Suche nach Titel, AutorIn, RezensentIn, Verlag, ISBN/EAN, Schlagwort
socialnet Logo

Ronald Lutz, Christine Rehklau (Hrsg.): Sozialwissen­schaftliche Grundlagen der Kindheitspädagogik

Rezensiert von Dr. Miriam Damrow, 16.03.2018

Cover Ronald Lutz, Christine Rehklau (Hrsg.): Sozialwissen­schaftliche Grundlagen der Kindheitspädagogik ISBN 978-3-7799-3368-7

Ronald Lutz, Christine Rehklau (Hrsg.): Sozialwissenschaftliche Grundlagen der Kindheitspädagogik. Eine Einführung. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2016. 206 Seiten. ISBN 978-3-7799-3368-7. D: 19,95 EUR, A: 20,60 EUR, CH: 27,90 sFr.
Studienmodule Kindheitspädagogik .

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.

Kaufen beim socialnet Buchversand
Kaufen beim Verlag

Aufbau

Der Sammelband vereint drei thematische Schwerpunkte in sich. Das vollständige Inhaltsverzeichnis findet sich bei der Deutschen Nationalbibliothek.

Nach einer kurzen Einführung (S. 7-11) finden sich im ersten Schwerpunkt unter dem Titel Ordnungen drei Beiträge.

  • Eröffnet wird sowohl der Band wie der Schwerpunkt mit einem Beitrag von Ronald Lutz zu Modernisierung und Wandel (S. 14-26).
  • Der zweite Beitrag und dritte Beitrag stammen ebenfalls von Ronald Lutz und haben zum einen Bilder und Ordnungen zum Thema (S. 27-40), zum anderen stehen Erziehung und Institution im Mittelpunkt (S. 41-53).

Der zweite thematische Schwerpunkt versammelt unter dem Titel Lebenswelten fünf Beiträge.

  • Im vierten Kapitel (das damit gleichzeitig den ersten Beitrag unter diesem Schwerpunkt darstellt) beschreibt Ronald Lutz das Verhältnis von Stadt und Segregation (S. 56-69).
  • Das fünfte Kapitel, ebenfalls von Ronald Lutz, behandelt Lebenslagen und Verwundbarkeit (S. 70-83).
  • Im sechsten Kapitel fokussiert Ronald Lutz soziale Erschöpfung und Armut (S. 84-97), ein Thema, dem er in seinen Büchern „Soziale Erschöpfung: kulturelle Kontexte sozialer Ungleichheit“ und „Neue Wege aus der Kinder- und Jugendarmut“ vertiefend Raum verleiht.
  • Christine Rehklau diskutiert den Komplex Sozialisation und Familie im siebten Kapitel (S. 98-108).
  • Ebenfalls von Christine Rehklau ist auch das 8. Kapitel zu Diversität und Inklusion (S. 109-118.

Der dritte thematische Schwerpunkt Brennpunkte beinhaltet sechs Beiträge.

  • Der erste Beitrag unter diesem Schwerpunkt von Iris Engelhardt fokussiert die Subjektstellung: Kinder und ihre Rechte (S. 120-130).
  • Ebenfalls von Iris Engelhardt ist das 10. Kapitel zu Gesundheit, Gefahren und Prävention (S. 131-144).
  • Im 11. Kapitel werden von Christine Rehklau ungleiche Zugänge zu Bildung und Bildungsarmut in den Blick genommen (S. 145-156).
  • Sandra Fleischer und Robert Seifert diskutieren Medien als Ressource für Kinder (S. 157-169) im 12. Kapitel.
  • Das aktivierte Kind unter dem Gesichtspunkt der Teilhabe wird von Mario Rund im 13. Kapitel ausgeführt (S. 170-179).
  • Ronald Lutz´ Beitrag zu Raum: Aneignung und Anerkennung beschließt als 14. Kapitel die inhaltlichen Ausführungen des Bandes (S. 180-205).

