Amelie Funcke, Maria Havermann-Feye: Training mit Theater
Rezensiert von Dr. Julia Weitzel, 04.03.2016

Amelie Funcke, Maria Havermann-Feye: Training mit Theater. Wie sie Theaterelemente in Trainings und Unternehmensveranstaltungen erfolgreich einsetzen. managerSeminare Verlags GmbH (Bonn) 2015. 360 Seiten. ISBN 978-3-95891-007-2. D: 49,90 EUR, A: 51,30 EUR, CH: 66,90 sFr.
Autorinnen
Amelie Funcke ist Moderatorin, Beraterin und Trainerin für Unternehmen und hat zuvor Erfahrungen mit Bühnenprojekten, theaterpädagogischen Fortbildungen und als Clown gesammelt.
Maria Havermann-Feyer ist Kauffrau mit Ausbildung zur Theaterpädagogin und als Coach, Trainerin und Regisseurin tätig. Beide sind in der Aus- und Fortbildung tätig.
Aufbau und Inhalt
Das Buch ist in sieben Kapitel gegliedert, die in der Theaterterminologie als Akte bezeichnet sind.
Im ersten Akt wird der Einsatz von szenischen Methoden in Unternehmen als Möglichkeit lebendigen Lernens benannt. Theater wird dabei als Arbeitsmittel angesehen, welches zur Erreichung von Unternehmens- und Trainingszielen eingesetzt werden kann (S. 10).
Der zweite Akt stellt Theaterformen für Training und Unternehmen vor und fokussiert sich dabei v.a. auf die Einsatzmöglichkeiten von Theater in gängigen Trainings (integrativer Ansatz). Es werden 24 Formen aufgelistet, kurz beschrieben, kommentiert und in der Regel um Angaben zu einer_m Anbieter_in ergänzt. Der Seminarraum wird dabei als Bühne aufgefasst (23ff). Bühnenweisheiten von Lampenfieber bis hin zur verpatzen Generalprobe (30ff) sind der Auflistung vorangestellt.
Insbesondere der dritte und vierte Akt thematisiert Unternehmenstheater als Vollformat.
Akt 3 beginnt mit einer Begriffsklärung (S. 135ff) und unterscheidet dabei Unternehmenstheater in proaktives, integratives und interaktives Theater. Als Kernziel von Unternehmenstheater werden Wandel und die Förderung von Veränderungsbereitschaft verstanden.
Akt 4 widmet sich der Frage, wie Kunden für Unternehmenstheater gewonnen werden können (mit Proargumenten und Hinweisen zur Angebotserstellung).
Während der fünfte Akt die Aktivierung zum (Theater-)Spiel und den Umgang mit Widerständen fokussiert, geht es im sechsten Akt um die Szenenentwicklung und -auswertung.
Im Fundus (7. Akt) finden sich Literaturempfehlungen, Bezugsquellen für Requisiten etc. sowie weitere Listen, z.B. mit Musiktiteln.
Layout: Das Buch ist sehr übersichtlich aufgebaut und durch u.a. vergleichende Tabellen leicht lesbar. Es enthält viele auch ganz praktische Tipps und Listen, wie die gelungene kommentierte Literaturliste. Im Fundus wird es allerdings dann zu kleinteilig, wenn z.B. die Requisiten zur Darstellung eines Taucher mit „Badekappe, Taucherbrille mit Schnorchel, Flossen“ ausformuliert werden.
Diskussion
Die Einsatz-, Methoden-, Zielgruppenvielfalt von szenischen Elementen in Trainingskontexten und im Unternehmenstheater ist beeindruckend. Den Autorinnen gelingt es gut, diese Vielfalt abzubilden. Die Ausführungen sind getragen von ihren umfangreichen Erfahrungen und dadurch sehr authentisch und praxisfundiert.
Das Veränderungspotenzial des Theaters wird zentral gestellt (S. 149f). Das ist eine berechtigte Annahme und gelungene Fokussierung: Theater und ästhetische Erfahrung können in Bewegung bringen – rational und v.a. auch emotional. Berechtigterweise argumentieren die Autorinnen dabei mit Klassikern des Changemanagements. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, ist nach der Gewinnung von „Mäzen“ (ausführlich beschrieben S.161-216), die dialogische Vorbereitung zwischen Auftragsgeber und Durchführungsteam (erfahrungstief und interessant), besonders die Aktivierung der Teilnehmenden unerlässlich sowie – das wird betont – die Auswertung. Wie Aktivierung (Akt 5) und Auswertung (Akt 6) gelingen kann, ist umfassend und ideenreich beschrieben.
