Christian-Rainer Weisbach, Petra Sonne-Neubacher: Professionelle Gesprächsführung
Rezensiert von Dr. Petra Gregusch, 04.04.2016

Christian-Rainer Weisbach, Petra Sonne-Neubacher: Professionelle Gesprächsführung. Ein praxisnahes Lese- und Übungsbuch. Verlag C.H. Beck (München) 2015. 9., überarbeitete und aktualisierte Auflage. 485 Seiten. ISBN 978-3-423-50947-3. D: 14,90 EUR, A: 15,40 EUR, CH: 21,90 sFr.
Thema
Die professionelle Gesprächsführung beschäftigt zahlreiche Berufe, Professionen und deren Ausbildungsstätten. Kein Wunder, stellt doch das Gespräch ein zentrales Medium zum Verstehen und zur Beeinflussung verschiedenster Adressatengruppen dar. Das vorliegende Buch thematisiert die Gesprächsführung als Mittel erfolgreicher Führung schlechthin.
Die Autoren verfolgen das Ziel, deutlich zu machen, wie es gelingt, andere zu verstehen und eigene Ziele mit anderen zu erreichenund verstehen diese beiden Aspekte als die Basis des persönlichen Kommunikationserfolgs (S. VII).
Autor und Autorin
Prof. Dr. rer. soc. habil. Christian-Rainer Weisbach lehrt und forscht an den Universitäten Tübingen und Hohenheim und ist seit über 25 Jahren in der betrieblichen Fort- und Weiterbildung tätig mit dem Schwerpunkt der individualisierte Personalentwicklung und Entwicklung von Personen in beruflichen und privaten Herausforderungen.
Dr. Petra Sonne-Neubacher ist Unternehmensberaterin und Trainerin.
Entstehungshintergrund
Das erstmals im Jahre 1992 veröffentlichte Buch erscheint im Jahr 2015 in der 9. Auflage. Es richtet sich vornehmlich an Führungskräfte im Management, aber auch an all jene Menschen, die ein Interesse daran haben zu lernen, wie sie ihre Ziele im Gespräch verfolgen können. Insofern sind alle Menschen, die einen Führungsanspruch haben, angesprochen, sei es in der Rolle als Vorgesetzte, Mitarbeiter, Kunde, Partner oder Freund. Den Autoren ist daran gelegen , „das Gespräch als Mittel der Führung sinnvoll, zweckmäßig, zielorientiert und rationell“ nutzen zu lernen (s. Klappentext).
Aufbau und Inhalt
Das umfassende Werk ist in 21 Kapitel gegliedert, wobei sich Kapitel eins bis zwölf dem Verstehen anderer widmet, während Kapitel dreizehn bis zwanzig der zielorientierten Gesprächsführung gewidmet ist. Kapitel einundzwanzig (Zum schnellen Nachschlagen) fasst die Kapitel in Form eines Nachschlagekatalogs zusammen.
Die ersten vier Kapitel (Von der Effizienz zur Effektivität; Erkennen der eigenen Gesprächshaltung; Die vier Arten des Zuhörens; Die fünf gängigen Gesprächspausen) führen quasi in die Basisfertigkeiten gelingender Gesprächsführung ein, wenn darauf aufmerksam gemacht wird, dass hierzu ein Ziel, Bewusstheit über die Gesprächshaltung und ein gutes Zuhörverhalten gekoppelt mit Gesprächspausen erforderlich sind. Eingeführt wird dabei in das Spektrum von Gesprächshaltungen, unterschiedliche Formen und Funktionen des Zuhörens und von Gesprächspausen. Zu Letzteren werden auch Hinweise über das Erkennen der Angemessenheit von Pausen gegeben.
Das fünfte Kapitel (Wertschätzung und Lenkung) liefert im Nachhinein einen Begründungszusammenhang für ein gutes Zuhörverhalten in Gesprächen und leitet gleichzeitig über zur grundlegenden Voraussetzung erfolgreicher zielorientierter Gesprächsführung, welche im Aufrechterhalten der Wertschätzung bei gleichzeitiger Vertretung des eigenen Standpunkts gesehen wird. Im Kontext verschiedener Führungsstile wird zu plausibilisieren versucht, dass dies nur durch einen partnerschaftlichen Führungsstil erreichbar ist.
An die grundlegenden Voraussetzungen anknüpfend thematisiert Kapitel sechs (Transaktionsanalyse und Gesprächserfolg) anhand des psychodynamischen Modells Transaktionsanalyse die Herausforderungen, die sich bei der Entwicklung dieses partnerschaftlichen (Gesprächs-) Führungsstils stellen. Diese bestehen darin, dem »Kind-Ich« und dem »Eltern-Ich« adäquat zu begegnen.
Kapitel sieben (Widerstand beim Gesprächspartner) versammelt und erläutert schwierige Gesprächssituationen und gibt Hinweise zu deren Bewältigung bei Aufrechterhaltung des partnerschaftlichen Stils.
Kapitel acht und neun (Gesprächsstörer; Gesprächsförderer) kann als Zwischenfazit der bisherigen Kapitel gelesen werden: Auf der Grundlage des eingeführten theoretischen Konstrukts Transaktionsanalyse werden eine Reihe von kommunikativen Verhaltensverweisen aufgezählt, die sich als kontraproduktiv für die Gesprächsführung erweisen, gefolgt von produktiven Verhaltensweisen. Explizit widmen sich die Autoren auch „Gesprächsförderer in der elektronischen Kommunikation“ (S. 191).
