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Kathrin Klein-Zimmer: Transformationen. Lebenswelten junger Erwachsener im Kontext von Generation und Migration

Rezensiert von Dr. Olga Frik, 12.05.2016

Cover Kathrin Klein-Zimmer: Transformationen. Lebenswelten junger Erwachsener im Kontext von Generation und Migration ISBN 978-3-7799-2928-4

Kathrin Klein-Zimmer: Transformationen. Lebenswelten junger Erwachsener im Kontext von Generation und Migration. Eine biographisch-ethnographische Studie. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2016. 336 Seiten. ISBN 978-3-7799-2928-4. D: 39,95 EUR, A: 41,10 EUR, CH: 50,50 sFr.

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Thema

Das vorliegende Buch stellt die Ergebnisse eines Dissertationsprojektes dar, das entlang der Dimensionen Migration und Generation multiple Formen grenzüberschreitender Handlungs- und Zugehörigkeitspraktiken junger Erwachsener rekonstruiert und den veralltäglichten Charakter dieser Transformationen als zentralen Erfahrungsraum ihres jungen Erwachsenen-Seins betont. Bei dem Buch von Kathrin Klein-Zimmer handelt es sich um eine biographisch-ethnographische Studie zu jungen Erwachsenen mit indischer Migrationsgeschichte.

Die vorliegende empirische Untersuchung will deutlich machen, wie Jugendliche und junge Erwachsene, die in einem durch vielfältige grenzüberschreitende Praktiken und Orientierungen geprägten Umfeld aufwachsen, mit diesem Spannungsfeld von selbstverständlich gelebtem Alltag einerseits und einer durch die Mehrheitsgesellschaft auferlegten Vereindeutigungspraxis andererseits umgehen, welche Handlungsstrategien sie entwickeln und welche Rolle dabei ihre Einbettung in multiple Generationenbezüge spielt.

Klein-Zimmer betont, dass die Lebenswelten von jungen Erwachsenen multidimensional sind und mit unterschiedlichen Transformationsprozessen einhergehen. Über einen biographisch-ethnographischen Zugang werden die Alltagswelten von jungen Erwachsenen mit einer indischen Migrationsgeschichte in der Studie untersucht und die veralltäglichten Handlungs- und Zugehörigkeitspraktiken der jungen Erwachsenen aufgezeigt. Diese Praktiken überschreiten u.a. unterschiedlichste national-geographische sowie national-kulturelle Grenzen. Die Studie nimmt eine transnationale Perspektive ein und verdeutlicht, inwieweit die jungen Erwachsenen ihre Lebenswirklichkeiten entlang der Dimensionen von Generation und Migration aushandeln und dabei vielfältigste Transformationen herstellen, die zentrale Charakteristika ihrer – nationale Grenzen überschreitenden – Erfahrungsräume sind.

Autorin

Kathrin Klein-Zimmer, Dr., M.A., Dipl.-Sozialädagogin, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im FB Erziehungswissenschaft/Sozialpädagogik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Aufbau und Inhalte

Die vorliegende Studie greift zentrale Aspekte auf, die für eine qualifizierte Betrachtung

der Situation junger Erwachsenen mit indischer Migrationsgeschichte im Kontext von Generation und Migration von Bedeutung sind. Das Buch besteht aus acht Kapiteln.

In der Einleitung werden die zentralen Fragen der Studie genannt:

  • Wie können die pluralen Lebensformen junger Erwachsener in den Blick genommen werden?
  • Wie können junge Erwachsene mit einer zugeschriebenen Migrationsgeschichte jenseits einer defizit- und differenzorientierten Perspektive, wie sie immer noch in der Migrationsforschung, der Sozialen Arbeit und den politisch-gesellschaftlichen Diskursen eingenommen wird, wahrgenommen und wissenschaftlich betrachtet werden?
  • Wie können nationale Eindeutigkeiten hinterfragt und wie kann über ein binäres Kategoriendenken hinausgegangen werden? (vgl.S.13).

