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Ursula Boos-Nünning: Bildungsbrücken bauen

Rezensiert von Dipl.-Hdl. Dr. phil. Klaus Halfpap, 11.07.2016

Cover Ursula Boos-Nünning: Bildungsbrücken bauen ISBN 978-3-8309-3380-9

Ursula Boos-Nünning: Bildungsbrücken bauen. Stärkung der Bildungschancen von Kindern mit Migrationshintergrund. Ein Handbuch für die Elternbildung. Waxmann Verlag (Münster, New York) 2016. 305 Seiten. ISBN 978-3-8309-3380-9. D: 24,90 EUR, A: 25,60 EUR.

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Thema

Migration, d. h. die Wanderung von Menschen zwischen Staaten und Völkern auf der Suche nach Arbeit oder Schutz vor Verfolgung, ist ein Bestandteil der Menschheitsgeschichte. Sie intendiert somit einen dauerhaften Wechsel in eine andere Gesellschaft. Seit Ende des 20. Jahrhunderts hat sich die Migrationsbewegung verstärkt und hat hohe aktuelle Bedeutung. Eltern haben in diesem Wanderungsprozess zusätzlich hohe Bildungserwartungen an ihre Kinder; sie haben selbst oft geringe oder keine Erfahrungen mit Bildungseinrichtungen (hier: des deutschen Bildungssystems). Darüber müssen sie informiert werden. Wie dies erfolgen kann, wird in diesem „Handbuch für die Elternbildung“ erläutert: sehr praxisbetont und theoretisch fundierend.

HerausgeberIn

und Mitautorin der 15köpfigen Autorengruppe ist für die Otto Benecke Stiftung e. V. Prof. em. Dr. Ursula Boos-Nünning für Migrationspädagogik an der Universität Duisburg/Essen bis 2009 und zeitweise auch (Pro-)Rektorin der Universität Essen.

Entstehungshintergrund

ist das von 2011 bis 2014 bundesweit durchgeführte Modellprojekt „Bildungs-Brücken: Aufstieg!“ der Otto Benecke Stiftung e. V. mit fünf Migrantenverbänden für Eltern mit Arabisch, Russisch oder Türkisch als Herkunftssprache in 455 Elternforen mit über 7000 Eltern.

Aufbau und Inhalt

Ein wesentliches Ergebnis dieses Modellprojekts ist das vorliegende Modulhandbuch, das in drei Modulen zum Einsatz für die Moderation von Elternforen oder -seminaren dienen soll. Dies wird nach ausführlicher Vorstellung des Projektträgers und seiner Kooperationspartner sowie des Stellenwertes des Modellprojekts in drei einleitenden Kapiteln erläutert (11 ff.).

Die Module sind wie folgt betitelt:

  1. Unterstützung der Kinder in zentralen Entwicklungsbereichen (39 ff.)
  2. Verbesserung der Lernbedingungen für Kinder (105 ff.)
  3. Der Umgang mit den Bildungseinrichtungen (181 ff.)

Die Kapitel sind in Themen untergliedert mit jeweils einem Basistext, didaktischen Vorschlägen, Quellen- und Materialangaben an Eltern sowie Literaturangaben zur Vertiefung mit häufigen Hinweisen, dass die Ausführungen auch für einheimische deutsche Eltern und ihre Kinder gelten.

Das Modul 1 hat fünf Themenschwerpunkte:

  1. Frühkindliche Förderung der Sinne und der kognitiven Entwicklung (41 ff.).
  2. Sprachentwicklung und Zweisprachigkeit in den ersten Lebensjahren mit einem Ausblick auf den Erwerb der Schriftsprache (53 ff.) u. a. mit der hervorgehobenen Erkenntnis, dass über 80 % junger Frauen mit Migrationshintergrund eine zwei- oder mehrsprachige Erziehung ihrer Kinder wünschen (53) und weltweit die Mehrsprachigkeit normal ist (55).
  3. Vermittlung von Schlüsselqualifikationen sowie Hilfen bei der Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung (68 ff.) zur Selbststeuerung des eigenen Lebens (75).
  4. Unterstützung in der Entwicklung von Werten und Wertehaltungen zur Förderung der Bildung des Kindes (83 ff.), wobei zu beachten ist, dass Familien mit Migrationshintergrund zum Teil andere Wertvorstellungen haben als deutsche Familien (85).
  5. Umgang mit Lernstörungen (93 ff.) u. a. mit der Feststellung, dass „Migrationshintergrund wohl kein Grund für Lernstörungen“ ist (97).

