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Andrea Zoyke, Kirsten Vollmer (Hrsg.): Inklusion in der Berufsbildung

Rezensiert von Dipl.-Hdl. Dr. phil. Klaus Halfpap, 01.04.2016

Cover Andrea Zoyke, Kirsten Vollmer (Hrsg.): Inklusion in der Berufsbildung ISBN 978-3-7639-1182-0

Andrea Zoyke, Kirsten Vollmer (Hrsg.): Inklusion in der Berufsbildung. Befunde - Konzepte - Diskussionen. W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG (Bielefeld) 2016. 244 Seiten. ISBN 978-3-7639-1182-0. D: 28,90 EUR, A: 29,80 EUR.

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Thema

In diesem Buch wird der aktuelle Stand der Diskussion zur Inklusion in der Berufsbildung dargestellt im Kontext der terminologischen Deutungsmöglichkeiten von Inklusion generell bis zur konkreten Gestaltung in deutschen Betrieben mit behinderten Jugendlichen – auch bei der Wiedereingliederung von Rehabilitanden. Produktionsschulen und Werkstätten für Behinderte haben dabei besondere Bedeutung. Die Anforderungen an das ausbildende Personal sind an allen Orten der Berufsbildung hoch.

Herausgeberinnen

sind Prof. Dr. Andrea Zoyke von der Philosophischen Fakultät der Universität Kiel (Schwerpunkt Berufs- und Wirtschaftspädagogik) sowie Kirsten Vollmer vom Bundesinstitut für Berufsbildung, wo sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig ist.

Entstehungshintergrund

ist eine Experten-Tagung, die im Juli 2014 in Dortmund vom Bundesinstitut für Berufsbildung und der Technischen Universität Dortmund durchgeführt wurde. Titel: Inklusion in der Berufsbildung – Entwicklung und Evaluation von Förderkonzepten zur beruflichen Integration von Menschen mit Behinderungen.

Aufbau

Der Dokumentationsband ist nach einer umfassenden Einführung (7 ff.) wie folgt strukturiert:

  1. Annäherung an ein Begriffsverständnis, Ausgangspositionen und diagnostizierte
    Reformbedarfe im Berufsbildungssystem (25 ff.)
  2. Ausgewählte Angebote und Lernorte inklusiver Berufsbildung (77 ff.)
  3. Berufsbezogene Kompetenzen und Potenziale von Menschen mit Behinderungen (161 ff.)
  4. Standardisierung inklusiver Berufsbildung und Professionalisierung des pädagogischen
    und ausbildenden Personals (189 ff.)

Er wird abgeschlossen mit einem Verzeichnis der Autorinnen und Autoren (239 f.) sowie Hinweisen „Zur Arbeitsgemeinschaft Berufsbildungsforschungsnetz (AG BFN) (241 ff.).

Inhalt

Die Herausgeberinnen geben in ihrer Einführung „Zur Inklusion in der Berufsbildung: Befunde – Konzepte – Diskussionen“ einen Überblick über den Diskurs um Inklusion in der Berufsbildung sowie über die 11 Beiträge in diesem Sammelband. Vier Leitfragen der Fachtagung werden erläutert und die herausgearbeiteten Befunde und sich ergebenden Handlungsbedarfe diskutiert (16 ff.) sowie Perspektiven für die Berufsbildungsforschung, -praxis und -politik aufgezeigt (20 ff.).

Der erste der drei Beiträge von Teil I hat das Thema: „Inklusion in der Berufsausbildung. Bekenntnisse – Erkenntnisse – Herausforderungen – Konsequenzen“ (27 ff.). Der Untertitel gibt den Gang der Bearbeitung dieses Themas beim Aufgreifen der aktuellen Diskussion zur Inklusion für die Berufsausbildung wider. Dabei ist Schwerpunkt die jeweilige rechtliche Ebene, weniger (bis gar nicht) – vor allem im historischen Rückblick – die diesbezügliche curriculare Arbeit der letzten 40 Jahre der berufsbildenden Schulen (z. B. Stichwort: Jungarbeiter/innen).

Unter das Thema „Berufsbildung für Menschen mit Behinderungen“ wird die Erörterung der „Perspektiven des nationalen Bildungsberichts 2014“ (so auch der Untertitel) gestellt (43 ff.). Schwerpunktthema dieses Bildungsberichts war „Bildung von Menschen mit Behinderung“, der das historisch gewachsene deutsche Bildungssystem in Frage stellt, das stark segmentiert. Nach einer ausführlichen Problemanalyse werden Perspektiven für eine auf Inklusion zielende Berufsausbildungspolitik sowie konkreter Veränderungsbedarf ausgezeigt (54 ff.).

Auf die Ergebnisse einer Befragung von ca. 300 Berufsbildungsfachleuten Ende 2013 aus Betrieben, Schulen, Verbänden/Kammern, Hochschulen und Verwaltungen stützt sich der folgende Beitrag: „Was bedeutet ‚inklusive Berufsausbildung‘? Ergebnisse einer Befragung von Berufsbildungsfachleuten“ (59 ff.). 73 % plädierten dafür, für diese Menschengruppe von einem weiten Inklusionsverständnis auszugehen, der alle Menschen mit Benachteiligungen und Behinderungen einbezieht, wobei es teils erhebliche Unterschiede zwischen Gewerkschafts- und Arbeitgebervertretern gibt (67). Folgen dieses weiten Inklusionsverständnisse werden aufgezeigt und der „steinige Weg“ in diese Richtung diskutiert (74 f.).