Im Kapitel 1 („Junge Erwachsene indischer Herkunft in Deutschland“) wird der Forschungsgegenstand dargestellt. Über einen historisch-gesellschaftlichen Zugang wird ein Kurzporträt von jungen Erwachsenen indischer Herkunft in Deutschland erfasst, wodurch zum einen die Heterogenität ihrer Lebenswelten deutlich werden soll und zum anderen die Zuschreibungsfolie indische Herkunft kritisch hinterfragt wird. Das Ziel dabei ist, eine innerhalb der Migrations- und Jugendforschung „unsichtbare Gruppe“ anhand deskriptiver Daten näher vorzustellen. Klein-Zimmer beantwortet folgende Fragen: Wer sind „junge Erwachsene indischer Herkunft“? Auf welchen Wegen sind ihre Eltern nach Deutschland gekommen? Wie und wo leben die Familien in Deutschland?

Im zweiten Kapitel („Migration und Generation – Miteinander verwobene Dimensionen“) setzt sich die Autorin mit den zentralen (forschungs)theoretischen Diskursen, innerhalb derer diese empirische Untersuchung angesiedelt ist, auseinander. Ein zentrales Anliegen dabei ist, die gewonnenen Ergebnisse theoretisch und bezogen auf den jeweiligen Forschungsstand einzubetten. Das Zusammenspiel der Dimensionen von Migration und Generation wird in einem ersten Teil entlang von migrationssoziologischen und pädagogischen Perspektiven vorgestellt. Dabei wurden zentrale Blickrichtungen aufgegriffen, wie junge Erwachsene mit Migrationsgeschichte sowohl in der wissenschaftlichen Forschung als auch in der Praxis Sozialer Arbeit wahrgenommen wurden und immer noch werden. Die für die vorliegende Arbeit zentrale Forschungsperspektive der Transnationalität wird im Anschluss daran erfasst und mit Bezug auf die „zweite Generation“ von Migrantinnen herausgearbeitet. Entlang der bisherigen Forschungsliteratur werden folgende Fragen aufgegriffen: Spielt eine grenzüberschreitende Lebensweise für die Kinder von migrierten Eltern überhaupt noch eine Rolle? In welcher Weise sind die jungen Erwachsenen in die transnationalen Praktiken der Eltern eingebunden und wie übertragen sie diese in ihre eigenen Lebensentwürfe? Welche Bedeutung kommt den Bereichen Bildung, Lokalität und Mobilität zu? (S.15-16)

Im dritten Kapitel („Forschungsmethoden – ein biographisch-ethnographischer Zugang“) erläutert die Autorin, wie das dieser Arbeit zugrunde liegende Forschungsinteresse methodologisch umgesetzt werden kann. Hier werden die theoretischen Grundlagen aufgezeigt, die bei der Durchführung der Studie herangezogen werden und den Forschungsstand darstellen. Es werden dabei folgende Fragen diskutiert: Welche Erhebungsmethoden wurden gewählt? Wie kann im Forschungsdesign die transnationale Perspektive berücksichtigt werden? Bedarf es hierfür Modifikationen von Erhebungs- und Auswertungsmethoden? Welche Auswertungsmethode erweist sich als adäquat, um unterschiedliche Datenmaterialien zu analysieren? Der gesamte Forschungsprozess von der Fragestellung über die Entscheidung der Erhebungs- und Auswertungsmethode bis hin zum Feldzugang und der Auswahl des Samples wird in diesem Kapitel offengelegt.

In den anschließenden Kapiteln 4 bis 8 werden die zentralen Ergebnisse der empirischen Analyse dargestellt. Im vierten Kapitel(„Ein Porträt transnationalisierter Lebenswelten“) wird zunächst die transnationalisierte soziale Alltagswirklichkeit der jungen Erwachsenen anhand ihrer vielfältigen grenzüberschreitenden Praktiken aufgezeigt. Dabei geht die Autorin auf spezifische Lebensbereiche, wie Familie, Schule/Studium/Beruf und Freizeit ein und skizziert die transnationalen Mobilitäts- und Kommunikationspraktiken der jungen Erwachsenen.

