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Gisela Westhoff, Helmut Ernst (Hrsg.): Heterogenität und Vielfalt in der beruflichen Bildung

Rezensiert von Dipl.-Hdl. Dr. phil. Klaus Halfpap, 09.06.2016

Cover Gisela Westhoff, Helmut Ernst (Hrsg.): Heterogenität und Vielfalt in der beruflichen Bildung ISBN 978-3-7639-1179-0

Gisela Westhoff, Helmut Ernst (Hrsg.): Heterogenität und Vielfalt in der beruflichen Bildung. Konzepte, Handlungsansätze und Instrumente aus der Modellversuchsforschung. W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG (Bielefeld) 2016. 376 Seiten. ISBN 978-3-7639-1179-0. 34,90 EUR.

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Thema

In dem vom Bundesinstitut für Berufsbildung zusammengestellten Sammelband wird auf der Grundlage von in Deutschland (2011 bis 2014) durchgeführten 17 Modellversuchen mit „Unterversuchen“ mit dem Förderschwerpunkt „Neue Wege in die duale Ausbildung – Heterogenität als Chance für die Fachkräftesicherung“ ein hochaktuelles und zukunftsbedeutsames Thema im Kontext des demokratischen Wandels bearbeitet und dargestellt. Die besondere Bedeutung der Verbindung von betrieblicher Praxis, privater und öffentlicher Bildungsdienstleister sowie der Wissenschaft und Förderung durch die Politik wird bei der notwendigen Netzwerkarbeit transparent. Inklusion und Berufsorientierung mit frühzeitiger Einbindung der Unternehmen in die Bildungskette Jugendlicher rücken damit in das Zentrum berufsbildungswissenschaftlicher Arbeit.

Autorenschaft

Zwei der insgesamt 36 Autorinnen und Autoren sind die Herausgeber: Gisela Westhoff vom Bundesinstitut für Berufsbildung und Prof. Dr. Helmut Ernst von der Hochschule Wismar.

Aufbau

Nach einem Vorwort (7 f.) und vor den Verzeichnissen der Abkürzungen sowie Autorinnen und Autoren (371 ff.) sind die Beiträge folgenden Kapiteln zugeordnet:

  1. Das Modellversuchsprogramm „Neue Wege in die duale Ausbildung – Heterogenität als Chance für die Fachkräftesicherung“ (9 ff.)
  2. Vorschläge der Modellversuche für einen neuen Umgang mit Heterogenität – Ergebnisse und Konzepte (117 ff.)
  3. Transfer und Wirkungen (341 ff.)
  4. Interview: Forschung und Entwicklung in Modellversuchen – Herausforderungen für Politik, Wissenschaft und Berufsbildungspraxis (363 ff.)

Inhalt

„Das Handlungskonzept des Modellversuchsprogramms“ wird von Gisela Westhoff im 1. Kapitel vorgestellt (11 ff.). Dabei wird differenziert und anschaulich der komplexe „Eisberg“ in seinen verschiedenen Aspekten der Heterogenität in der beruflichen Bildung erläutert, bei dem nur die Spitze als erkennbarer Teil aufgezeigt wird, bei dem sie sich in den Bildungsstatistiken nachweisen lassen (Alter, Geschlecht, Herkunft, schulische Vorbildung), die Fülle von ca. 40 weiteren Merkmalen jedoch nicht, die sich in ihren unterschiedlichen Ausprägungen in der Studie erkennen lassen (13 ff.); zu letztgenannten gehören z. B. Sozialverhalten, Kommunikationsfähigkeit, Sorgfalt, Teamfähigkeit, logisches Denken, religiöse Glaubensprägung.

Eine „Übersicht über die Modellversuche ‚Kooperation und Netzwerkarbeit‘“ wird im dann folgenden Beitrag gegeben (27 ff.): mit einer Kurzdarstellung der Modellversuche aus der Lausitz, aus Hamburg und Schwerin, aus Kolpinghäusern, dem Saarland, Aachen, Sachsen und dem Altenburger Land.

Wegen dessen besonderer Bedeutung wird „Der Forschungs- und Entwicklungsprozess zur Vorbereitung des Modellversuchsprogramms“ herausgearbeitet (39 ff.). Als Herausforderung muss dabei berücksichtigt werden, dass heterogene Gruppen in der beruflichen Bildung die Normalität und nicht die Ausnahme darstellen (46).

Besonders hervorgehoben werden u. a. die Auswirkungen des demografischen Wandels auf das Berufsbildungssystem sowie die Spezifika der neuen Länder (57 ff.) bei der Bearbeitung der „Auswirkungen des demografischen Wandels auf das Berufsbildungssystem“ (53 ff.).

