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Carola Bauschke-Urban, Göde Both u.a. (Hrsg.): Bewegung/en

Rezensiert von Dr. Miriam Damrow, 07.06.2016

Cover Carola Bauschke-Urban, Göde Both u.a. (Hrsg.): Bewegung/en ISBN 978-3-8474-0505-4

Carola Bauschke-Urban, Göde Both, Sabine Grenz, Inka Greusing, Tomke König (Hrsg.): Bewegung/en. Die Perspektive von Schülerinnen und Schülern als Ausgangspunkt für eine Neuorientierung. Verlag Barbara Budrich GmbH (Opladen, Berlin, Toronto) 2016. 148 Seiten. ISBN 978-3-8474-0505-4. D: 21,90 EUR, A: 22,60 EUR.
Weitere HerausgeberInnen: Lisa Pfahl, Katja Sabisch, Monika Schröttle und Susanne Völker.

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Entstehungshintergrund und Thema

Im vorliegenden Sonderheft werden Beiträge der 5. Jahrestagung der Fachgesellschaft Geschlechterstudien e.V. vorgestellt, deren Fokus auf Dynamiken, Kämpfen, Konflikten und Auseinandersetzungen von Geschlechterkosntruktionen und Geschlechterhierarchien liegen.

Aufbau

Der Band versammelt zehn Beiträge der Jahreskonferenz in folgender Reihenfolge. Nach dem kombinierten Vorwort/Danksagungsteil (S. 9) führt Susanne Völker in die Thematik des Bandes ein mit ihrem Beitrag Bewegungen: Konstellationen und Dynamiken. Eine Einleitung ein (S. 10-30).

  1. Christine Buchwald, Sebastian Grieser und Elaine Lauwaert geben in ihrem Tagungsbericht einen Überblick zur Zielrichtung der Tagung (S. 31-38).
  2. Die Beiträge selbst beginnen mit dem Artikel von Imke Schmincke zur Wirkung der Frauenbewegung in den Aussagen junger Studierender von 1981 und 2012 (S. 39-49).
  3. Elaine Lauwaert fokussiert auf Betrachtungen zu politischen Strategien von Trans*-Bewegungen in Deutschland in ihrem Beitrag „Zwischen Identitätspolitiken und Aufgehen in normativer Zweigeschlechtlichkeit“ (S. 50-60).
  4. Lisa Pfahl und Swantje Köbsell diskutieren Grenzen der Sichtbarkeit in den Dimensionen von Geschlecht und Behinderung im Beitrag „Von ‚Krüppelfrauengruppen‘ zur ‚Disability and Mad Pride‘“ (S. 61-74).
  5. Ulrike Klöppel konturiert in ihrem Beitrag die Aids-Krise und verortet diese zwischen Bio- und Affektpolitik (S. 75-87).
  6. Esther Mader stellt Betrachtungen zur Handlungsfähigkeit durch affektive Verbindungen in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen (S. 88-98).
  7. Marcel Wrzesinski fokussiert separatistische Tendenzen in feministischen Manifesten der 1960er Jahre in seinem Beitrag „Zwischen Radkalität und Utopie“ (S. 99-108).
  8. Eike Marten stellt in ihrem Beitrag Überwindung und Aneignung als wirkmächtige Narrative der wissenschftlichen Diskussion über die Beziehung zwischen Diversity und Gender dar (S. 109-120).
  9. Florian Cristobal Klenk und Lisa-Marie Langendorf stellen Figurationen des Begriffs der pädagogsichen Genderkompetenz vor (und auch infrage) (S. 121-133).
  10. Kathrin Ganz zeigt in in ihrem Beitrag Konflikte und Verschränkungen von Netzbewegung und Netzfeminismus auf (S. 134-143).
  11. Den Band beschließt Tomke König mit der Rubrik Ratschlag und ihrem Beitrag zu „Austausch und Debatten zu den Angriffen auf die Geschlechterforschung“ (S. 144-148).

Ausgewählte Inhalte

Im folgenden stelle ich eine Auswahl der Beiträgen exemplarisch vor.