In den Kapiteln 5-7 stellt die Autorin anhand der Thematiken „familiale Generationsarbeit“, „Bildungsidee“ und „Community Building“ unterschiedliche Orientierungs- und Zugehörigkeitsmuster der jungen Erwachsenen im Zusammenspiel der Erfahrungsräume Migration und Generation dar. Im fünften Kapitel („Familiale Generationsarbeit – Aushandlungen vor einem Adoleszens- und migrationsspezifischen Erfahrungsraum“) zeigt die Autorin zunächst, dass für die Aushandlung der elterlichen Migrationsgeschichte die familialen Generationenbeziehungen einen zentralen Ort markieren. Es wird dargelegt, wie die Migrationsgeschichte intergenerational von den jungen Erwachsenen aufgegriffen und individuell verhandelt wird. Neben der Aushandlung der Generationenbeziehung innerhalb eines migrationsspezifischen Erfahrungsraums kommt gleichzeitig der Jugendphase eine zentrale Bedeutung für die Beziehungsgestaltung zu.

Im sechsten Kapitel („Bildungsidee als Kitt – ein transnationales und transgenerationales Verbindungselement“) greift Klein-Zimmer zunächst die Bildungsthematik innerhalb eines generations- und migrationsspezifischen Erfahrungsraums auf. Die von den Eltern vermittelte und von den jungen Erwachsenen angeeignete, inkorporierte und transformierte Bildungsorientierung kann dabei als Verbindungsglied zwischen den Generationen rekonstruiert werden.

Im siebten Kapitel („Community Building – Intra- und Intergenerationale Vergemeinschaftungsformen“) geht die Autorin auf die Frage von Inklusion und Exklusion ein. Sie stellt fest, dass auch wenn die jungen Erwachsenen als zentrale Akteure auftreten, bleibt die Migrationsgeschichte der Eltern auch hier ein wichtiger Orientierungspunkt.

Im abschließenden achten Kapitel („Ein trans(nationales) Generationsmodell – Schlussdiskussion“) stellt Klein-Zimmer basierend auf den vorherigen Ergebnissen ein „trans(nationales) Generationenmodell“ vor, das zum einen die Überlagerung der adoleszens- und migrationsspezifischen Erfahrungsräume als Handlungs- und Gestaltungsspielräume der jungen Erwachsenen theoretisch reflektiert und zum anderen ein differenziertes Bild von Prozessen des „Trans“ mit Bezug auf die generationale Einbettung der jungen Erwachsenen zeichnet. Am Ende des Buches werden mögliche Forschungsperspektiven diskutiert und kritische Anmerkungen zur Frage einer transnationalisierten Lebenswirklichkeit von jungen Erwachsenen formuliert.

Fazit

Im Fokus der empirischen Studie stehen junge Erwachsene mit einer indischen Migrationsgeschichte. Das Buch greift das transnationale Paradigma und nimmt eine Perspektiverweiterung jenseits national(staatlich)er Grenzen ein. In diesem Sinne zeichnet sich das Buch von Kathrin Klein-Zimmer nicht nur durch den aktuellen thematischen Bezug aus, sondern auch durch einen Beitrag zur Schließung bestehender Forschungslücken. Die Autorin zeichnet ein differenziertes Bild von jungen Erwachsenen als Akteuren transnationalisierter Wirklichkeiten. Außerdem stellt sie ein Generationsmodell zur Diskussion, das sich jenseits des Bezugsrahmens des Nationalstaates herausbildet und damit ein Überdenken von generationenbezügen im Kontext von Migration ermöglicht (vgl.S.308).

Mein Eindruck zu diesem Buch ist sehr positiv. Der Aufbau des Buches ist sehr übersichtlich, was einen angenehmen Eindruck beim Lesen vermittelt. Es handelt sich bei der Studie von Kathrin Klein-Zimmer um ein sehr umfangreiches Werk und es zeugt von dem immensen Wissen über das die Autorin verfügt. Insgesamt erweist sich die vorliegende Veröffentlichung als informativ und lesenswert.

Rezension von
Dr. Olga Frik
Omsker Staatliche Universität für Agrarwissenschaften (benannt nach P.A. Stolypin), Omsk, Russische Föderation. Ehemalige Lehrbeauftragte und Gastwissenschaftlerin an der Leibniz-Universität Hannover
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Es gibt 47 Rezensionen von Olga Frik.

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ISSN 2190-9245