Sabine Ahrens-Eipper, Bernd Leplow: [...] Ein Trainingsprogramm für sozial unsichere Kinder
Rezensiert von Prof. Dr. Hans-Peter Michels, 30.11.2004
Sabine Ahrens-Eipper, Bernd Leplow: Mutig werden mit Til Tiger. Ein Trainingsprogramm für sozial unsichere Kinder.
Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG
(Göttingen) 2004.
168 Seiten.
ISBN 978-3-8017-1784-1.
39,95 EUR.
CH: 68,00 sFr.
Reihe: Therapeutische Praxis. Mit CD-ROM.
Seit Erstellung der Rezension ist eine neuere Auflage mit der ISBN 978-3-8017-2247-0 erschienen, auf die sich unsere Bestellmöglichkeiten beziehen.
Einführung in die Themenstellung
Soziale Unsicherheit im Kindesalter kann ein Risikofaktor für psychische Störungen im Jugend- oder Erwachsenenalter sein - das haben neuere Forschungsergebnisse aufgezeigt. Sinnvoll ist es daher möglichst frühzeitig mit solchen Kindern zu arbeiten, so dass sie Strategien und Kompetenzen erwerben, die sie sozial sicherer im Umgang mit anderen Menschen und belastenden sozialen Situationen werden lassen. Sabine Ahrens-Eipper und Bernd Leplow von der Universität Halle haben ein störungsspezifisches Trainingssprogramm für sozial unsichere Kinder erarbeitet, welches jetzt als Manual vorliegt. Es kann sowohl für die Prävention wie auch zur psychotherapeutischen Behandlung eingesetzt werden.
Aufbau und Inhalt
Die Autoren grenzen zunächst die „Soziale Unsicherheit“ gegenüber nahestehenden, manchmal aber synonym gebrauchten, Konzepten, wie Soziale Phobie, Verhaltenshemmung oder Schüchternheit ab. In Kapitel 3 “Entstehung und Aufrechterhaltung Sozialer Unsicherheit“ diskutieren sie verschiedene Störungs-Modelle, die unterschiedliche Faktoren zur Erklärung der Sozialen Unsicherheit hervorheben. Beispielsweise werden im Modell von Clark & Wells einseitig kognitive Prozesse, Selbstaufmerksamkeit und Sicherheitsverhalten betont.
Ahrens-Eipper und Leplow entwerfen eigens einen multikausalen Ansatz, um die Problematik der Sozialen Unsicherheit umfassender aufklären zu können: Training und Therapie sollen nach einem individualisierten hypothetischen Bedingungsmodell durchgeführt werden. Für jedes Kind müssen daher prädisponierende, auslösende und aufrechterhaltende Faktoren der Angst spezifiziert werden.
In Kapitel 4 “Diagnostik und Therapiekontrolle werden verschiedene diagnostische Instrumente vorgestellt (die z.T. im Anhang als Materialien abgedruckt vorliegen) sowie der Ablauf des Erstgesprächs beschrieben. Außerdem werden Fragen zur Indikation und Kontraindikation des Trainings erörtert.
Das Kapitel 5 “Stand des Behandlungswissens“ gibt einen kurzen Überblick über bisherige Interventionsansätze, die mit sozial ängstlichen oder unsicheren Kinder durchgeführt worden sind. Häufig sind diese Ansätze lediglich durch Einzelfallanalysen evaluiert worden.
Die Kapitel 6-9 sind dann dem eigentlichen “Tigertraining“ gewidmet. „Til Tiger“, eine Handpuppe, die von einem Therapeuten betätigt wird, soll als Identifikationsfigur für die Kinder dienen. Mit dieser Figur soll auf kindgerechte Art symbolisiert werden, dass es möglich und lohnenswert ist, vor angstbesetzten Situationen nicht zu kapitulieren, sondern diese aktiv zu bewältigen.
Das Programm wendet sich an Mädchen und Jungen der Altersgruppe von fünf bis zehn Jahren. Es sind zwei Einzelsitzungen und neun Gruppenstunden geplant. Die Eltern sollen nicht nur über die Inhalte des Trainings informiert werden, sondern, wenn irgend möglich, für die Unterstützung ihrer Kinder gewonnen werden. Außerdem sollen sie erfahren, wie sie förderliches Erziehungsverhalten realisieren können.
Der Aufbau des Trainings ist folgendermaßen gestaltet:
- Til Tiger kennenlernen
- Entspannung und Gesprächsregeln aneignen
- Kennenlernen der Gruppe
- Kontakt zu anderen Kindern aufnehmen
- Vor der Gruppe agieren
- Berechtigte Forderungen durchsetzen
- Nein sagen sowie Forderungen ablehnen können
- Alleine einkaufen gehen
- Sich ohne Gewalt gegen Hänseleien wehren
- Durchführen eines Abschlussfestes
Die Trainingseinheiten sind - im Unterschied zu manch anderen kognitiv-behavioralen Programmen - stark verhaltensorientiert und knüpfen damit produktiv an der Tradition der Selbstsicherheitstrainings an.
Über die Evaluation des Programms kann sich der Leser in Kapitel 9 informieren.
Im Anhang werden Materialien präsentiert, die für die praktische Arbeit sehr nützlich sind.
Fazit
Das Training kann von Verhaltenstherapeuten, sowohl von Anfängern wie von Fortgeschrittenen, durchgeführt werden. Dem Programm ist schon deshalb eine weite Verbreitung zu wünschen, da hierzulande ein Nachholbedarf in der Unterstützung von Kindern mit internalisierenden Formen psychischer Probleme zu verzeichnen ist.
Rezension von
Prof. Dr. Hans-Peter Michels
Dipl.-Psychol.
Es gibt 40 Rezensionen von Hans-Peter Michels.
Zitiervorschlag
Hans-Peter Michels. Rezension vom 30.11.2004 zu:
Sabine Ahrens-Eipper, Bernd Leplow: Mutig werden mit Til Tiger. Ein Trainingsprogramm für sozial unsichere Kinder. Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG
(Göttingen) 2004.
ISBN 978-3-8017-1784-1.
Reihe: Therapeutische Praxis. Mit CD-ROM.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/2028.php, Datum des Zugriffs 08.09.2024.
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