Patrick Pössel, Andrea B. Horn et al.: Trainingsprogramm [...] Depressionen bei Jugendlichen
Rezensiert von Prof. Dr. Hans-Peter Michels, 30.11.2004
Patrick Pössel, Andrea B. Horn, Simone Seemann, Martin Hautzinger: Trainingsprogramm zur Prävention von Depressionen bei Jugendlichen. LARS & LISA. Lust an realistischer Sicht & Leichtigkeit im sozialen Alltag.
Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG
(Göttingen) 2004.
112 Seiten.
ISBN 978-3-8017-1800-8.
39,95 EUR.
CH: 69,90 sFr.
Reihe: Therapeutische Praxis, Band 23. Großformat inklusive CD-ROM.
Einführung ins Thema
Die Forschungen der letzten Jahre zeigen, dass depressive Verstimmungen bei Jugendlichen fast so häufig wie im Erwachsenenalter vorkommen können. Betroffene Jugendliche haben außerdem nicht selten komorbide Störungen (beispielsweise Angststörungen, Substanzmissbrauch oder -abhängigkeit) und erhebliche psychosoziale Probleme.
Im Unterschied zu Nichtbetroffenen weisen depressive Jugendliche in der Regel eine geringere Anzahl von Kontakten zu Gleichaltrigen auf. Häufig sind diese Beziehungen nicht sehr tragfähig. Daher werden frühzeitige präventive und psychotherapeutische Interventionen favorisiert, um eine Chronifizierung psychischer Störungen abzuwenden.
Alle Anstrengungen sind begrüßenswert, die Hilfen für die praktische Präventionsarbeit bereitstellen. Das Programm von Pössel, Horn, Seemann und Hautzinger stellt eine solche Hilfe dar. Es handelt sich um ein stark strukturiertes Programm, welches für Schülerinnen und Schüler der siebten und achten Klassenstufe (verschiedener Schultypen) entwickelt worden ist. In der Regel sollen zwei Trainer mit einer Gruppe von 12 bis 16 Schülern arbeiten (andere Gruppengrößen sind möglich: bis zu 24 Schüler oder kleine Gruppen mit ca. 8 Jugendlichen, wobei dann ein Trainer genügt). Das Training umfaßt insgesamt 10 Doppelstunden ‡ 90 min. Die Sitzungen finden im wöchentlichen Rhythmus statt.
Inhaltsübersicht
Zu Beginn berichten die Autoren über die Besonderheiten bzw. Gemeinsamkeiten zwischen depressiven Verstimmungen im Jugend- und Erwachsenenalter. Es folgen epidemiologische Befunde sowie Forschungsergebnisse zu Risiko- und Schutzfaktoren. Aufgrund dieser Erkenntnisse könne jedoch noch kein befriedigendes Präventionskonzept entworfen werden, sondern zentral für das Verständnis von Depressionen sind , so die Position der Autorengruppe, die kognitiven Stile der Betroffenen. Daher stellen sie die Informationsverarbeitung (wobei sie sich am Modell von Dodge orientieren) in den Vordergrund: Fehler und Verzerrungen bei der Informationsverarbeitung spielen eine große Rolle bei Depressionen - so die These.
Das Präventionskonzept ist kognitivistisch geprägt: Es orientiert sich an den Ansätzen zur Therapie von Depressionen, z.B. an Becks, aber auch Hautzingers Vorgehen. Zusätzlich werden Elemente aus Selbstsicherheitstrainings in den Entwurf des Programms eingebracht. Das Programm enthält fünf Bausteine:
- Formulierung persönlicher Ziele
- Kennenlernen des Zusammenhangs zwischen Kognitionen, Emotionen und Verhalten
- Exploration und Veränderung dysfunktionaler Kognitionen
- Training sozialer Kompetenzen
- Selbstsicherheitstraining.
In Kapitel 4 Einführung in die praktische Arbeit mit dem Trainingsmaterial werden konkrete Angaben für die Qualifikation und das Verhalten der Trainer gemacht.
Im 5. Kapitel Trainingsmanual wird die Gestaltung der 10 Doppelstunden vorgestellt. Die Teilnehmer sollen persönliche Ziele erarbeiten und diese so konkret fassen, dass sie in konkrete Handlungen umgesetzt werden können. Mittels Übungen, die als "Magische Spirale" bezeichnet werden, sollen die Jugendlichen den Zusammenhang von Gefühlen, Gedanken und Verhalten entdecken sowie die Möglichkeiten gegenseitiger Beeinflußbarkeit wahrnehmen. Sie werden mit einer speziellen Technik vertraut gemacht, mittels Gedanken bewusst ihre Gefühle lenken zu lernen. Sie sollen ihre selbstwertmindernden Gedanken oder generell ihre depressiogenen Kognitionen identifizieren können (sogenannte "Runterzieher"), als Alternative "Aufbauer" erarbeiten, um auf diesem Wege in positivere Stimmungen zu gelangen. Ab der siebten Sitzung stehen Rollenspiele im Vordergrund, um sozial kompetentes und selbstsicheres Verhalten zu trainieren, wobei - und das ist für Jugendliche mit depressiven Verstimmungen sehr wichtig - besonders Kontakt herstellen und aufrechterhalten trainiert wird.
Dem Manual ist eine CD beigelegt, die eine PDF-Datei mit den Arbeitsmaterialien für die Teilnehmer enthält.
Zielgruppen und Verwendbarkeit
Das Präventionsprogramm kann von Psychologen, Psychotherapeuten, Sozialarbeitern und Pädagogen durchgeführt werden. Jedoch sollten die Trainer über fundierte Kenntnisse in kognitiv-verhaltenstherapeutischen Grundlagen sowie mit sozialen Kompetenztrainings verfügen. Bisher ist das Programm ausschließlich im schulischen Kontext evaluiert worden, doch - so die Autoren - könne das Training auch für Arbeiten in Beratungsstellen, Jugendzentren, Heimen, Kliniken u.ä. adaptiert werden.
Rezension von
Prof. Dr. Hans-Peter Michels
Dipl.-Psychol.
Es gibt 40 Rezensionen von Hans-Peter Michels.
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Zitiervorschlag
Hans-Peter Michels. Rezension vom 30.11.2004 zu:
Patrick Pössel, Andrea B. Horn, Simone Seemann, Martin Hautzinger: Trainingsprogramm zur Prävention von Depressionen bei Jugendlichen. LARS & LISA. Lust an realistischer Sicht & Leichtigkeit im sozialen Alltag. Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG
(Göttingen) 2004.
ISBN 978-3-8017-1800-8.
Reihe: Therapeutische Praxis, Band 23. Großformat inklusive CD-ROM.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/2029.php, Datum des Zugriffs 16.09.2024.
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