Die Ergebnisse einer Befragung von 259 Ausbildungsbetrieben und 54 Bildungsdienstleistern im Herbst 2009 werden zur Darstellung der „Veränderungen in der Berufsbildung unter dem Gesichtspunkt von Heterogenität“ (65 ff.) detailliert und sehr informativ ausgewertet.

Ein Novum bei diesem Modellversuchsprogramm war, dass dieses auf dieser Ebene „mit Zuständigkeit für den gesamten Förderschwerpunkt eingerichtet wurde“, was in dem Beitrag „Handlungsansatz und Vorgehen der wissenschaftlichen Begleitforschung …“ entfaltet wird (83 ff.). Ein sehr interessanter Weg in der Modellversuchsforschung wurde hier entwickelt und erprobt.

„Die Netzwerkarbeit als Erfolgsbasis für den Forschungs- und Entwicklungsprozess“ (105 ff.) durch „Einbindung und Vernetzung von Politik, Wissenschaft und Berufsbildungspraxis fördert das Gelingen und stellt die Arbeit … auf eine breite Basis“. Im Zentrum standen „die kleinen und mittleren Unternehmen mit ihren differenzierten Bedürfnissen und Erwartungen in den Bereichen Ausbildung und Sicherung von Nachwuchskräften“ (105).

Das 2. Kapitel beinhaltet im ersten Beitrag zur „Sensibilisierung der Betriebe/Öffnung für Heterogenität/neue Formen der Ausbildungsvorbereitung/Interkulturalität“ als „Einleitung: Neue Wege in die duale Ausbildung für Jugendliche in ihrer Vielfalt und Heterogenität“ (119 ff.) sowie:

  • als strategisches Element der Fachkräftesicherung (124 ff.);
  • durch ein Kooperationsmanagement in einem Netzwerk von kleinen und mittleren Unternehmen in Hamburg mit neu entwickelten Lernkonzepten für die Ausbildung und Qualitätssicherung während der Ausbildung (135 ff.);
  • zur Steigerung der Attraktivität von elektrotechnischen Berufen im Handwerk ab Schulklasse 7 bis zur Ausbildung mit prozessbegleitender Kompetenzanalyse in Stuttgart (144 ff.);
  • durch ein Planspiel „Unternehmerisch Denken und Handeln“ als didaktischer Ansatz für die Berufsorientierung, Berufsvorbereitung und die duale Ausbildung ab Jahrgansstufe 8 in Rothenburg, das auch in anderen Regionen Deutschlands erprobt wurde (z. B. in Schwerin, Altenburg, Saarbrücken), worauf besonders hingewiesen wird (158 ff.).

In den zweiten Abschnitt vom 2. Kapitel „Ausbildungsvorbereitung im Betrieb/Branchenspezifik/Begleitung und Assistenz der Ausbildung/Sensibilisierung und Qualifizierung des Ausbildungspersonals“ wird eingeführt von Helmut Ernst mit dem Beitrag „Einleitung: Betriebe in der Ausbildungsvorbereitung und Ausbildung unterstützen“ (171 ff.). Die fünf Modellversuche werden kurz vorgestellt, die sich in einem Gesamtprojekt dem Anliegen in besonderer Weise angenommen haben, Konzepte und Instrumente zu entwickeln, mit denen Ausbilder/innen in kleinen und mittleren Unternehmen unterstützt werden können (172). Diese werden in den dann folgenden Beiträgen bekannt gemacht: der Modellversuch

  • des Meuselwitzer BildungsZentrums in Thüringen mit Handwerksbetrieben (177 ff.);
  • der Arbeiterwohlfahrt des Landesverbandes Saarland mit dem Projekt „Chance Pflegeberuf“ (191 ff.);
  • des Bundesinstituts für Berufsbildung in Berlin zur „Assistierten betrieblichen Ausbildung“ vor allem in kleinen und mittleren Betrieben (203 ff.);
  • „AnHand“ mit 17 Modellversuchen im Raum Aachen zur Fachkräftesicherung in diesen Unternehmen und „zum Übergang in Ausbildung für arbeitsbenachteiligte Menschen“ (219 ff.);
  • „Qualifizierung von Azubi-Trainern – ein neuer Weg zur Fachkräftesicherung im Stuckateur-Handwerk“ in Baden-Württemberg (232 ff.).