Ein Verzeichnis der Autor*innen findet sich am Ende des Bandes auf S. 206.

Ausgewählte Inhalte

Wie bei Sammelbänden üblich werden zufällig ausgewählte Beiträge rezensiert.

Im Vorwort führen die Herausgeber*innen in den Band ein, geben einen kurzen Einblick in die aktuell geführten Diskurse (in) der Kindheitspädagogik und rahmen die Diskurse. Gleichzeitig widerspiegeln die Diskurse sowohl die thematischen Schwerpunkte als auch die einzelnen Beiträge.

Ronald Lutz ordnet in seinem Beitrag „Bilder und Ordnungen“ historisch bestehende Bilder (Images) von Kindern bzw. Kindheiten ein. Unter Verweisen auf Montessori und Humboldt bildet er Kindheit als eigens definierten (und zu definierenden) „Anders-Raum“ ab, der insbesondere durch die Schutzbedürftigkeit der Kinder charakterisiert ist. In den Bildern von Kindern wird vorrangig auf drei Konstrukte rekurriert: das unschuldige Kind, das wissbegierige Kind und das gestalterische Kind, ergänzt um Diskurse zum resilienten Kind.

Christiane Rehklau verbindet zwei Diskurse in ihrem Beitrag „Diversität und Inklusion“. Nach einer kurzen einführenden Erklärung zur historischen Verwendung des Begriffs Diversität (und ohne Einschluss intersektionaler Betrachtungen) werden spezifische Zielgruppen genauer in den Blick genommen: Kinder mit Migrationshintergrund und Kinder mit Behinderung, um anschließend auf Inklusion, genauer, Inklusion in der frühkindlichen Bildung und Inklusion in der Schule einzugehen.

Iris Engelhardt fokussiert in ihrem Beitrag die Gesundheit von Kindern unter Aspekten von Gefahren und Prävention. Nach einer kurzen definitorischen Einleitung zur Gesundheit wird die gesundheitliche Lage von Kindern und Jugendlichen in Deutschland erörtert. Insbesondere stehen dabei sowohl einzelne Altersabschnitte, spezifische Risiken (Entwicklungsverzögerungen, psychische Auffälligkeiten etc.), aber auch Gesundheitsverhalten und geschlechtsspezifische Risiken im Mittelpunkt. Betrachtungen zu Prävention und Gesundheitsförderung in der Praxis der Sozialen Arbeit beschließen den Beitrag.

Diskussion

Im Beitrag von Ronald Lutz wird eine Rahmung der Entwicklung von Kindheit (und in Teilen ihrer Pädagogik) vorgenommen, die trotz aller gebotenen Kürze problematisch erscheint. So ist zum einen pauschal von „der Kindheit“, „der Pädagogik“ die Rede, ohne zu spezifizieren, wo sich diese Kindheit denn ereignet. Ist hier von lokalen, regionalen, nationalen Kontexten die Rede oder werden diese ausgeschlossen? Und wenn sie ausgeschlossen erscheinen – inwiefern wird diese Exklusion begründet? Oder erscheint Exklusion nicht begründungswürdig? Die Schutzbedürftigkeit von Kindern wird implizit kritisch dargestellt – hier hätte womöglich ein Blick in aktuelle Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe Abhilfe geschaffen, ganz abgesehen von fehlenden Verweisen auf das seit 2012 etablierte Bundeskinderschutzgesetz. Die (vermutet) überhöhte Schutzhaftigkeit von Institutionen wäre an sich eine explizitere Betrachtung wert…

Bei der Betrachtung resilienter Kinder wird jedoch ein normatives Verständnis sowohl von Resilienz als auch Kindheit deutlich, das mehr Fragen aufwirft als beantwortet. Gleichzeitig wird in der Darstellung des resilienten Kindes Resilienz als etwas beinahe automatisch Entstehendes behandelt, als etwas, das sich aus sich selbst heraus entwickelt (und Verweise zur Luhmannschen Autopoiese drängen sich hier fast auf), aber wenig Aktives vom Kind verlangt, voraussetzt oder erwartet. Gleichzeitig ist die einbezogene Literatur etwas alt – da wäre neuere Literatur mindestens erwartbar gewesen.

