gabriel Schoyerer, Prof. Dr., vertritt das Lehrgebiet Pädagogik an der Katholischen Stiftungsfachhochschule München und ist wissenschaftlicher Referent am DJI.
  • Claudia M. Ueffing Dr., ist Professorin für interkulturelle Pädagogik, Inklusion im Kontext von Migration sowie Sprache und Sprachförderung an der Hochschule München, Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften.

Entstehungshintergrund

Der vorliegende Band ist Ergebnis eines kooperativen Kolloquiums zur „Professionalisierung im Arbeitsfeld der Kindertagesbetreuung“ des DJI, der Katholischen Stiftungsfachhochschule München und der Hochschule München zwischen Oktober 2013 und Januar 2014.

Aufbau und Inhalt

Nach einem kurzen Vorwort führen die Herausgeberinnen und Herausgeber in die Thematik und Struktur des Sammelbandes ein. Er gliedert sich in drei Teile:

  • Der erste Teil behandelt „Theoretische und konzeptionelle Zugänge“,
  • der zweite Teil thematisiert „Wiederentdeckte Perspektiven auf Professionalisierung, Professionalität und Profession“ und
  • der dritte Teil bündelt „ausgewählte Standpunkte aus Sicht von Wissenschaft, Unterricht und Lehre“.

In einem einführenden Beitrag geht Peter Cloos auf Entwicklungen und Dilemmata der Professionalisierungsdebatte im Kontext der Kindertagesbetreuung ein. Ausgehend von einem merkmalstheoretischen Professionsmodell differenziert er zwischen Professionstheorie, Professionalisierungstheorie und Professionspolitik um im Folgenden zentrale Termini der Professionstheorie, namentlich Habitus, Macht, Nimbus und Mandat zu diskutieren. Ein kurzes Kapitel widmet er der frühpädagogischen Professionsforschung um abschließend ein Profil der entstehenden Profession Frühpädagogik einschließlich seiner inhärenten Dilemmata zu entwerfen.

Tina Friederich und Gabriel Schoyerer untersuchen in ihren Beitrag das Verhältnis von Fachkräften, Strukturen und Kontexten in der Kindertagesbetreuung Sei verstehen Professionalisierung dabei als einen Beitrag zur Qualitätssteigerung und beziehen sich auf nationale und internationale Studien. Sie verweisen auf unterschiedliche Professionsmodelle (Formal, indikatorengestützt; fall/feldbezogen und evidenzbasiert) um schlussendlich auf die Kompetenzebenen der CoRe-Studie einzugehen.

Helga Schneider wirft aus diskursanalytischer Sicht die Frage auf, wieso Kindheitspädagoginnen und Kindheitspädagogen sich nicht kollektiv als Profession mit eigener Identität begreifen bzw. so gesehen werden, der Professionsbegriff vermieden oder nur alltagssprachlich-generalisierend gebraucht wird.

Der zweite Teil beginnt mit einem Beitrag von Anke König, in dem sie die Bedeutung beruflicher Weiterbildung für die Professionalisierung der Frühen Bildung hervorhebt. Sie betont dabei die besondere Relevanz von Begründungswissen und reflexiven Handlungskompetenzen.

Helmut Lechner widmet sich dem Verhältnis von Professionalisierung und Kompetenzentwicklung aus individueller Sicht. Sie ist berufsbiografisch-reflexiv angelegt und führt im Idealfall zu einem beruflichen Habitus auf der Basis eines von ihm entworfenen Kompetenzmodells. Für Aus- und Fortbildung ergeben sich vielfältige didaktische Herausforderungen in Hinblick auf Reflexivität, Empathie, Haltungen und Überzeugungen.

Thomas Schuhmacher stellt die berufsethische Dimension der Frühpädagogik in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen. Sie schafft Transparenz und Verlässlichkeit im Binnen- wie auch Außenverhältnis der Kindertageseinrichtungen und trägt dadurch somit zu einer weiteren Professionalisierung der Frühpädagogik bei.

Claudia M Ueffing widmet sich ebenfalls aus ethischer Sicht der Frühpädagogik, wobei ihr Interesse den dort handelnden Subjekten gilt. Sie differenziert das Verhältnis von Berufsethik und Handlungsethik und gibt unter Bezugnahme auf (nicht nur pädagogische) Vordenker Anregungen zur ethischen Selbstreflexion in der Frühpädagogik.