Der dritte Abschnitt des 2. Kapitels ist konzentriert auf die „Gewinnung von Betrieben für neue Herausforderungen bei der Fachkräftesicherung“ nach einer Einleitung (239 ff.) mit der Darstellung

  • von „Maßnahmen und Instrumenten zur Unterstützung Jugendlicher mit vielfältigen Voraussetzungen in ihrem Berufswahlprozess“ in Schwerin als Prozessgestaltung in dieser Erkundungsphase (243 ff.);
  • des entwickelten Netzwerks bei der Teilzeitausbildung junger Mütter und Väter in Baden-Württemberg (257 ff.);
  • eines Förderkonzepts in Bayern „Ausbildungsorientierte Alphabetisierung“ (266 ff.);
  • von Konzepten zur „Aus- und Weiterbildung in Zeitarbeitsunternehmen“ u. a. im Raum Chemnitz (278 ff.).

Die Beiträge des vierten Abschnitts „Ausbildungsmarketing und passgenaue Vermittlung“ thematisieren nach einer Einleitung (287 ff.)

  • die Bedeutung einer stärkeren Orientierung an den Ausbildungspotenzialen bei der Bewerberauswahl durch die Betriebe (hier) der gewerblichen Wirtschaft (291 ff.);
  • das Modell des Jugendwohnens, das zunehmende Bedeutung gewinnt (z. B. den Kolping-Wohnheimen z. B. in Erfurt und Schweinfurt) als Angebot der Jugendhilfe (305 ff.);
  • den BIBB-Modellversuch „Ausbildungsnavigation“ in Südbrandenburg (319 ff.):
  • die möglichst frühzeitige Unterstützung auch anspruchsvoller Bewerber um einen betrieblichen Ausbildungsplatz durch Verknüpfung der Lern- und Lebensräume Schule, Betrieb und Freizeit (331 ff.).

Als 3. Kapitel werden im vorletzten Beitrag „Transfer und Wirkungen“ der Modellversuche aufgezeigt (341 ff.), deren Transferprozesse besonders erfolgreich sind, „wenn sie wirksam durch Kammern, Landesverwaltungen und Politiker auf Bundes- und Landesebene unterstützt werden“ (359). Von den vielfältigen Wirkungen seien hier nur folgende hervorgehoben: Verbesserung des Ausbildungsmarketings, Qualifizierung der Ausbildenden im Umgang mit Heterogenität, Aufbau von Netzwerken (a. a. O).

Als 4. Kapitel werden von Vertretern des BIBB in abschließend wiedergegeben Interviews „Herausforderungen für Politik, Wissenschaft und Berufsbildungspraxis“ solcher Modellversuche „neuen Typs“ hervorgehoben.

Diskussion

  1. Funktioneller Analphabetismus (verstärkte Schwächen in der Lese- und Verständnisfähigkeit) bei Jugendlichen ist ein zunehmendes Problem für das Bildungspersonal, was insbesondere in einem Beitrag herausgearbeitet wird (266 ff.); Förderinstrumente und -konzepte zur Integration dieser Jugendlichen in das Ausbildungssystem wurden entwickelt und erprobt (271). Kennen Sie Förderkonzepte, die über die dort aufgeführten Instrumente und Maßnahmen hinausgehen?
  2. Wie wird in Ihrer (der Lesenden) Alltagspraxis als Berufsbildungstätiger in Theorie und Praxis das Thema Inklusion aufgegriffen, diskutiert und zu lösen versucht?

Fazit

Die Rezension gibt einen Einblick in die teils detaillierte und stets gründlich fundierte Bearbeitung und Darstellung des hoch aktuellen und aspektreichen Themas „Heterogenität und Vielfalt in der beruflichen Bildung“ durch Auswertung von zahlreichen Modellversuchen in 20 Beiträgen, in die in den ersten beiden Kapiteln übersichtlich eingeführt wird.

Zentrale „Schlagworte“ sind darüber hinaus u. a.: Förderrichtlinien, Bildungsinhalte, Netzwerke, Vorbereitungsprozess, demografischer Wandel, Unterstützungsbedarfe, Evaluation, Kooperation, Übergangsbegleitung, Planspiel, Weiterbildungsangebote, Matching, Ausbildungsassistenz, Feadbackkultur, handlungsorientiertes Lernen, Erkundung, Teilzeitausbildung, Ausbildungsreife, Zeitarbeitsunternehmen, Jugendwohnen, Berufsorientierung.

Ein empfehlenswertes anregendes Buch zum Lesen und als hilfreiche Arbeitsunterstützung!

Rezension von
Dipl.-Hdl. Dr. phil. Klaus Halfpap
Ltd. Regierungsschuldirektor a. D.

Es gibt 51 Rezensionen von Klaus Halfpap.

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ISSN 2190-9245