Kapitel zehn bis zwölf vertiefen die Praxis des Verstehens in der Gesprächsführung.
Kapitel zehn (Vier Möglichkeiten zu reagieren) führt in das Kommunikationsmodell von Friedemann Schulz von Thun ein, welches einer Nachricht vier potenzielle Aussagen zuspricht.
Dem Erkennen des Aussagetyps (Kommunikationsebene) als auch der Fähigkeit von einer zur anderen Kommunikationsebene zu wechseln – und den Gesprächspartner dabei mitzunehmen – wird für die erfolgreiche Gesprächsführung großes Gewicht beigemessen. Insbesondere soll der Selbstmitteilungsseite hohe Beachtung geschenkt werden, was in den Kapitel elf (Den anderen beim Wort nehmen) und zwölf (Schlussfolgernde Gesprächsführung) erörtert und ausführlich anhand von Beispielen – einschließlich Beispielen der Internetkommunikation (S.241-246) – gezeigt wird.
Kapitel dreizehn bis neunzehn widmen sich zielorientierten Gesprächsführung.
Kapitel dreizehn (Verhalten ist zielgerichtet) verdeutlicht, wie wichtig es hierfür ist, zunächst die Bedürfnisse und Motive (Absichten) der Gesprächspartner zu erfassen.
Die damit einhergehende Denk-, Frage- und Sprechweise wird in den Kapiteln vierzehn (Von der Ursachenforschung zur Absichtsfindung) und fünfzehn (Positives Sprechen) erläutert.
Hieran anknüpfend wird in Kapitel sechzehn (Vom Überreden zum Überzeugen) in die überzeugende Gesprächsführung eingeführt, die sich des methodischen Dreischritts Bestätigen, Frage und Begründung bedient (S. 354).
Das siebzehnte Kapitel (Für die Ohren des anderen argumentieren) stellt sodann dar, wie dieser Dreischritt in Passung mit typischen Denkmustern von Menschen gebracht werden kann.
Kapitel achtzehn (Der Umgang mit negativen Emotionen) thematisiert das Auftreten von negativen Emotionen beim Gesprächspartner als Folge der überzeugender Gesprächsführung und beschreibt, wie diesen begegnet werden kann.
Kapitel neunzehn (Die Kunst, Veränderungen zu bewirken) greift entlang der auf Krisen bezogene Veränderungsmodelle von Elisabeth Kübler-Ross und Verena Kast emotionale und kognitive Reaktionsmuster auf, die bei der überzeugenden Gesprächsführung Berücksichtigung finden sollten, um über das Gespräch tatsächlich Veränderungen erzielen zu können. Auch hier finden Leser Leserinnen zahlreiche methodische Hinweise.
Das abschließende Kapitel zwanzig (E= Z x O) stellt eine Formel für den Gesprächserfolg vor, die der Analyse der Gesprächsführung dienen kann.
Diskussion
Das Buch löst ein, was der Untertitel verspricht. „Professionelle Gesprächsführung“ ist ein praxisnahes, leicht zu lesendes Buch und es bereitet ein hohes Lesevergnügen. Didaktisch ist es sehr abwechslungsreich aufgebaut. Anforderungen an gelingende Gesprächsführung werden mit vielen Beispielen veranschaulicht und können anhand von zahlreichen Übungen erprobt werden. Dass allein dadurch das Ziel der professionellen Gesprächsführung erreicht werden kann und Leser in der Lage sind, das Gespräch als Mittel der Führung sinnvoll und zweckmäßig zu nutzen (s.o.) muss jedoch bezweifelt werden. Denn dies beinhaltete auch, sie in die Lage zu versetzen wissenschaftlich zu begründen, was sie tun. Einen solchen Anspruch löst das Buch nicht ein. Zu implizit bleibt die Logik des Aufbaus des Buchs und zu sporadisch und unsystematisch erfolgen Theoriebezüge. Wissenschaftlich geschulte Leser und Leserinnen erkennen zahlreiche Theoriebezüge (und auch fehlende oder nicht aktualisierte Theoriebezüge, z.B. böte sich in Kapitel 13 der Verweis auf Bedürfnistheorien an; in Kapitel 14 der Verweise auf konstruktivistische Erkenntnistheorie, in Kapitel 19 der Rückgriff auf allgemeinere Modelle menschlicher Veränderung). Der ungeschulten Leserschaft bleiben diese verborgen; Quellen werden nicht ausgewiesen.
Formal irritieren in Kapitel 14 und 18 die Titel in der Kopfzeile, die mit dem Titel des Kapitels nicht übereinstimmen. Zudem gibt es Hinweise auf Kapitel, die nicht (mehr) existieren (z.B. S. 427: Unangenehmes mitteilen).
Fazit
Das Buch ist ein ausgesprochen anregendes Lese- und Übungsbuch zur Gesprächsführung, löst aber den Anspruch der Vermittlung professioneller Gesprächsführung aufgrund des lückenhaften wissenschaftlichen Bezugs nicht ein. Dies sollte jedoch nicht davon abhalten, es als Begleitlektüre in einschlägigen Seminaren und Kursen einzusetzen. Durch die sehr gelungene didaktische Aufbereitung vieler relevanter Aspekte der Gesprächsführung dürfte es den Teilnehmenden das Erlernen der Gesprächsführung sehr erleichtern.
Rezension von
Dr. Petra Gregusch
Dozentin an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), Departement Soziale Arbeit
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