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Arnd Schwendy, Claudia Rustige et al. (Hrsg.): Integrations­unternehmen als Wegweiser zur Inklusion

Rezensiert von Dipl.-Hdl. Dr. phil. Klaus Halfpap, 18.01.2016

Cover Arnd Schwendy, Claudia Rustige et al. (Hrsg.): Integrations­unternehmen als Wegweiser zur Inklusion ISBN 978-3-940636-36-2

Arnd Schwendy, Claudia Rustige, Peter Stadler, Michael Wunsch (Hrsg.): Integrationsunternehmen als Wegweiser zur Inklusion. Wirkungen – Erfolge – Perspektiven. Paranus Verlag (Neumünster) 2015. 192 Seiten. ISBN 978-3-940636-36-2. D: 19,95 EUR, A: 20,60 EUR, CH: 22,00 sFr.

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Thema

Seit 2009 ist die UN-Behindertenrechtskonvention von 2006 (UN-BRK) in Deutschland verbindlich. Dadurch wurde der Arbeitsmarktpolitik sowie der Bildungspolitik generell der Weg zur Inklusion gewiesen, der allerdings hier in der (Aus-)Bildungspraxis bereits vor vierzig Jahren begann, wie Dorothee Freudenberg von der Freudenbergstiftung einführend berichtet (S. 9). Wie haben das die Akteure in Politik, Wirtschaft und Sozialwesen geschafft? Dies wird gefragt und aus unterschiedlichen Perspektiven beantwortet. Auf bisher auch ungenutzte weitere Möglichkeiten in Integrationsunternehmen und darüber hinaus wird hingewiesen.

AutorInnen und Autoren

berichten in theoretischer Reflexion über ihre individuell in der Praxis gewonnenen Erfahrungen in ihren aktuellen Tätigkeitsbereichen z. B. der Freudenbergstiftung, der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, der Chefredaktion einer überregionalen deutschen Zeitung, aus Länder-Integrationsämtern, mehreren Unternehmen und Gesellschaften, von Projektverbünden, die – in unterschiedlichen Branchen – die geglückte Inklusion und Kooperation voranbrachten – auch in entsprechenden internationalen Bewegungen.

Aufbau

Nach drei „Vorworten“ (8 ff.) sind die 21 Beiträge folgenden Kapiteln zugeordnet:

  1. Unabdingbar für Wirtschaft und Demokratie (20 ff.)
  2. Unternehmen mit Vorbildfunktion (44 ff.)
  3. Investitionen in eine humane Zukunft (139 ff.)

Inhalt

Mit einem Bundestagsbericht über die Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland wurde „Ein Erfolg der Zivilgesellschaft“ (9 ff.) initiiert. In der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie wurde ein Konzept der „Selbsthilfe-Firmen“ entworfen, die als Integrationsunternehmen gegründet wurden (ca. 800 inzwischen mit über 10000 schwerbehinderten gemeinsam mit nicht behinderten Mitarbeiter/innen). Auch in betrieblichen Integrationsprojekten wird es durchgeführt.

Peter Clever von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände hebt für diesen Entwicklungsprozess den „Wandel zu breiter Wertschätzung“ hervor (16 f.). Friedhelm Pfeiffer („Aktion Mensch“) sieht auch weitere „Chancen eines inklusiven Arbeitsmarkts“ (18 f.).

Das 1. Kapitel (s. o.) vertieft diesen Themenaspekt, indem Heribert Prantl darlegt, dass „Integration als systemrelevante Aufgabe“ (21 ff.) der Gesellschaft zu verstehen ist, weil Integrationsfirmen ihr Geld bis zu 75 % am Markt verdienen, und zwar in vielen Branchen (22). Peter Stadler erläutert ausführlich 30 Jahre erfolgreiche Inklusion unter der Themenakzentuierung „Integrationsunternehmen – marktfähige Betriebe mit werthaltigen Extras“ (28 ff.).