Die in den ausführlichen Beiträgen von Teil II ausgewählten Angebote und Lernorte inklusiver Berufsbildung beziehen sich auf

  • eine repräsentative Befragung von 1011 Ausbildungsbetrieben mit bildungspolitischen Empfehlungen und Anregungen für die weitere Inklusionsforschung (79 ff.);
  • gewonnene Erfahrungen aus einem Projekt „TrialNet“, das 2009 bis 2015 von 21 Einrichtungen in acht Bundesländern mit knapp 400 Jugendlichen in 12 Berufen mithilfe von entwickelten Ausbildungsbausteinen durchgeführt wurde (99 ff.);
  • „Produktionsschulen in Hamburg – Auf dem Weg zur inklusiven Ausbildungsvorbereitung?!“ (123 ff.) mit einem informativen historischen Rückblick und den sich ergebenden chancenreichen Herausforderungen in der Zukunft (136 ff.);
  • die „Wiedereingliederung von Rehabilitanden der Bundesanstalt für Arbeit – Zeitpunkt, Nachhaltigkeit und Einflussfaktoren für den Wiedereinstieg“ (143 ff.).

Teil III (Titel s. o.) hat zwei thematische Schwerpunkte. Zum einen werden „Berufsbezogene Kompetenzen bei Personen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung“ (163 ff.) erörtert und praktische Handlungsempfehlungen gegeben. Zum anderen wird über ein interessantes Projekt der Jahre 2010 bis 2013 berichtet: „Musik als Beruf? Überlegungen aus dem Dortmunder Modell: Musik“ (179 ff.).

Im IV. Teil werden bearbeitet:

  • die „Berufliche Bildung für voll erwerbsgeminderte Personen durch Werkstätten für behinderte Menschen“ (191 ff.) mit fundierter Darstellung der Rechtsgrundlagen und der Beschreibung des aktuellen Projekts der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen, das 2014 begann;
  • von Andrea Zoyke die „Inklusive Berufsbildung in der Lehrerbildung für berufliche Schulen – Impressionen und Denkanstöße zur inhaltlichen und strukturellen Verankerung“ (207 ff.). Sie stellt trotz abschließend festgestellter Handlungsbedarfe und Empfehlungen für diese Lehrerbildung sowie von Forschungsdesideraten (228 ff.) fest, „dass in allen Phasen der Lehrerbildung sowie in allen Bundesländern diesbezügliche Regularien und Angebote vorliegen und in den meisten Ländern weitere Reformen angestoßen wurden“ (227).

Diskussion

  1. Ist folgender Schlussfolgerung von Andrea Zoyke zuzustimmen: „Gerade für die sonderpädagogischen Förderscherpunkte, die zunehmend in die allgemeinen Schulen integriert werden sollen, erscheint eine Beibehaltung eines Sonderpädagogik-Studiums fraglich, da der Einsatz der Absolventen zu großen Teilen in regulären (beruflichen) Schulen erfolgt“ (229)?
  2. Nach einem Ergebnis einer repräsentativen Befragung im oben genannten Beitrag „wird Inklusion nicht als eine zusätzliche Ausbildungsaufgabe oder besondere Spezialisierung verstanden, sondern als grundlegende Basis für die Ausgestaltung der Ausbildungsstrukturen, -formen sowie der Kompetenzen des pädagogischen Personals etc.“ (91). Stimmen Sie diesem Verständnis zu?

Fazit

Die Diskurse über Inklusion werden in der Fachwissenschaft seit den 1990er Jahren intensiv geführt, die Veranstaltungen für die Öffentlichkeit sind zahlreich. Weniger wurden dabei die Folgen und Herausforderungen für die berufliche Bildung herausgearbeitet, obwohl die berufsbildenden Schulen bereits in den 1970er Jahren mit einem handlungstheoretisch begründeten Erproben neuer Wege bei der so genannten Jungarbeiterbeschulung diesen Weg beschritten. Das Anfang dieses Jahrhunderts Einsetzen der Diskurse über Inklusion in der beruflichen Bildung vor allem auf der Theorieebene wurde als Ergebnis einer Expertenfachtagung in Dortmund Mitte 2014 in diesem Band des Bundesinstituts für Berufsbildung, Bonn, zusammengefasst: sehr fundiert und nicht nur für unmittelbar Betroffene informativ. Das Buch ist anschaulich, klar und übersichtlich strukturiert und inhaltlich aspektreich gestaltet.

Rezension von
Dipl.-Hdl. Dr. phil. Klaus Halfpap
Ltd. Regierungsschuldirektor a. D.

Es gibt 51 Rezensionen von Klaus Halfpap.

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Zitiervorschlag
Klaus Halfpap. Rezension vom 01.04.2016 zu: Andrea Zoyke, Kirsten Vollmer (Hrsg.): Inklusion in der Berufsbildung. Befunde - Konzepte - Diskussionen. W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG (Bielefeld) 2016. ISBN 978-3-7639-1182-0. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/20520.php, Datum des Zugriffs 04.10.2024.


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