Susanne Völker stellt in ihrer Einleitung Erscheinungsformen von Bewegungen in den Mittelpunkt. Sie konturiert diese in ihrer Vieldeutigkeit als soziale Praxen. In ihrem Beitrag werden zunächst Verschiebungen in der Anordnung von Bewegungen diskutiert, bevor exemplarisch Kritikpunkte aufgegriffen werden. Sie startet dabei mit einer Einordnung von Bewegungen in „Neue soziale Bewegungen“, deren soziale Transformationen in Politiken eines Konvivialismus betont werden. Nicht mehr Zugehörigkeiten (oder eben Nicht-Zugehörigkeiten) stehen im Mittelpunkt, sondern Tendenzen der Transnationalisierung und Transkulturalisierung kollektiven Handelns: „Es geht damit nicht nur um ein Jenseits von Identitäts- und Repräsentationspolitiken, sondern auch um das Wie der Visionen und der Kritik, das mit geteilter (nicht identitäter) Praxis, mit dem Stattgeben von wechselseitiger Bezogenheit und der Erweiterung von affektiver Empfänglichkeit … einhergeht“ (S. 15). In den nächsten Abschnitten werden sodann Akzentuierungen wider den Besitzindividualismus, zum strategischen Ort der Sorge und nervöse Männlichkeiten gesetzt.

Elaine Lauwaert zeichnet in ihrem Beitrag „Zwischen Identitätspolitiken und Aufgehen in normativer Zweigeschlechtlichkeit. Betrachtungen zu politischen Strategien von Trans*Bewegungen in Deutschland in den 1980er Jahren anhand der Analyse zweier Zeitungen“ Bewegungen nach, die sich um die Trans-Bewegung zentrieren. Ausgewählt dazu hat sie die die Zeitungen EZKU und TS-Journal. Nach der knapp gehaltenen Einleitung folgt ein (nur in Ansätzen skizzierter) Forschungsstand zu ihrem Thema, dessen unzureichende wissenschaftliche Berücksichtigung sie klar herausstellt. Im zweiten Abschnitt folgt eine historische Einordnung zur Entwicklung der Transbewegung als Identitätspolitik. Der dritte Abschnitt bietet einen Ausblick auf die historisch abgeleitete Notwendigkeit von Bündnissen von Trans*-Menschen.

Florian Cristobal Klenk und Lisa-Marie Langendorf zeigen in ihrem Beitrag Pädagogische Genderkompetenz schon im Untertitel Ambivalenzen eines schillernden Begriffs an. Ihr Beitrag führt in die Thematik mit der Differenzierung der Begrifflichkeiten ein. Im zweiten Abschnitt werden Kontexte der Institutionalisierung konturiert. Klenk und Langendorf verweisen hier auf historische Entstehungsbedingungen, die sie kritisch einschätzen, und setzen sie in Zusammenhang mit der Kompetenzorientierung in der Bildungspolitik. Im darauf folgenden Abschnitt erfolgt die Zusammenschau der Bereiche Gender und Kompetenzen in den Feldern von Wissen, Wollen und Können. Nach den kurz skizzierten Ausführungen zu Genderkompetenz wird im vierten Abschnitt in kritischer Absicht nachgefragt (so auch der Titel des Abschnitts). Beide Autor_innen binden die pädagogische Genderkompetenz an eine Kritik neoliberaler Kompetenzorientierung. Im Ausblick werden im Anschluss an Sabine Hark Forderungen für die Vermittlung und Konzeptualisierung von Genderkompetenz im Kontext pädagogischer Professionalisierungsbestrebungen aufgestellt.