In ebenfalls fünf Themenbeiträgen von Modul 2 werden bearbeitet und vorgeschlagen:

  1. Schaffung eines positiven Lernklimas in der Familie (107 ff.) mit Migrationshintergrund, die hohe Bildungserwartungen hat (110); dabei können Eltern konkret leisten (111 ff.): die Schaffung lernfördernder Räume, ausreichende Schlafzeiten, Strukturierung des Tagesablaufs, Aufgreifen von Erlebnissen der Kinder in den Bildungsstätten, Stärkung des Selbstwertgefühls und Lernprozessbegleitung.
  2. Erziehungskompetenzen stärken: über die Auswirkungen des Erziehungsstils auf Lernen und Bildung (119 ff.). Dies wird ausführlich und fundiert entwickelt auch in Reflexion einer heute oft geforderten gewaltfreien Erziehung (127 ff.).
  3. Nutzung familiärer Ressourcen für die Erziehung und Bildung des Kindes (134 ff.).
  4. Nutzung von Lernorten außerhalb von Familie und Bildungseinrichtungen (151 ff.), die besonders den Erfolg von Migrantenorganisationen zeigen (161).
  5. Medieneinsatz in Erziehung und Bildung (164 ff.); denn: Medienkompetenz gilt heute als Schlüsselqualifikation (165), zu deren Förderung Medien als Lernmittel eingesetzt werden sollten (174).

In neun Beiträgen werden im Modul 3 detailliert in ihrer Bedeutung vor allem für Migranten bearbeitet und (wiederum) mit didaktischen Möglichkeiten der Bearbeitung in Seminaren dargestellt:

  • die Bildungseinrichtungen und Bildungswege (183 ff.);
  • die Bedeutung der Zusammenarbeit von Eltern mit Bildungseinrichtungen (200 ff.);
  • die Bedeutung der Übergänge im Bildungssystem als „Knotenpunkte in der Biografie des Kindes“ (214 ff.) von der Familie in eine vorschulische Einrichtung (221 ff.), in die Grundschule (234 ff.) und in die weiterführende Schule (246 ff.);
  • belastende Übergänge (265 ff.);
  • die entwickelten „Lösungen bei Konflikten zwischen Eltern und Bildungseinrichtungen“ (272 ff.); sie führen u. a. auch zur „Stärkung der Voraussetzungen für die Kooperation mit und die Partizipation in Bildungseinrichtungen durch Einbeziehung von Migrantenorganisationen“ (290 ff.).

Diskussion

  1. Mobbing auch in Kindertagesstätten und Schulen nimmt zu, vor allem als Cyber-Mobbing mit modernen Kommunikationsmitteln im Internet. Als Rezensent kann ich der Feststellung nicht zustimmen, dass „die Lehrkräfte längst nicht immer fähig oder bereit (sind) einzugreifen“ (276). Dies wäre generell erschütternd – nicht nur in Gruppen mit teilweise Migrationshintergrund.
  2. Die drei Titelangaben sind im Original zwar unterschiedlich gedruckt. Trotzdem sollte im zweiten Satz ausdrücklich deutlich gemacht werden, dass die Stärkung der Bildungschancen insbesondere von Kindern mit Migrationshintergrund thematisiert wird. Denn alle soziologischen und psychologischen Hinweise zum Thema gelten generell auch für Deutsche, was das Buch für alle „Brückenbauer“ sehr informativ und interessant macht.

Fazit

Nach dem zweiten Untertitel wird ein Handbuch für Elternbildung vorgelegt, in dem das komplexe Thema „Bildungsbrücken bauen“ für Kinder und Jugendliche zur Stärkung ihrer Bildungschancen im differenzierten deutschen Bildungssystem unter besonderer Berücksichtigung der Kinder mit Migrationshintergrund bearbeitet wird. Es wurde für den Einsatz von Moderatorinnen und Moderatoren bei Elternforen oder -seminaren konzipiert, wodurch auch sie selbst weiterqualifiziert werden sollen. Die erzielte Breitenwirkung in der Entwicklungs- und Erprobungsphase bestätigt dieses Anliegen voll.

Das Buch ist sehr gut gegliedert, verständlich und anschaulich in der Darstellung, gibt umfangreiche Anregungen zur eigenen Weiterarbeit und zur Empfehlung an die Seminarteilnehmer mit teilweise ausdrücklichen „Tipps“ zur praktischen Erziehungsgestaltung. Das Buch ist für alle unmittelbar und mittelbar am Bildungsprozess von Heranwachsenden Beteiligten sehr empfehlenswert.

Rezension von
Dipl.-Hdl. Dr. phil. Klaus Halfpap
Ltd. Regierungsschuldirektor a. D.

Es gibt 51 Rezensionen von Klaus Halfpap.

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Zitiervorschlag
Klaus Halfpap. Rezension vom 11.07.2016 zu: Ursula Boos-Nünning: Bildungsbrücken bauen. Stärkung der Bildungschancen von Kindern mit Migrationshintergrund. Ein Handbuch für die Elternbildung. Waxmann Verlag (Münster, New York) 2016. ISBN 978-3-8309-3380-9. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/20435.php, Datum des Zugriffs 20.09.2024.


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