In 12 Beiträgen werden im 2. Kapitel aus unterschiedlichen Perspektiven Unternehmen mit Vorbildfunktion vorgestellt:

  • „Die Entwicklung in den neuen Ländern“ (45 ff.) seit der Wiedervereinigung mit Anfangsproblemen und der Entwicklung von Integrationsprojekten ab 1993, von denen es Ende 2014 ca. 154 mit etwa 1230 Behindertenarbeitsplätzen gab (51);
  • dass „Personalführung präventiv und inklusiv“ (52 ff.) gestaltet werden muss, was von Integrationsfirmen gelernt werden kann (53);
  • „Der Rudolf-Freudenberg-Preis“ (63 ff.) für wegweisende Geschäftsideen;
  • durch den Bericht einer behinderten Mitarbeiterin in einem Bioladen in dem protokollierten Gespräch: „Die Arbeit bedeutet mir alles“ (67 ff.);
  • durch die Erfolgsgeschichte eines Betriebes „Mit Kreativität am Markt“ (73 ff.), gegründet von einem Arbeitskreit der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie;
  • durch Gründung eines Montagebetriebes im Raum Gütersloh Ende der 1970er Jahre in einer leer stehenden Kirche mit heute über 2,5 Mio. Euro Umsatz und über 50 % psychisch schwerbehinderten Mitarbeitern (85) – denn „Jeder Mensch will notwendig sein“ – (81 ff.);
  • durch den „Erfolg der CAP-Märkte“ (87 ff.), die ca. 800 behinderten Menschen dauerhafte Arbeitsmöglichkeiten bieten;
  • durch weitere Berichte von behinderten Mitarbeitern oder von verantwortlichen Geschäftsführern in verschiedenen Betrieben (98 ff.) – Hotel, Restauration – bzw. in Zuverdienstprojekten und als Partner einer internationalen Bewegung (129 ff.).

Im 3. Kapitel werden wichtige Teilaspekte des komplexen Themas durch kooperative Maßnahmen und individuelle Stärkung Betroffener vertieft: Wie Leistungsträger den Weg in den allgemeinen Arbeitsmarkt ebnen können zur „Selbstbestimmung durch persönliches Budget“ (140 ff.). Durch „Unternehmensberatung durch die FAF“ – Fachberatung für Arbeits- und Firmenprojekte – (147 ff.). Erfolg strategischer politischer Planung sind die „Integrationsabteilungen in Westfalen-Lippe“ in gewerblichen Unternehmen (153 ff.). „Inklusion als Aufgabe der Kommunalpolitik“ durch Vernetzung der Akteure des Arbeitsmarktes kann mehr Chancen schaffen (161 ff.). Folgender Frage wird nachgegangen: „Integrationsunternehmen – auch eine Perspektive für Langzeitarbeitslose?“ (167 ff.). „Den Anspruch auf berufliche Teilhabe gilt es umzusetzen“ (176 ff.). Eine zukünftige Aufgabe für die Politik ist „Für mehr Teilhabe im allgemeinen Arbeitsmarkt“ (185 ff.).

Diskussion

  1. In seinem Beitrag „Inklusion als Aufgabe der Kommunalpolitik“ weist Arnd Schwendy darauf hin, dass es nicht reicht, „sich lediglich mit Kitas, Schulen, Wohnangeboten und Barrierefreiheit zu beschäftigen“ (164). Der Arbeitssektor dürfe nicht vernachlässigt werden, sondern sollte durch aktive Förderung von Zusammenschlüssen auch seitens der Kommune aller geschaffen werden, „die Einfluss auf berufliche Bildung und Arbeitsmarkt haben“ (a.a.O.). Ist das in Ihrer Region (der/des Lesenden) ausreichend der Fall?
  2. Warum – fragt Fritz Baur - wird von der rechtlichen Möglichkeit zur Bildung trägerübergreifender persönlicher Budgets „bis zum heutigen Tage nur spärlich Gebrauch gemacht“? Kann das Hemmnis der rechtlichen Unabhängigkeit der verschiedenen beteiligten Träger nicht überwunden werden?

Fazit

Die in dieser Rezension überblickartige Kurzfassung des Inhalts des komplexen Buchthemas spiegelt dessen aspektreiche Aufarbeitung von der rechtlich vorgeschriebenen und sachlich notwendigen Inklusion von Behinderten in vor allem Integrationsunternehmen in Deutschland und auch internationalen Bewegungen wider. Aus Unternehmen mit Vorbildfunktion wird teils detailliert über ihre Arbeit der letzten bis zu 40 Jahre als Investitionen in eine humane Zukunft berichtet. Diesbezüglich wegweisende Geschäftsideen werden skizziert. Alle unmittelbar und mittelbar „Betroffenen“ auf allen Ebenen und Institutionen sollten aus der Lektüre dieses empfehlenswerten übersichtlich strukturierten Buches Anregungen aufgreifen und umsetzen – oder: sich in ihrer Arbeit bestätigt fühlen.

Rezension von
Dipl.-Hdl. Dr. phil. Klaus Halfpap
Ltd. Regierungsschuldirektor a. D.

Es gibt 51 Rezensionen von Klaus Halfpap.

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ISSN 2190-9245