Diskussion

Susanne Völker konturiert in ihrem Beitrag Bewegungen als Erscheinungsformen von Politiken. Gerade im Abschnitt zu nervösen Männlichkeiten fält jedoch eine Gleichsetzung eher konservativer Haltung mit (undefiniert bleibender) Rechts-Neigung unangenehm auf: diese Gleichsetzung wird weder hergeleitet noch begründet. Es findet sich lediglich eine Beschreibung von Allianzen politisch-phober Ideen (der Spannungsbogen reicht hier von islamophoben zu anti-genderistischen Artikulationen). Völker selbst formuliert das als „…häufig aggressives Konglomerat von Abstiegsängsten, von Furcht vor Uneindeutigkeiten, dem Gefühl der Ohnmacht, ja des regiertwerdens …“ (S. 20). Auch wenn klar der politikwissenschaftlich- -historische Bezug erkennbar wird (erinnert sei hier an Hobbes Leviathan), bleibt doch zu fragen, wieso „Anti-Genderismus“ einer Rechtsneigung entspricht. Unbezweifelt, dass sich entsprechende Äußerungen in entsprechenden Teilöffentlichkeiten finden lassen, aber einer Gleichsetzung sollte diese Teilöffentlichkeit methodisch nicht genügen. Der Komplexität der Phänomene wird ein geradezu voreiliges Urteil nicht gerecht. Gleichwohl ist in Völkers daran anschließenden Ausführungen eine durchdachtere Begründung zu finden.

Elaine Lauwaert diskutiert politische Strategien der Trans-Bewegung in Deutschland. Sie rekonstruiert diese Bewegung aus der Analyse zweier Zeitungen. Methodisch bleibt hier sehr kritisch anzumerken, dass die Begründung für den Zeitraum eher indirekt erfolgt (durch die Einführung des Transsexuellen-Gesetzes), dass die Auswahl der Zeitungen erst spät begründet und/oder hergeleitet wird und aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht darf bezweifelt werden, ob eine Gleichsetzung von Zeitungen mit Zeitschriften berechtigt ist. Lauwaert setzt hier Zeitungen mit Zeitschriften gleich.

Florian Cristobal Klenk und Lisa-Marie Langendorf konstatieren in ihrem Beitrag sowohl unkommentiert wie unreflektiert einen Mangel an genderkompetenter Handlungsbereitschaft. Dieser von ihnen diagnostizierte Mangel wird weder empirisch hergeleitet noch begründet, elementare Forschungsschritte also eklatant missachtet. Um diesem unbewiesenen und unbegründeten Mangel zu beheben, so die Autor_Innen weiter, wird zunächst genderrelevantes Wissen vermittelt. Die Frage scheint an dieser Stelle auf, inwieweit die Notwendigkeit der Wissensvermittlung gegeben sei, wenn der Begründungszusammenhang nciht geliefert wird. Die Autor_Innen machen zudem gleich im nächsten Absatz eine Differenzierung auf, deren Herleitung mehr als fragwürdig erscheint. Wird vorher auf Genderkompetenz verwiesen, folgt im nächsten Abschnitt der Verweis auf pädagogische Genderkompetenzkonzepte. Pädagogische Genderkompetenzkonzepte werden jedoch immanent im ganzen Beitrag kritisch reflektiert. Methodisch fragwürdig bleibt die unbegründete Verallgemeinerung: im gesamten Beitrag ist nur die Rede von „den“ Konzepten, „der“ Genderkompetenz bzw. „der“ nicht hinterfragten neoliberalen Akzeptanz.

Fazit

Der Sonderband „Bewegung/en“ bietet eine heterogene Zusammenstellung der Beiträge der fünften Jahrestagung der Fachgesellschaft Geschlechterstudien. Insgesamt fallen in den rezensierten Beiträgen methodische Schwächen auf, die den Erkenntnisgewinn erheblich schmälern. Eine kritische Durchsicht hätte – zumindest den rezensierten – Beiträgen vermutlich erheblich gutgetan.

Rezension von
Dr. Miriam Damrow
Hochschule Magdeburg-Stendal
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Es gibt 48 Rezensionen von Miriam Damrow.

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Zitiervorschlag
Miriam Damrow. Rezension vom 07.06.2016 zu: Carola Bauschke-Urban, Göde Both, Sabine Grenz, Inka Greusing, Tomke König (Hrsg.): Bewegung/en. Die Perspektive von Schülerinnen und Schülern als Ausgangspunkt für eine Neuorientierung. Verlag Barbara Budrich GmbH (Opladen, Berlin, Toronto) 2016. ISBN 978-3-8474-0505-4. Weitere HerausgeberInnen: Lisa Pfahl, Katja Sabisch, Monika Schröttle und Susanne Völker. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/20408.php, Datum des Zugriffs 06.12.2023.


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