Christine Rehklaus Beitrag zu Diversität und Inklusion führt im ersten Abschnitt in das Thema Diversität ein. Auffällig erscheint die Exklusion intersektionaler Betrachtungen, obwohl auf den Ansatz der Intersektionalität seit mehreren Jahren auch im deutschsprachigen Raum intensiv rekurriert wird. Zugleich mutet die Beschränkung auf die ausgewählten Aspekte von Migrationshintergrund und Behinderung etwas unmotiviert an: so wird weder die Auswahl erklärt / begründet noch dargestellt, warum diese Auswahl offenbar exemplarisch verwendet wird. Im Themenfeld der Inklusion beschränkt sich Rehklau auf den Bereich der frühkindlichen Bildung und auf die Institution Schule, wobei anzumerken ist, dass hierbei eine Vermischung von Ebenen stattfindet. So werden zum einen Altersebenen vermischt, zum anderen Institutionen vermischt bzw. andere ausgeschlossen.

Im Beitrag von Iris Engelhardt wird inhaltlich stets auf das salutogenetische Modell Bezug genommen – schade, dass es nicht explizit dargestellt wird. Kritisch bleibt zu sehen, dass Engelhardt an einigen Stellen stark verkürzend argumentiert: so wird im Absatz zu Schwangerschaft und Geburt zwar auf Risiken wie Rauchen und Verhaltensweisen wie Stillen verwiesen, weitaus größere Risiken für die Entwicklung von Kindern liegen jedoch im Bereich weiterer Suchtverhaltensweisen, z.B. Alkohol, illegale Drogen), die hier nicht erwähnt werden; Begründungen für die Exklusion werden nicht geliefert. Zudem bleiben einige Beiträge aus der Forschung ausgeschlossen, z.B. Beiträge aus dem Feld der Entwicklungsökonomik.

Fazit

Zwar informiert der Band kenntnisreich über Modelle, welche die Komplexität und Heterogenität der Lebenswelten von Kindern widerspiegeln, allerdings bleiben einige signifikant relevante Lebensfelder von Kindern exkludiert – zu denken wäre etwa an Angehörige pflegende Kinder, an Kinder mit psychisch und/oder chronisch kranken Eltern, an Gewalterfahrungen, die sowohl innerhalb wie außerhalb von familialen /sozialen Nahräumen das Leben / die Lebenswelten von Kindern strukturieren. Zumindest in den rezensierten Beiträgen wird zudem in Teilen eher verkürzt argumentiert.

Rezension von
Dr. Miriam Damrow
Mailformular

Es gibt 48 Rezensionen von Miriam Damrow.

Zitiervorschlag anzeigen Besprochenes Werk kaufen

Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns. Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.


socialnet Rezensionen durch Spenden unterstützen
Sie finden diese und andere Rezensionen für Ihre Arbeit hilfreich? Dann helfen Sie uns bitte mit einer Spende, die socialnet Rezensionen weiter auszubauen: Spenden Sie steuerlich absetzbar an unseren Partner Förderverein Fachinformation Sozialwesen e.V. mit dem Stichwort Rezensionen!

Zur Rezensionsübersicht

Sponsoren

Wir danken unseren Sponsoren. Sie ermöglichen dieses umfassende Angebot.

Über die socialnet Rezensionen
Hinweise für Rezensent:innen | Verlage | Autor:innen | Leser:innen sowie zur Verlinkung

Bitte lesen Sie die Hinweise, bevor Sie Kontakt zur Redaktion aufnehmen.
rezensionen@socialnet.de

ISSN 2190-9245