Die kurzen Statements im dritten Teil eröffnet Sigrid Christeiner mit einem Beitrag über die Rolle der bayerischen Fachakademien im Ausbildungssystem

Leonie Herwartz-Emden und Annette Schultheiß nehmen die interkulturelle Elementarpädagogik in den professionellen Blick. Kulturelle Vielfalt erfordert sowohl in Ausbildung und Praxis erhebliche wird aber immer noch zu wenig wertgeschätzt.

Jens Kratzmann betont die Bedeutung eigenständiger Studiengänge für die weitergehende Professionalisierung der Kindheitspädagogik.

Pamela Oberheuer geht aus internationaler Perspektive von einem demokratischen Professionalitätsmodell aus, das individuelle, arbeitsfeldbezogene und soziokulturelle Dimensionen umfasst.

Andreas Wildgruber fordert den Ausbau der Forschung, um Handeln zu legitimieren und Wissen und Praxis zu integrieren.

Diskussion

Der vorliegende Band gibt in angemessener Form einen Einblick in die unterschiedlichsten Facetten bzw. Fragmente der Professionalisierungsdiskurse in der Kindheitspädagogik und hat in einigen Beiträgen durchaus grundlegenden Charakter (etwa die Beiträge von Peter Cloos sowie Tina Friederich und Gabriel Schoyerer). Die im Untertitel dankenswerterweise vorgenommene Differenzierung in Profession, Professionalität und Professionalisierung wird leider nicht in allen Beiträgen konsequent durchgehalten; vielmehr vermischen sich unterschiedliche Diskussionsstränge der Kindheitspädagogik mit Qualitätsdiskursen und Handlungs-kompetenzmodellen. Unbeabsichtigt (?) entsteht so der Eindruck, dass Professionalität lediglich der Qualitätssteigerung dienen soll, ein Eindruck, den die unterschiedlichsten QM-Modelle in der Kindheitspädagogik unterschwellig-normativ immer wieder vermitteln. Für die Entwicklung zu einer autonomen, eigenständigen Profession sind diese Tendenzen eher hinderlich.

Weiterhin fällt auf, dass im Wesentlichen auf ältere Professionsmodelle Bezug genommen wird (eine Ausnahme bilden die Arbeiten von Thole). Ein Blick über den Tellerrand auf Modelle und professioneller Entwicklungen benachbarter Professionen – zu denken wäre hier an die Sozialpädagogik oder Soziale Arbeit – könnte der Diskussion durchaus zuträglich sein, zumal sich durch die Etablierung neuer Organisationsformen wie Familienzentren quantitativ und qualitativ innovative Kooperationserfordernisse mit anderen Professionen und Berufen ergeben.

Letztendlich spiegelt der Band die vielschichtigen Professionalisierungsbemühungen der Kindheitspädagogik gut wieder, wobei der im Titel genannte „Aufbruch“ ein wenig zu euphorisch klingt und seinen Niederschlag in den Beiträgen nicht unbedingt wiederfindet, sondern wohl eher normativen Charakter hat.

Fazit

Der Sammelband eignet sich gut für einen Überblick über die kindheitspädagogische Professionsdebatte und bietet Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Kindheitspädagoginnen und Kindheitspädagogen sowie Studierenden guten Einstieg in die Thematik.

Rezension von
Prof. Dr. Thomas Harmsen
Ostfalia Hochschule Wolfenbüttel, Lehrgebiet Sozialarbeitswissenschaft; M.A. Sozialwissenschaftler, Diplom-Sozialarbeiter, Supervisor, Familienberater, Qualitätsentwickler
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Es gibt 11 Rezensionen von Thomas Harmsen.

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Zitiervorschlag
Thomas Harmsen. Rezension vom 31.12.2015 zu: Tina Friederich, Helmut Lechner, Helga Schneider, Gabriel Schoyerer, Claudia Ueffing (Hrsg.): Kindheitspädagogik im Aufbruch. Profession, Professionalität und Professionalisierung im Diskurs. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2015. ISBN 978-3-7799-3282-6. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/20104.php, Datum des Zugriffs 25.01.2025.


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