Erfrischend ist die Empfehlung bei Störungen und Widerständen keinen Hehl aus der eigenen Verunsicherung zu machen. Verunsicherungen sind menschlich, diese zu zeigen ist mutig, so die Autorinnen. Dadurch könne eine vertrauensvolle und konstruktive Atmosphäre gefördert werden. Besonders die, dieser Empfehlung, implizit zugrunde liegende wertschätzende Haltung gegenüber den Teilnehmenden und die Einstellung der Normalität von Störungen, ist sehr erfreulich. Das ist ganz im Sinne von Ruth Cohn. Für die Begründerin der Themenzentrierten Interaktion gehören Störungen ganz selbstverständlich zum Leben und Lernen dazu und es kommt lediglich darauf an, wie mit ihnen umgegangen wird.
Das Buch liefert viele gute Gründe, Theaterverfahren in Trainings und im Unternehmen einzusetzen (z.B. Tabelle „Nutzenargumente und ihre Begründung“, S. 155ff). Der Eigenwert und Selbstzweck von Theater und ästhetischer Erfahrung rückt durch diese praktische Mittel-Zweck-Logik allerdings etwas aus dem Blickfeld. Wie viel Eigenwert braucht Theater, um (noch) Theater zu sein? Nicht ganz klar ist dabei auch, welcher Theaterbegriff der Veröffentlichung zugrunde liegt. Die im Text stark aufgegriffenen Theatermetaphern (Bühne, Publikum, Akte, Vorhang auf/zu etc.) sind einerseits zwar naheliegend, andererseits stehen sie im krassen Kontrast zum explizit wie implizit wiederkehrend aufgegriffenen Boal´schen Theaterkonzept, welches die klassische Rollentrennung von Schauspieler_innen und Zuschauer_innen aufhebt. Theater wird durch diese Aufhebung zu einem partizipativen, emanzipatorischen Erkenntnis- und Veränderungsverfahren. Selbst-denken und selbst-machen sind Programm und Ziel zugleich.
Die Veröffentlichung ist inhaltlich sehr umfassend angelegt. Diese breite thematische Darstellung stößt jedoch dort an ihre Grenzen, wo beispielsweise Basisverfahren, wie die Themenzentrierte Interaktion nur mit dem Kürzel TZI und ohne Nennung der Urheberin angeführt werden, obwohl sie gleichzeitig grundlegend für die gewählte Argumentation sind (lebendiges Training) oder dort wo Systematisierungen und Einordnungen für die Lesenden fehlen. Wie könnte z.B. aus der eher „lexikalischen“ Auflistung der Theaterformen für Training und Unternehmen (S. 49-122) etwas mehr eine Systematisierung werden, die Basisverfahren markiert, zwischen diesen und Variationen unterschiedet und Autoren- und Urheberschaft noch deutlicher kennzeichnet?
Wermutstropfen sind die nicht immer klar gekennzeichneten Referenzen, Endnoten, die sich nicht schnell auffinden lassen sowie Zitate und Verweise auf nicht-veröffentlichte Manuskripte.
Fazit
Ein Lehrbuch für Praktikerinnen und Praktiker, die neugierig sind Theaterelement in ihren Trainings einzusetzen oder ihre Tätigkeit im Kontext von Unternehmenstheater professionalisieren möchten. Insgesamt eine Fundgrube, eine Einstiegs- und Orientierungsmöglichkeit in ein Feld, das an Bedeutung gewinnt, längst kein Exotengebiet mehr ist und in Weiterbildungs- und Beratungs-/Coachingkontexten zunehmend anzutreffen ist. Unterm Strich: Es lohnt sich!
Rezension von
Dr. Julia Weitzel
Erziehungswissenschaftlerin, DGfC-Coach, Hochschuldidaktikerin (dghd)
Website
Mailformular
Es gibt 6 Rezensionen von Julia Weitzel.
Zitiervorschlag
Julia Weitzel. Rezension vom 04.03.2016 zu:
Amelie Funcke, Maria Havermann-Feye: Training mit Theater. Wie sie Theaterelemente in Trainings und Unternehmensveranstaltungen erfolgreich einsetzen. managerSeminare Verlags GmbH
(Bonn) 2015.
ISBN 978-3-95891-007-2.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/20503.php, Datum des Zugriffs 04.10.2023.
Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt.
Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns.
Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen
für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.